30.10.2025
Irak und Syrien: 15 Jahre nach Anschlag-Christen weiter bedroht
Menschenrechtsorganisation ruft Kirchen in Deutschland zu mehr Einsatz auf
Göttingen/Damaskus (IDEA) – Fünfzehn Jahre nach dem Anschlag auf die syrisch-katholische Sayidat-al-Nejat-Kathedrale in Bagdad erinnert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV/Göttingen) an die weiterhin prekäre Lage der Christen im Irak und in Syrien. Wie die Menschenrechtsorganisation am 30. Oktober mitteilte, seien Christen in beiden Ländern bis heute massiven Bedrohungen ausgesetzt. Die Menschenrechtsorganisation ruft daher die evangelische und katholische Kirche in Deutschland dazu auf, sich verstärkt für die Rechte christlicher Gemeinschaften im Nahen Osten einzusetzen. „Obwohl sich die Lage der Christen im Irak und in Syrien beruhigt hat, sind viele von ihnen dort immer noch nicht sicher“, erklärte der Nahostreferent der GfbV, Kamal Sido. Der Rückgang von Asylsuchenden aus diesen Ländern sei weniger ein Zeichen der Entspannung, sondern vor allem Folge der sinkenden Aufnahmebereitschaft in Europa.
Nahostreferent: Der syrische Machthaber ist ein „professioneller Killer“
Bei dem am 31. Oktober 2010 von Islamisten verübten Anschlag wurden 68 Menschen getötet und 60 weitere verletzt. Bis heute ist unklar, wer den Angriff und die gezielte Erschießung betender Christen angeordnet hat. Sido erinnerte daran, dass sich der heutige sunnitisch-islamistische Machthaber Syriens, Ahmed al-Scharaa (früher Abu Muhammad al-Golani), zum Zeitpunkt des Anschlags in den Reihen der Terrororganisation Al-Qaida im Irak befunden habe. Sido kritisierte scharf, dass westliche Politiker heute Christen und andere Minderheiten dazu aufforderten, ihr Leben unter einer solchen Führung zu wagen: „Es ist blanker Hohn, dass deutsche Politiker und Medien heute von Christen, Drusen, Alawiten oder Kurden verlangen, ihr Leben einem professionellen Killer anzuvertrauen.“
Sichere Rückkehr der Christen ist „illusorisch“
Nach Einschätzung von Sido hat sich die Situation der Christen und anderer Minderheiten im Irak und in Syrien seit dem Anschlag kaum verbessert. Die Hoffnung, dass Christen und Minderheiten wie die Jesiden sicher zurückkehren könnten, bezeichnet Sido als „illusorisch“. Sowohl sunnitische als auch schiitische Islamisten strebten die Einführung des Scharia-Rechts an, das ein freies Leben für Christen und andere Minderheiten unmöglich mache. „Nicht das Scharia-Recht, sondern die Trennung von Staat und Religion schafft die Voraussetzungen für demokratische Systeme – davon sind der Irak und Syrien jedoch weit entfernt“, betont Sido.
Dramatische Schrumpfung der christlichen Bevölkerung
Die Zahl der Christen im Irak ist nach Angaben der GfbV in den vergangenen Jahrzehnten stark gesunken. Schätzungen zufolge lebten derzeit zwischen 150.000 und 200.000 Christen im Land, während es vor 40 Jahren noch rund 1,5 Millionen waren. Eine im November 2024 begonnene Volkszählung könne bald genauere Zahlen liefern. Auch in Syrien habe sich die Zahl der Christen drastisch reduziert: Vor Beginn des Bürgerkriegs 2011 lag sie bei etwa 2,1 Millionen, heute werde sie auf weniger als 300.000 geschätzt.