25.10.2020
Weißrussland: Religionsfreiheit und andere Menschenrechte
immer wieder verletzt
Auch vor der Universellen Periodischen Überprüfung von Belarus durch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen halten die Verletzungen der Religionsfreiheit und damit verbundener Grund- und Freiheitsrechte, wie des Rechts auf freie Meinungsäußerung, der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit an. Die Menschenrechtslage hat sich während der anhaltenden Proteste gegen die manipulieren Präsidentschaftswahlen vom August 2020 weiter verschlechtert. Bei der Wahl waren keine Beobachter der OSZE zugelassen. Human Rights Watch und lokale Menschenrechtsverteidiger wie der Koordinationsrat sprachen von Wahlfälschung. Bei den Massenprotesten nach der Wahl wurden Tausende Menschen willkürlich festgenommen und systematisch misshandelt. Teilnehmer an den Protestversammlungen und an öffentlichen Gebeten für Belarus und für ein Ende der Gewaltanwendung durch die Behörden wurden aufgrund von Artikel 23.34 („Verletzung des Verfahrens für die Organisation oder Durchführung einer Massenveranstaltung oder Demonstration“) angeklagt und mit Geldstrafen belegt. Betroffen waren unter anderem Katholiken, die Gebetsveranstaltungen in den Straßen von Minsk, Grodno, Lida und anderen Städten organisierten oder an diesen teilnahmen. Das Menschenrechtszentrum Viasna (Frühling) hat dokumentiert, dass auch die Organisatoren friedlicher politischer Proteste gegen das Regime und Teilnehmer an diesen Protesten, darunter auch viele Protestanten, nach diesem Artikel angeklagt wurden.
Seit dem 31. August 2020 wird Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz, dem Oberhaupt der katholischen Kirche in Belarus, der auch belarussischer Staatsbürger ist, die Rückreise in sein eigenes Land verwehrt.
Die Beamten verhalten sich feindselig gegenüber Anhängern aller Glaubensrichtungen, die sie als Bedrohung wahrnehmen. Das Regime unterhält ein Netz aus Beamten der Geheimpolizei KGB und des Amts für religiöse Angelegenheiten, die für die Durchsetzung der Restriktionen sorgen.
Das zentrale Instrument der Einschränkung der Religionsfreiheit ist das Religionsgesetz von 2002, das die verpflichtende Registrierung aller Gemeinschaften und eine geographische Einschränkung ihres Wirkungsgebiets vorsieht. Hier beginnen die Probleme bereits bei der Gründung einer Gemeinschaft, die mindestens 20 Mitglieder haben muss, um sich registrieren zu lassen. Doch ohne Registrierung darf sich die Gemeinschaft nicht versammeln. Es ist auch eine rechtliche Adresse für den Registrierungsantrag erforderlich, die jedoch keine private Wohnadresse sein darf. Die Zustimmung der Behörden zur Nutzung eines Gebäudes als Adresse ist vor allem in ländlichen Gebieten sehr schwer zu erwirken. Durch die Registrierungsanforderungen werden die Richtlinien der OSZE/Venediger Kommission über die Rechtspersönlichkeit von Religions- oder Glaubensgemeinschaften verletzt. Nur bestimmte Personen dürfen Gottesdienste leiten. Religiöse Versammlungen in Privatwohnungen dürfen nicht regelmäßig und nur in kleinem Rahmen stattfinden. Die Eröffnung neuer Gottesdienststätten wird systematisch erschwert. Genehmigungen für große öffentliche Veranstaltungen sind scher zu erwirken und teuer. Die Gebühren für die Nutzung von seinerzeit von den sowjetischen Behörden beschlagnahmten Gottesdienststätten sind extrem hoch. Katholischen Priestern wird die Arbeitserlaubnis verweigert.
Ein Protestant kommentierte die Lage mit den Worten: „Sie haben Bedingungen geschaffen, die es unmöglich machen, nach dem Gesetz zu leben. Wir müssten die Hälfte unserer Kirchen schließen, um nach dem Buchstaben des Gesetzes zu funktionieren.“ Protestantische Gemeinschaften sind besonders häufig von Verletzungen der Religions- bzw. Glaubensfreiheit betroffen, da sie durch ihr soziales Engagement öffentlich wahrnehmbar sind.
Die Einschränkungen der Religionsfreiheit werden nicht einheitlich umgesetzt. Die Strafverfolgung erfolgt sporadisch, aber dennoch häufig genug und willkürlich, um viele Religionsgemeinschaften davon zu überzeugen, sich nur innerhalb des engen Geflechts der Restriktionen zu bewegen. Ohne Veränderung des restriktiven gesetzlichen Rahmens und der Haltung des Regimes und der Beamten werden die Verletzungen der Religionsfreiheit und sonstige Menschenrechtsverletzungen auch in Zukunft weitergehen.