Nicaragua: Christenverfolgung in einem einstmals christlichen Land

Nicaragua Nationalflagge
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- Einwohner: 7 Millionen
- Hauptstadt: Managua
- Staatsform: Präsidiale Republik, laut Verfassung
- Staatsoberhaupt: Daniel Ortega
- Religionen: Christen: 95 %, Agnostiker 2,6 %, Spiritisten 1,5 %, Sonstige 0,9 %
Engagierte Christen stehen in Nicaragua unter andauerndem Verdacht des Vaterlandsverrats; sie werden häufig zur Zielscheibe von Einschüchterung und Verfolgung. Was mit der Bewachung durch die Polizei vor dem Haus anfängt, führt in vielen Fällen zu willkürlichen Festnahmen, Misshandlungen, Erniedrigungen bis hin zur erzwungenen Ausbürgerung. Hunderte aus politischen oder religiösen Gründen Gefangene wurden bereits deportiert, darunter mehr als 100 katholische und evangelische Persönlichkeiten, um sie von ihrer Leitungsfunktion in Nicaragua fernzuhalten.
Beispiele
Im September 2024 erreichte die US-Regierung die Freilassung von 135 politischen Häftlingen, die daraufhin nach Guatemala ausgeflogen wurden. Unter ihnen war die evangelische Pastorin Marisela de Fátima Mejía Ruiz, die bei ihrer Festnahme am 16. Dezember 2023 gerade ihren zweiten Sohn zur Welt gebracht hatte, sowie ihr Mann Walner Omier Blandón Ochoa zusammen mit elf weiteren Angehörigen der Missionsorganisation „Puerta de la Montaña“, auf Deutsch „Berg-Portal“, ein Zweig des US-Missionswerks „Mountain Gateway“.
Zu den katholischen Bischöfen, die abgeschoben wurden, zählt der Bischof von Matagalpa, Rolando José Alvarez Lagos, der nach einem drakonischen Urteil von 26 Jahren Haft im Januar 2024 in den Vatikan ausgeflogen wurde, sowie der Vorsitzende der nicaraguanischen Bischofskonferenz, Bischof Carlos Herrera, der Mitte November 2024 nach Guatemala deportiert wurde. Weihbischof Silvio José Báez Ortega von Managua erhielt Morddrohungen, nachdem auch er Menschenrechtsverletzungen öffentlich angeprangert hatte, und ging dann ins US-Exil.
Ein Informant der IGFM erklärt dazu: „Jeder Pfarrer und jeder Bischof ist hier auch gleichzeitig eine moralische Führungspersönlichkeit. Da sie Ungerechtigkeiten – insbesondere Menschenrechtsverletzungen – anprangern, betrachtet das bösartige marxistische Ortega-Murillo-Regime sie als Gefahr. Sie stellen sich aber mutig dem Unrecht entgegen.“
Beginn der systematischen Verfolgung
Die Verfolgung begann im April 2018 mit der brutalen Niederschlagung friedlicher Proteste: 355 Menschen starben, hunderte wurden festgenommen und verschwanden für immer. Die katholische Kirche und ihre Vertreter sahen es als ihre Pflicht an, Unrecht beim Namen zu nennen. Als Reaktion darauf nahm die Verfolgung noch zu.
Seitdem wurden mehr als 5.400 regierungsunabhängige Gemeinschaften, Vereine, Medien und andere Initiativen des gesellschaftlichen Lebens ausgelöscht oder kriminalisiert. Der Jesuiten-Orden wurde offiziell verboten. Sogar gegen katholische Diözesen und Kongregationen laufen Verfahren wegen angeblicher Geldwäsche, ihre Konten wurden eingefroren, selbst ihre Sozialarbeit gestoppt. Mitte Januar 2025 wurde bekannt, dass wieder 15 Organisationen betroffen sind, die zuvor wichtige Sozialaufgaben des Staates übernahmen, darunter die Stiftung der Dominikanerinnen. Besonders im Bildungsbereich räumt das Regime in seinem Sinne auf: In Schulen und sogar Kindergärten lernen die Kleinsten bereits dessen sozialistische Ideologie.
Mitte Januar stürmten zudem Sicherheitskräfte ein Exerzitienhaus der Diözese Matagalpa und beschlagnahmten die Immobilie. Wenige Tage darauf veranlasste das Regime eine Razzia im Priesterseminar dieser Diözese. In beiden Fällen kam es zu Dutzenden Festnahmen.
Sozialistische Diktatur im Kampf um politische Macht und esoterischen Einfluss
Seit seiner Wiederwahl im Jahr 2006 hat Präsident Ortega den Staat zunehmend in eine sozialistische Diktatur umgewandelt. Der Führer der „Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront“ war bereits von 1985 bis 1990 Präsident, wurde dann aber wegen seiner autoritären Amtsführung abgewählt. Nach seinem erneuten Machtantritt 2006 sorgte Ortega durch die Verfolgung und Inhaftierung Andersdenkender dafür, so lange wie möglich an der Macht zu bleiben.
Seit einigen Jahren ist Ortegas Ehefrau Rosario Murillo die Vizepräsidentin. Sie bezeichnet sich selbst als Esoterikerin und betätigte sich als Schamanin. Ihr Ziel ist die Auslöschung christlichen Einflusses. Katholische Priester bezeichnen Ortega und Murillo mitunter sogar als „Repräsentanten des Teufels“. Folglich nehmen auch die Eingriffe in die Kultusfreiheit zu.
Beispiele
Gebete und Prozessionen außerhalb der Kirchenmauern sind verboten. Die nicaraguanischen Behörden verboten auf höchste Anweisung im Geistlichen November 2024, Krankenhäuser zu betreten, um die Krankensalbung zu spenden. Dieses katholische Sakrament, ein zutiefst bedeutsames Ritual für Gläubige, die schwer erkrankt sind oder sich dem Ende ihres Lebens nähern, ist in den öffentlichen Krankenhäusern des Landes nun weitgehend nicht mehr zugänglich. Wenn man bedenkt, dass jeder zweite Nicaraguaner Katholik ist und welche Bedeutung dieses Sakrament aus ihrer Sicht für Schwerstkranke hat, wird das Ausmaß der Grausamkeit des Regimes sehr deutlich.
Wir beten
- für die Gefangenen in Nicaragua, die aus politischen und religiösen Gründen inhaftiert sind, dass sie bald freigelassen werden mögen und die Kraft erhalten, die schwere Zeit bis dahin durchzustehen;
- für die Menschen aus Nicaragua, die aufgrund ihres Eintretens für die Menschenrechte ausgebürgert wurden, dass sie die Verbindung zu ihrer Heimat nicht verlieren;
- für die christlichen Gemeinschaften in Nicaragua, seien dies traditionelle Orden oder neue Initiativen zur Evangelisierung, dass sie in der Verfolgung zusammenhalten und standhaft bleiben;
- für alle Gläubigen in Nicaragua, denen aufgrund staatlicher Einschränkungen seelsorgerlicher Trost vorenthalten wird, dass sie letztlich zur Stärke finden.