20.06.2007

Deutschland: Die Moschee und der Tod

Ralph Giordanos einsamer Protest

Deutschland: Die Moschee und der Tod

Ralph Giordanos einsamer Protest

Von Wulf Schmiese - FAZ.net/Berlin. Sechs Anrufe hat Ralph Giordano in den vergangenen
Tagen bekommen, die ihm richtig Angst machen. Terror ist der 84 Jahre alte Schriftsteller
durchaus gewohnt. Er überlebte den Holocaust; auch die Hatz danach: "Judensau, wir kriegen
dich", haben ihm Neonazis schon oft geschrieben. "Ich töte dich, ich töte dich", grölten ihm
andere aufs Band - seit Jahrzehnten geht das so. Aber die jüngsten sechs Nachrichten auf seinem
Anrufbeantworter sind anders. "Ein Hassduktus wie selten zuvor", sagt Giordano. Dieselbe
Stimme, immer wieder. In einem schwer zu verstehenden Deutsch. Deutlich aber sind die
Worte: "Moschee", "Allah" und - "Tod".
Giordano lebt in Köln, wo er sich nun zum Angeklagten gemacht hat. Denn er ist gegen den Bau
einer großen Moschee im südlichen Stadtteil Ehrenfeld. Dort ist der Hauptsitz der
türkisch-islamischen Union Ditib. So heißt der größte türkisch-islamische Dachverband in
Deutschland. Die Ditib gilt als gemäßigt, da säkular eingestellt. Bei Bundesinnenminister
Wolfgang Schäuble (CDU) sitzen ihre Vertreter mit am Tisch der Islamkonferenz. In
Köln-Ehrenfeld plant sie, ihren Gebetsraum zu ersetzen. Prächtig soll der neue werden. Mit
einer 30 Meter hohen Kuppel über einem Saal, der Platz für 1250 Betende hat, und mit zwei
Minaretten, die jeweils 55 Meter hoch sind. Diese Moschee wäre damit das höchste Gebäude
überhaupt im Stadtteil, wo etwa 100 000 Menschen wohnen.
Giordano ist aus zwei Gründen dagegen: Die Ehrenfelder seien nicht gefragt worden, und sie
stimmten, wie er meint, mehrheitlich gegen die Moschee. Außerdem könne die kein Symbol der
Integration sein, wie ihre Befürworter sie loben, weil Integration in Deutschland gescheitert sei.
Giordano streitet mit drastischen Worten: "Ich will auf deutschen Straßen keine
Burka-Trägerinnen sehen", sagte er und bezeichnete eine rundum verschleierte Frau als
"menschlichen Pinguin". Dass er nicht die Muslimin als solche damit anprangere, sondern jene,
die ihr solche Kleidungsvorschriften machten, ging unter im Empörungslärm, den der
Pinguin-Satz auslöste.
Giordano gilt jetzt vielen als Fürsprecher einer Bürgerbewegung, die auch gegen die Moschee
kämpft, jedoch für rechtsextrem gehalten wird. Giordano findet die ihm unterstellte Nähe
"absurd". Er wehrte sich gegen Vereinnahmung, indem er diese Moschee-Gegner als Leute
bezeichnete, "die mich am liebsten in eine Gaskammer stecken würden, wenn sie könnten, wie
sie wollten". Dafür erhielt er eine Strafanzeige sowie die Aufforderung auf Unterlassung und
Widerruf wegen "verleumderischen Verhaltens". Im Namen seiner Mandantin, der
"Bürgerbewegung pro Köln e.V.", schreibt der Anwalt: "Selbstverständlich würde unsere
Mandantin Sie nicht am liebsten in eine Gaskammer stecken."
Gar nicht lächerlich, sondern unglaublich findet Giordano, dass ihm niemand aus der Mitte
beispringt von Rang und Namen, nur weil beides bei so einem Thema allzu leicht verschmutzt.
"Giordano hat so recht. Er spricht hier 80 Prozent der Leute aus der Seele", sagt Jörg
Uckermann. Er ist immerhin Ortsvorsitzender der gut 200 Mitglieder starken CDU in Ehrenfeld
und will mit Rechtsextremen nichts am Hut haben. Die wenigsten in Ehrenfeld wollten das,
seien aber dennoch gegen die dominante Moschee in der Venloer Straße als Tor zu dem
Stadtteil, der keineswegs der türkischste Kölns sei. "Wir wollen keine Missionierung durch
Steine", sagt Uckermann.
In der Kölner CDU, die im Stadtrat wie die meisten Fraktionen einst für die Moschee stimmte,
kippe allmählich die Stimmung, sagt Uckermann. "Aber noch will niemand namentlich
auftauchen. Die haben alle Angst, dann in der rechten Ecke zu stehen." Oberbürgermeister und
Stadtdirektoren "etlicher rheinischer Städte", selbst hohe Beamte der Landesregierung riefen ihn
an und gäben Tipps, wie die Moschee zu verhindern sei: "Landesbauordnung", "Mischgebiet",
"juristisch keine Religionsgemeinschaft" - alle kennten sich mit dem Thema aus, wollten jedoch
anonym bleiben. Die Ditib hingegen lasse nicht mit sich reden. "Die gehen davon aus, dass die
große Politik es für sie richtet."
Der Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet (CDU), zeigt insofern Mut,
als er Giordanos Meinung gelten lässt: "In einer Demokratie hat jeder das Recht, auch gegen
eine Moschee zu sein, ohne gleich rechtsradikal genannt zu werden." Der Minister wirft
Giordano aber vor, er verletze mit dem Satz vom "menschlichen Pinguin" religiöse Gefühle.
Und Laschet mahnt: "Morddrohungen können auf keinen Fall akzeptiert werden."
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 27.05.2007, Nr. 21 / Seite 2