20.02.2025

Deutschland: Prof. Bielefeldt konstatiert – Liberale Kreise sehen Recht auf Religionsfreiheit skeptisch

IIRF-D/idea/Tübingen/20.02.25 - Prof. Heiner Bielefeldt: Religionsfreiheit dient dem Schutz aller Menschen in ihrer Vielfalt und ist unersetzbar. Foto: FTH/Hilt

Der Seniorprofessor für Menschenrechte der Universität Erlangen-Nürnberg, Heiner Bielefeldt, beobachtet in liberalen Kreisen eine gewisse Skepsis gegenüber dem Recht auf Religionsfreiheit. Für andere Menschenrechte hingegen engagierten sie sich hingegen sehr, sagte Bielefeldt beim Internationalen Symposium „Religionsfreiheit: Anspruch – Wirklichkeit – Herausforderungen“ an der Freien Theologischen Hochschule Gießen (FTH). An der Veranstaltung vom 13. bis 14. Februar nahmen deutsche und internationale Experten auf diesem Gebiet teil.

Ein Grund für die herrschende Skepsis sieht Bielefeldt unter anderem darin, dass Religion liberalen Milieus mittlerweile oft fremd geworden sei und das tiefere Verständnis fehle. Es herrsche mitunter die Klischeevorstellung, dass sie ein Medium der „Gegenaufklärung“ sei und Rechte wie die Meinungsfreiheit beschränke. Religionsfreiheit werde mitunter als Instrument gegen Themen wie Gender, Kinderrechte oder andere Menschenrechte angesehen. Kulturkämpferische Instrumentalisierungen durch ultra-konservative Kreise gebe es tatsächlich – doch es gelte, daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Es dürfe nicht vergessen werden, dass ohne Religionsfreiheit der Kanon der Menschenrechte unvollständig sei.

Letztendlich diene die Religionsfreiheit dem Schutz aller Menschen in ihrer Vielfalt und sei unersetzbar. Anders als die Meinungs-, Versammlungs- und Gedankenfreiheit schütze es die konkrete Glaubenspraxis. Es beinhalte auch das Recht, mit Glaubensüberzeugungen zu experimentieren, Glauben anzuzweifeln, ihn zu wechseln oder schlicht an nichts zu glauben.

 

Beobachtet in westlichen Staaten eine Tendenz zur Ausweitung von Antidiskriminierungsgesetzen: Theologieprofessor Christoph Raedel. Foto: FTH/Hilt

Prof. Raedel: Identitätspolitik schadet der Gesellschaft

Der Professor für Systematische Theologie und Theologiegeschichte an der FTH Gießen, Christoph Raedel, beklagte indes, dass die gegenwärtig vorherrschende Identitätspolitik dem Gemeinwohl und dem Zusammenhalt einer demokratischen Gesellschaft schade. Obwohl es der Identitätspolitik darum gehe, dass bisher diskriminierte Gruppen, wie etwa die LGBTQ+-Gemeinschaft, gesellschaftliche Anerkennung erfahren, führe sie zu neuen Ungleichbehandlungen und weniger Freiheit.

Das habe mit der dort vorherrschenden Überzeugung zu tun, dass sich die Gesellschaft in Täter- und Opfergruppen unterteilen lasse. Christen, insbesondere solche mit traditionellen Glaubens- und Wertvorstellungen, würden dabei der vorherrschenden Tätergruppe zugerechnet. Das mache es ihnen schwer, eigene Diskriminierung geltend zu machen.

Grund dafür sei die in westlichen Staaten zu beobachtende Tendenz zur Ausweitung von Antidiskriminierungsgesetzen, die auch die Religionsfreiheit gefährdeten. Auffällig oft gehe es dabei um Auseinandersetzungen um die in Kirche und Gesellschaft unterschiedlichen Beurteilungen sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identitäten.

Dass eine Kirche aber das verbriefte Recht habe, ihre eigenen Grundsätze des Glaubens und der Lebensführung ihrer Mitglieder aufzustellen, gerate zunehmend unter den Druck solcher Gesetze. „Religionsfreiheit wird dann so interpretiert, dass Personen bestimmter Identitätsgruppen – sowie die Gesellschaft insgesamt – vor Äußerungen und Handlungen geschützt werden müssten“, so Raedel. Damit werde das Recht auf Religionsfreiheit eines Individuums gegen das einer Glaubensgemeinschaft ausgespielt.

 

 

Politisch wachse der Druck auf Glaubensgemeinschaften, auch in ihren Reihen ihren eigenen Lehren widersprechende Überzeugungen und Praktiken zu tolerieren und letztendlich zu billigen. Im Berufsalltag werde es ebenso für Christen in immer mehr Berufssparten schwierig, nach ihren Glaubensüberzeugungen zu handeln.

Raedel spricht sich in diesem Zuge für einen individuelleren und sensibleren Umgang beider Seiten mit konkreten Konfliktsituationen aus. Er plädiert dafür, wieder stärker aufeinander zuzugehen, anstatt sich gegenseitig zu misstrauen.

Quelle: https://www.idea.de/artikel/prof-bielefeldt-liberale-kreise-sehen-recht-auf-religionsfreiheit-skeptisch