10.08.2004

Vietnamesische Regierung engt Lebensräume der Bergvölker ein

Wer sich nicht beugt, wird verfolgt - vietnamesische Flüchtlinge in Kambodscha, Laos und Thailand - 12 christliche Montagnards von USA aufgenommen

Vietnamesische Regierung engt Lebensräume der Bergvölker ein

Wer sich nicht beugt, wird verfolgt - vietnamesische Flüchtlinge in Kambodscha, Laos und Thailand - 12 christliche Montagnards von USA aufgenommen

Frankfurt/Bangkok (11. August 2004) - Die andauernde Einengung der Lebensräume der überwiegend christlichen Montagnards zwingt immer mehr Angehörige dieser Bergvölker in Zentralvietnam zur Flucht. Tausende Montagnards flohen seitdem nach Nordkambodscha und Laos. Weil ihnen dort die Gefangennahme und Auslieferung droht, wagen mehr und mehr Flüchtlinge den beschwerlichen Weg durch die Wälder nach Thailand. Wie die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) jetzt erfuhr, durften 12 vietnamesische Flüchtlinge, die nach fast 1.000 km Fußweg im Mai Bangkok erreichten, am 9. August 2004 in die USA ausreisen. Die IGFM begrüßt die gemeinsame Anstrengung des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), der thailändischen und der US-Regierung für die Lösung des Flüchtlingsproblems, macht jedoch darauf aufmerksam, dass weitere Montagnard-Flüchtlinge in Thailand von einer Abschiebung nach Vietnam bedroht sind.

Entsprechend einem Geheimplan 184 b aus dem Jahr 1999 verfolgt die vietnamesische Regierung christliche Minderheiten auf dem Hochland Vietnams. Sie will den unkontrollierbar großen Zuwachs der evangelischen Gemeinden in den Bergregionen in Verbindung bringen mit Bemühungen von einzelnen ethnischen Gruppierungen, Autonomiegebiete für ihr Volk zu erlangen. Obwohl es bislang keine Anzeichen von ernsthafter Bedrohung für die nationale Sicherheit gibt, wurden die ethnischen Christen Ziele von systematischen Übergriffen. Nahezu alle Kirchen in der Provinz Daklak wurden geschlossen, die Pastoren verhaftet. Gottesdienste und abendliche Versammlungen wurden verboten, Versammlungen im familiären Rahmen gestört, private Gegenstände konfisziert, Teilnehmer mißhandelt, sanktioniert und bei Katastrophenhilfe benachteiligt.

Nach Massendemonstrationen im Frühjahr 2001 und im April 2004 gegen diese Menschenrechtsverletzungen verstärkte die vietnamesische Regierung den Druck auf die Christen. In der Folge flohen Tausende nach Nordkambodscha. Mangels Flüchtlingsschutzprogrammen und aus Angst vor einer Verhaftung hielten sich die Flüchtlinge in den letzten Monaten zunehmend in den Wäldern versteckt, geplagt von tropischen Krankheiten und Hunger. Vietnam und Kambodscha, die 2001 ihre gemeinsame Grenze schlossen, machten regelrecht Jagd auf die Flüchtlinge. Sie setzten Kopfgeldprämien für die Denunziation bzw. Verhaftung der Flüchtlinge aus. Beide Länder versuchten, das Flüchtlingsproblem herunterzuspielen, in dem sie die Flüchtlinge als illegale Immigranten bezeichnen und die Hilfe durch das UNHCR als Verlockungsversuch für Flüchtlinge diskreditieren. Diejenigen, die jetzt nach Laos fliehen, versuchen, auf dem Landweg Thailand zu erreichen. Unbestätigten Meldungen zufolge, werden derzeit viele Montagnard-Flüchtlinge von der thailändischen Grenzpolizei an der laotisch-thailändischen Grenze festgehalten. In Bangkok befinden sich mindestens zwei Montagnard-Flüchtlinge in Haft. Ihnen droht die Abschiebung nach Vietnam, wenn die Weltöffentlichkeit keine Notiz von deren Schicksal nimmt.

Die 12 vietnamesischen Montagnard-Flüchtlinge, darunter drei Kinder im Alter zwischen sieben und zehn Jahren, flohen vor der drohenden Verfolgung durch vietnamesische Sicherheitskräfte aus der zentralvietnamesischen Provinz Daklak und erreichten nach einem langen und gefährlichen Weg Ende Mai ängstlich und erschöpft Bangkok. Wie die IGFM erfuhr, überschritt die Gruppe von Vietnam aus die Grenze nach Laos und wurde von dort von einer laotischen Familie nach Thailand geleitet. Die laotische Familie wurde von der thailändischen Polizei verhaftet und zurück in das kommunistische Laos deportiert. Das glückliche Ende für die 12 Montagnard-Flüchtlinge kam nach einem langen Tauziehen zwischen der thailändischen und vietnamesischen Regierung zustande. Davor hatte Vietnam darauf bestanden, daß Thailand sie nach Vietnam abschiebt. Die IGFM kritisiert, daß Thailand zwar vietnamesischen Beamten die Erlaubnis erteilt hatte, die Flüchtlinge im Bangkok-Gefängnis zu besuchen, obwohl das UNHCR ihnen bereits den Flüchtlingsstatus anerkannt hatte, dagegen ein Besuchsverbot gegen einen evangelischen Pastor verhängte, der sie im Gefängnis betreute. Die vietnamesischen Beamten versuchten nämlich, die Flüchtlinge zu einer „freiwilligen“ Rückkehr zu bewegen. Die Flüchtlinge glaubten, so die IGFM, daß ihre Verfolger allmächtig seien.

Vu Quoc Dung, IGFM-Asienreferent dazu: „Thailand ist jetzt ein Zielland der Montagnard-Flüchtlinge geworden, weil die Grenze zwischen Vietnam und Kambodscha hermetisch abgeriegelt ist. Damit schwappt die Flüchtlingswelle aus Vietnam auch nach Thailand, ohne daß beide Länder eine gemeinsame Grenze haben. Die Entwicklung erinnert uns an den Exodus der vietnamesischen Boat People in den späteren 70er Jahren. Wenn die Weltöffentlichkeit weiterhin die Augen zudrückt, könnte das heutige Drama auch die regionale Stabilität beeinträchtigen. Thailand soll als einziges freies Land in der Region die Montagnard-Flüchtlinge nach Maßstab der UN-Flüchtlingskonvention behandeln und helfen.“

Weitere Informationen unter www.igfm.de