10.02.2025

Deutschland: Paragraf 218 - Theologisch Konservative kritisieren Rat der EKD

Zahlreiche Vereinigungen lehnen den Kurs des Gremiums öffentlich ab

Hannover/Berlin/Sachsenheim (IDEA) – Mehrere theologisch konservative Vereinigungen haben scharfe Kritik an der Haltung des EKD-Rats zu Abtreibungen geübt. Anlass ist eine Anhörung des Rechtsausschusses des Bundestags. Er befasst sich am 10. Februar mit dem Gesetzentwurf zur Streichung von Paragraf 218 des Strafgesetzbuches. Nach dem Entwurf der Abgeordneten soll Abtreibung künftig nicht mehr im Strafgesetzbuch, sondern in einem Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt werden. Die Kindstötungen sollen bis zur zwölften Woche nach der Empfängnis als rechtmäßig gelten. Die Beratungspflicht soll bestehen bleiben, aber die Frist zwischen Beratung und Durchführung der Abtreibung (derzeit drei Tage) entfallen. Der Rat der EKD hatte im Dezember erklärt, dass er den Entwurf für „weitgehend zustimmungsfähig“ halte.

Mehrere Vereinigungen schließen sich zusammen

Die Bekenntnisbewegung „Kein anderes Evangelium“ (Sachsenheim) hat nun eine Stellungnahme verfasst, die dem Rat der EKD vorwirft, sich vom Christentum, dem Recht und der Menschlichkeit zu verabschieden. Der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA liegen die Mitteilungen mehrerer theologisch konservativer Vereinigungen vor, die sich der Erklärung angeschlossen haben. Dazu gehören der Gemeindehilfsbund (Walsrode), die Internationale Konferenz Bekennender Gemeinschaften (IKBG/Stralsund) und die Konferenz Bekennender Gemeinschaften in den Evangelischen Kirchen Deutschlands (Hamburg), die Kirchlichen Sammlungen um Bibel und Bekenntnis in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Hamburg) und in Bayern (Windsbach/Mittelfranken) sowie der Lutherische Konvent im Rheinland (Brühl bei Köln). Weitere Netzwerke äußerten, dass sie die Kritik in der Sache teilen. Dazu gehört die Sächsische Bekenntnis-Initiative (Ehrenfriedersdorf/Erzgebirge), die bereits eine eigene Stellungnahme veröffentlicht hat, der sich sowohl die württembergische Pfarrerarbeitsgemeinschaft Confessio als auch der Gemeindehilfsbund angeschlossen haben. Auch der Vorsitzende des Netzwerks Bibel und Bekenntnis, Pfarrer Ulrich Parzany (Kassel), verweist in diesem Zusammenhang auf eine von ihm publizierte Erklärung.

„Rückfall in die Barbarei finsterer Zeiten“

Der Rat der EKD bezeichnet in seiner Stellungnahme den „Anspruch des Ungebornen, geboren zu werden, als „gleichberechtigt“ mit dem Anspruch der Schwangeren an das eigene Leben. Damit habe, so die Bekenntnisbewegung, aus Sicht der EKD die Lebensplanung eines Menschen den gleichen Rang wie das Lebensrecht eines anderen Menschen. Doch wenn das Lebensrecht eines Menschen anderen Ansprüchen untergeordnet werde, sei jeder Rechtsordnung die Grundlage entzogen. Da das Recht auf Leben die Voraussetzung für jedes andere Recht sei, laufe eine solche Regelung auf das Recht des Stärkeren hinaus. Die Schutzfunktion des Rechts für denjenigen, der sein Recht nicht selber durchsetzen könne, werde aufgehoben. Sie reduziere sich damit auf eine Beratungsfunktion für den Stärkeren, der dann selbst entscheiden dürfe, welchen Wert er dem Leben des Schwächeren im Vergleich mit seinen eigenen Ansprüchen an das Leben zubillige. Dabei handle es sich um die Aufhebung des Rechtsstaates und den „Rückfall in die Barbarei finsterer Zeiten“.

Bekenntnisbewegung: Dann hört die EKD auf, Kirche zu sein

Die Bekenntnisbewegung kritisiert zudem, dass sich die EKD nicht von theologischen Einsichten, sondern von gesellschaftlichen und medizinischen Veränderungen habe nötigen lassen, ihr ethisches Urteil anzupassen. Die Stellungnahme gründe damit auf Voraussetzungen, „bei deren Geltung die Kirche nach allen in den Kirchen der EKD geltenden Bekenntnissen aufhört, Kirche zu sein“. Die Verantwortung für das ungeborene Kind sei außerdem nicht nur eine religiöse Verpflichtung für gläubige Christen, sondern gehöre strafbewehrt in das staatliche Recht zum Schutz der schwangeren Frauen und der ungeborenen Kinder.

 

EKD-Synodaler: „Theologisch nicht ausgewogen“

Zuvor hatte unter anderen der Sprecher der theologisch konservativ orientierten synodalen Arbeitsgruppe „Lebendige Kirche“ in der EKD-Synode, Pfarrer Friedemann Kuttler (Großbottwar bei Ludwigsburg), die Stellungnahme gegenüber IDEA kritisiert. Er halte das Papier für „theologisch nicht ausgewogen“. Der Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, Pfarrer Steffen Kern (Walddorfhäslach bei Reutlingen), betonte in einem Kommentar für IDEA, dass das vorliegende Papier keinen evangelischen Konsens beschreibe: „Es gibt ihn nicht, wenn es konkret wird.“ Kern ist selbst Mitglied der Arbeitsgruppe „Debatte um Paragraf 218 StGB“ aus dem EKD-Kammernetzwerk. Darüber hinaus distanzierte sich auch der religionspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, das EKD-Ratsmitglied Thomas Rachel (Düren), von dem Positionspapier.