09.10.2025
Syrien: Drei Christen erschossen
Menschenrechtler: Seit Jahresbeginn über 1.000 Tote durch Gewalttaten
Homs (IDEA) – In der zentralsyrischen Provinz Homs sind drei Christen erschossen worden. Wie die katholische Nachrichtenagentur AsiaNews berichtete, eröffneten unbekannte Bewaffnete in dem Dorf Anaz im sogenannten „Tal der Christen“ das Feuer auf drei junge Männer. Nach Angaben des Leiters der Sicherheitskräfte der Übergangsregierung in der Region, Murhaf al-Naasan, handelte es sich bei den Opfern um Bewohner des Ortes. Die Hintergründe der Tat seien bislang unklar. Al-Naasan erklärte, die Behörden hätten sofort Maßnahmen ergriffen, um das Gebiet abzusperren, die Täter zu verfolgen und sie vor Gericht zu bringen. Zugleich rief er die Bevölkerung zur Ruhe auf und warnte davor, auf Gerüchte oder Provokationen zu reagieren. Nach seiner Einschätzung könne eines der Ziele der Tat darin bestehen, Unruhe zu stiften, den Wiederaufbau des Landes unter der Führung von Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa (ehemals Abu Muhammad al-Golani) zu behindern und Angst unter der Bevölkerung zu säen. Nach Informationen der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (Syrian Observatory for Human Rights) mit Sitz in London soll einer der Getöteten zwei Tage zuvor in einem Gerichtsverfahren freigesprochen worden sein. Das Verfahren sei von Personen aus dem benachbarten Dorf Al-Hosn angestrengt worden – dorthin sollen auch die Täter nach dem Anschlag geflohen sein. Nach Angaben der Beobachtungsstelle sind seit Jahresbeginn landesweit bereits 1.070 Menschen, darunter 32 Frauen und 21 Kinder, bei ähnlichen Gewalttaten ums Leben gekommen.
Das „Tal der Christen“ ist nicht mehr sicher
Die anhaltende Gewalt zeigt laut AsiaNews, wie instabil das Land unter der neuen Regierung ist. Der Mord an den drei jungen Männern hat in der mehrheitlich christlichen Region große Empörung ausgelöst. Lokale Gruppen riefen zu einem Generalstreik auf, um der Opfer zu gedenken und gegen die zunehmende Gewalt zu protestieren. Schulen blieben geschlossen, viele Menschen erschienen nicht zur Arbeit. Zudem hatten örtliche Parteien ihre Kandidaten für die Parlamentswahlen zurückgezogen und zu deren Boykott aufgerufen. Das „Tal der Christen“ galt während des syrischen Bürgerkriegs als sicherer Rückzugsort. In jüngster Zeit sei die Lage jedoch zunehmend angespannt, so AsiaNews. Erst kürzlich war der syrisch-katholische Priester Michel Naaman vor seinem Haus überfallen und beraubt worden.
Neues Parlament wird gebildet
In Syrien wird zurzeit erstmals nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Baschar al-Assad im Dezember 2024 ein Parlament gebildet. Wie der Deutschlandfunk berichtete, haben sunnitische Kräfte und Stammesführer die meisten Stimmen erlangt. Von 140 Sitzen aus 50 Wahlbezirken gingen zudem sechs Sitze an Frauen, vier an die Minderheit der Alawiten, zu denen die Assad-Familie gehört, und zwei an Christen. Die syrische Bevölkerung hatte bei der Wahl keine direkte Möglichkeit, die Abgeordneten zu wählen. Stattdessen wurden in regionalen Gremien rund 6.000 Wahlleute bestimmt, die die Parlamentarier aus ihren Reihen wählten. Anhänger der gestürzten Assad-Regierung wurden nicht zur Wahl zugelassen. In Teilen Syriens, die von den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) kontrolliert werden, und im Siedlungsgebiet der Drusen fanden zudem keine Wahlen statt. Die Übergangsregierung begründete das mit Sicherheitsbedenken. Al-Scharaa soll nun noch weitere 70 Mitglieder und damit ein Drittel des insgesamt 210 Sitze zählenden Parlaments benennen. Der Anteil der Christen an den etwa 23 Millionen Einwohnern soll nur noch bei etwa einem Prozent liegen. Vor Beginn des Bürgerkriegs waren es sechs Prozent.