Biblische Besinnung 2023

Weltweiter Gebetstag für verfolgte Christen

von Dr. Ekkehard Graf (Dekan in Marbach am Neckar Mitglied im deutschen AKREF)

Und siehe, einer von denen, die bei Jesus waren, streckte die Hand aus und zog sein Schwert und schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm ein Ohr ab. Da sprach Jesus zu ihm: Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der wird durchs Schwert umkommen. Oder meinst du, ich könnte meinen Vater nicht bitten, und er würde mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel schicken? Wie würde dann aber die Schrift erfüllt, dass es so geschehen muss? Zu der Stunde sprach Jesus zu der Schar: Ihr seid ausgezogen wie gegen einen Räuber mit Schwertern und mit Stangen, mich gefangen zu nehmen? Habe ich doch täglich im Tempel gesessen und gelehrt, und ihr habt mich nicht ergriffen. Aber das ist alles geschehen, auf dass erfüllt würden die Schriften der Propheten. Da verließen ihn alle Jünger und flohen.

Matthäus 26,51-56 (Luther 2017)

Da verließen ihn alle Jünger und flohen...

Dr. Ekkehard Graf, Dekan in Marbach am Neckar, Mitglied im deutschen AKREF
Dr. Ekkehard Graf

Es sind dramatische Szenen, die sich da im Garten Gethsemane abspielen. Einer aus dem engsten Kreis der Jünger hat die Tempelwache dorthin geführt, wo Jesus immer in der Passanacht zu übernachten pflegte. Für alle Beteiligten, außer für Jesus, waren es unvorhersehbare Ereignisse. Doch Jesus gibt dem Geschehen eine Deutung, die auch für uns heute noch relevant ist, vor allem im Blick auf die bedrängte Christenheit weltweit.

 

1. Jesus wirkt nicht im Verborgenen

Täglich hat Jesus im Tempel gelehrt. Alle konnten ihn sehen. Und alle konnten genau hören, was er lehrte. Die einen waren begeistert, wie er so ganz anders von Gott sprach. Nämlich vom himmlischen Vater, der alle Nöte und Bedürfnisse kennt. Das hat viele Herzen bewegt und wieder näher zu Gott gebracht. Andere waren erstaunt, wie Jesus die Schriften des Alten Testaments in verständlicher Weise vermittelte und alltagspraktisch deutete. Das hat viele in ihrem Schriftverständnis weitergebracht. Und Jesu Gegner konnten seiner Lehre nichts entgegensetzen, weil sie merkten, dass dieser besondere Rabbi nichts Negatives über Gottes Wort sagt. Dadurch konnten sie ihn aber nicht theologisch widerlegen. Das hat sie in Rage und hasserfüllte Ablehnung gebracht. Zudem hat Jesus vielen Menschen öffentlich geholfen. Er hat Kranke geheilt, Traurige getröstet und Ausgestoßene angenommen. Wofür Jesus stand, was seine Botschaft und seine Mission waren, das konnten alle öffentlich sehen.

Auch heute noch verstecken sich die Jesus-Leute nicht. Sie bekennen sich offen zu ihrem Glauben. Den Kirchengebäuden ist sofort anzusehen, welchem Zweck sie dienen. Ein angebrachtes Kreuz, ein aufgemalter Bibelvers, eine klare Namensgebung zeigen, wer hier zusammenkommt und warum. Zudem wirken Christen bis heute im Namen Jesu viel Gutes – nicht nur unter ihresgleichen. Weltweit bringen sich die Kirchen in ihrer Gesellschaft ein, indem sie für gute Bildung sorgen, Krankenhäuser führen, sich der Armen annehmen und Ausgegrenzte einbeziehen. Wofür Christen stehen, was ihre Botschaft und ihre Mission sind, das können alle öffentlich sehen.

 

2. Jesus braucht keine Verteidigung

Dann in dieser dunklen Stunde, diese nahezu peinliche Verhaftung. Im Schutz der Nacht sollte es geschehen, damit niemand es mitbekommt. Tagsüber im Tempel hätte es einen Volksaufstand gegeben, wenn der beliebte Rabbi, der begnadete Wunderheiler, der liebevolle Helfer von der Tempelwache verhaftet worden wäre. Doch bei Nacht toben sich die finsteren Mächte aus.

Doch dass dann einer mit dem Schwert dazwischengeht, damit hatte niemand gerechnet. Das Geschehen hatte bei einem Jesus-Jünger einen menschlich natürlichen Reflex ausgelöst. Er schlägt zu und erwischt zumindest das Ohr eines Mannes. Doch das ist nicht in Jesu Sinn. Scharf weist er seinen Freund zurecht. Jesus braucht keine Verteidigung. Wenn nötig, kann Jesus die gesamte Macht der himmlischen Heerscharen an seiner Seite haben. Aber Jesus geht den Weg hinein ins Leiden. Er liefert sich freiwillig den finsteren Mächten aus. Weil er weiß, dass nur dadurch die Macht des Bösen gebrochen werden kann. Kurz zuvor hatte er noch mit seinem himmlischen Vater im Gebet darum gerungen. Dann war er bereit und sagte: „Dein Wille geschehe!“ Und weil Jesus gegen Waffengewalt und deren verheerende Wirkung ist, heilt er auch noch rasch das abgehauene Ohr, wie uns der Evangelist Lukas berichtet.

Auch heute noch will Jesus nicht, dass seine Leute zur Waffe greifen, wenn es darum geht, ihn zu verteidigen. Darauf ist Jesus nicht angewiesen. Deshalb gehen viele Jesus-Jünger heutzutage bereitwillig in Ausgrenzung, Gefangenschaft und Tod, weil der Jesus-Weg der gewaltlose Weg ist. Denn durch Gegengewalt lässt sich keine Macht bezwingen. Aber durch Leiden und die Feinde dennoch Lieben, ist schon so manche finstere Macht ins Licht gebracht worden.

 

3. Jesus wird zum Verlassenen

Am Ende der Verhaftungsszene vermerkt der Evangelist Matthäus kurz und knapp: „Da verließen ihn alle Jünger und flohen.“ Es ist ein unrühmlicher Abgang, den die Jesus-Leute da hinlegen. Wenige Stunden zuvor hatten sie auf Jesu Ankündigung, dass sie ihn verlassen würden, noch großspurig entgegnet, dass sie sogar bereit sind, mit ihm in den Tod zu gehen. Von diesem Lippenbekenntnis ist jetzt gar nichts mehr zu sehen oder zu hören. Weg sind sie, alle miteinander. Die Situation wurde ihnen dann doch zu gefährlich.

Auch das gehört bis heute zur Realität der Christenheit. Immer wieder weichen Jesus-Leute der Gefahr aus, fliehen, verstecken sich, bringen kein Wort des Bekenntnisses mehr über die Lippen. Darüber gilt es nicht zu urteilen, schon gar nicht vom sicheren Europa aus. Niemand von uns weiß, wie stark das Gottvertrauen bleibt, wenn Feinde den Christen nach dem Leben trachten. Deshalb wird uns in der Bibel so ehrlich von den Jüngern berichtet. Auch sie haben gehörig versagt, als ihr Bekenntnis gefragt war. Doch das hat Jesus nicht davon abgehalten, sie dann an Ostern wieder in seine Mitarbeit zu rufen und sie schließlich in alle Welt zu senden. Jesus braucht nicht unsere Stärke, aber er gebraucht unsere Bereitschaft, sich von ihm senden zu lassen.

Weltweiter Gebetstag für verfolgte Christen – Länderinformationen 2023: