08.12.2025

Syrien: Pulverfass Syrien - Ein Jahr nach Assad

(IDEA) Vor einem Jahr, am 8. Dezember 2024, hat eine Rebellenmiliz das Assad-Regime in Syrien gestürzt. Wie geht es jetzt den Christen im Land? Ein Beitrag von Pfarrer Peter Fuchs. Er ist Geschäftsführer von Christian Solidarity International (CSI) in Deutschland.

Vor einem Jahr stürzte der Langzeitherrscher Baschar al-Assad, und Ahmed al-Scharaa – Gründer der dschihadistischen al-Nusra-Front – übernahm die Macht. Viele Syrer haben derzeit das Gefühl, auf einem Pulverfass zu sitzen. Die Massaker an Alawiten im März, der Bombenangriff auf die St. Elias-Kirche im Juni, die Gewaltwellen gegen Drusen im Sommer und die Bombardierung kurdischer Stadtviertel Aleppos durch Regierungssoldaten im Oktober sind in keiner Weise aufgearbeitet und könnten sich jeden Augenblick wiederholen.

Angespannte Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist nach der Entlassung von hunderttausenden Polizisten, Soldaten und Beamten des Assad-Regimes durch die neuen Machthaber extrem angespannt. Entführungen, Einbrüche und Gewaltverbrechen haben stark zugenommen. Während Christen in Aleppo sich über die nie gekannte Meinungsfreiheit freuen und berichten, dass sie von al-Scharaas Sicherheitskräften respektvoll behandelt werden, klagen die Minderheiten insbesondere im Zentrum des Landes und in den Küstenprovinzen über gezielte Entführungen, Tötungen und den täglichen Terror durch willkürliche Verhaftungen. Christen, andere Minderheiten und sogar Sunniten sind dem in einem völlig rechtsfreien Raum ausgeliefert. Festnahmen durch Sicherheitskräfte des neuen Regimes haben sich zu einem systematischen Muster entwickelt. Häuser werden gestürmt, Bürger festgenommen. Ihnen wird den Zugang zu Anwälten verwehrt, ihr Verbleib verschleiert. Diese Festnahmen richten sich häufig gegen Persönlichkeiten, die für ihre Integrität und ihre patriotische Gesinnung bekannt sind. Der Christ Milad al-Farakh, ein freundlicher Metzger aus dem zwischen Homs und Tartus liegenden „Tal der Christen“, wurde am 25. August verhaftet. Er landete im Gefängnis von al-Balloon (Homs), wurde gefoltert und schließlich von Angehörigen der neuen Polizeikräfte ermordet. Der ehemalige Bürgermeister der mehrheitlich christlichen Stadt Sadad, Suleiman Khalil, wurde bereits am 8. Februar verhaftet und befindet sich seither ohne Anklage unter strengen Bedingungen in Haft. Aufgrund der anhaltenden Bedrohungslage, der extremen Armut und der schleichenden Islamisierung setzen die Christen Syriens weiterhin alles auf die Karte der Auswanderung – mit dramatischen Folgen für die syrische Gesellschaft und die christlichen Gemeinden, die überaltern und verschwinden. So leben in der zu 75 Prozent zerstörten Stadt Deir ez-Zor noch vier Christen – 2011, vor dem Krieg, waren es 7.000.

Was die Bundesrepublik tun sollte

Deutschland muss in dieser Situation Druck auf das Regime in Damaskus ausüben und es zwingen, die Rechte aller seiner Bürger zu schützen, insbesondere die Religionsfreiheit. Dabei ist Syrien vermutlich eines der wenigen Themen, bei denen sich AfD und Grüne einig sind: Bei der jüngsten Bundestagsdebatte anlässlich des Tags der Menschenrechte hat der AfD-Abgeordnete Rainer Rothfuß die schwierige Lage der Minderheiten thematisiert und der Grüne Max Lucks sprach von einem „islamistischen Regime“ in Damaskus. Das ist ein überraschendes Umdenken, wenn man bedenkt, wie stark Ex-Außenministerin Annalena Baerbock den Regimewechsel durch Ahmed al-Scharaa unterstützt und begrüßt hat.

Einen ausführlichen Beitrag über Syrien gibt es im aktuellen IDEA Spezial zum Thema „Christenverfolgung“.