19.10.2024

Deutschland: Kirchenasyl-Hamburger Innensenator übt scharfe Kritik an Kirchen

Grote: Die verabredeten Regeln werden in vielen Fällen nicht

Hamburg (IDEA) – Der Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD) hat scharfe Kritik am Umgang der Kirchen mit dem Kirchenasyl geübt. Die vereinbarten Regeln dafür würden von ihnen oft nicht eingehalten, sagte der Politiker gegenüber dem „Hamburger Abendblatt“. Anlass für Grotes Äußerungen war der Streit um den Bruch eines Kirchenasyls durch die Hamburger Polizei. Sie hatte am 30. September einen 29-jährigen Afghanen nach Schweden abgeschoben, der sich seit August im Kirchenasyl in der katholischen Pfarrei Heilige Elisabeth in Hamburg-Bergedorf befand. Die Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck der Nordkirche, Kirsten Fehrs, und der katholische Hamburger Erzbischof Stefan Heße übten daraufhin Kritik am Vorgehen der Polizei. Sie forderten, die Behörden müssten Kirchenasyle respektieren. Dazu sagte Grote, die Kirchen stünden nicht über dem Recht. Der Staat könne die Entscheidung über das Bleiberecht eines Ausländers nicht anderen Institutionen überlassen.

Problematische Haltung der Kirchen

Der Innensenator erinnerte an die Vereinbarung zwischen den Kirchen und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aus dem Jahr 2015. Danach können die Kirchen auch abgelehnten Asylbewerbern zunächst Kirchenasyl gewähren und dem BAMF ein „Härtefalldossier“ vorlegen. Die Behörde prüft den Fall dann erneut. Wenn sie den Antrag auf ein Bleiberecht jedoch ablehnt, muss das Kirchenasyl beendet werden. Dieser „letzte Teil“ werde von den Kirchen, „gerne vergessen“, sagte Grote. Das Kirchenasyl werde in den meisten Fällen auch nach einem ablehnenden Bescheid nicht beendet. Weiter erklärte der Politiker, es gebe eine problematische Haltung der Kirchen, „wonach die Gesetze und der Rechtsstaat ja schön und gut seien“, aber nur die Kirchen die Schutzwürdigkeit eines Flüchtlings wirklich beurteilen könnten. „Wenn die Rechtslage eigentlich schon klar ist und dennoch das besondere Privileg eingeräumt wird, dass der Fall noch einmal unter Härtefallgesichtspunkten geprüft wird, kann die Kirche bei einem negativen Ergebnis nicht am Ende sagen: Euer Rechtsstaat interessiert uns nicht, wer in Deutschland bleibt, entscheiden wir.“

Praktisch ausschließlich „Dublin-Fälle“

Nach Grotes Angaben befinden sich in Hamburg derzeit 26 Flüchtlinge im Kirchenasyl. Dabei handele es sich praktisch ausschließlich um sogenannte „Dublin-Fälle“, in denen die Betroffenen in ein anderes europäisches Land überstellt werden sollen. Gemäß dem Dublin-Übereinkommen aus den 1990er-Jahren müssen Flüchtlinge in dem Land einen Asylantrag stellen, das sie in der EU zuerst betreten haben. „Wenn es wirklich um die individuelle Härte einzelner Fälle geht, würde es ja naheliegen, diejenigen ins Kirchenasyl zu nehmen, bei denen eine unmittelbare Rückführung ins Herkunftsland droht. Da wäre dann möglicherweise auch die Erfolgsquote beim BAMF höher als bei Dublin-Überstellungen“, so Grote.