15.03.2007

Deutschland: Missionsverzicht – keine Voraussetzung für den Dialog!

von Dr. Reinhard Hempelmann

Deutschland: Missionsverzicht – keine Voraussetzung für den Dialog!

von Dr. Reinhard Hempelmann

Berlin/Deutschland, 13.03.2007 (EZW) Ein für den 6. Februar 2007 vereinbartes Treffen mit
Vertretern des Rates der EKD wurde von Seiten islamischer Spitzenverbände abgesagt. Sie
begründeten ihren Schritt mit aus ihrer Sicht irritierenden Aussagen der EKD-Handreichung
„Klarheit und gute Nachbarschaft“, in der darauf hingewiesen wird, dass der Dialog mit
Muslimen die Mission unter ihnen nicht ausschließe. Anstoß nahm man vor allem am
missionarischen Selbstverständnis der evangelischen Kirche. Offensichtlich erwarten
Vertreter muslimischer Spitzenverbände vom Dialog mit Christen eine Verzichtserklärung in
Sachen Mission. „Dialog und Mission schließen sich aus“, so stand es als Motto in der
Islamischen Zeitung (Ausgabe Nr. 136, Februar 2007), die über den empfindlichen Dämpfer
berichtete, den der christlich-islamische Dialog bekommen habe. Der Dialogbeauftragte der
DITIB, Bekir Alboga, meinte im Blick auf den Orientierungstext der EKD: „Man kann die
Handreichung als eine Aufforderung zur Mission lesen“. Er fügte hinzu: „Mir scheint, dass
unsere Beziehung zur EKD von einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit in ein
Konkurrenzverhältnis umgeschlagen ist.“
Plausibel ist die muslimische Irritation meines Erachtens nicht. Denn Muslime nehmen für
sich selbstverständlich in Anspruch, dass Religionsfreiheit auch Missionsfreiheit bedeutet.
Sie werben für ihre Religion. Sie weisen mit Nachdruck darauf hin, dass Muslim-Sein nicht
nur eine Sache nationaler oder kultureller Zugehörigkeit ist, sondern dass jeder und jede
eingeladen ist, den muslimischen Glauben anzunehmen. Erst kürzlich hatte das Soester
Zentralinstitut Islam-Archiv darauf hingewiesen, dass im Jahre 2006 ca. 4000 Menschen zum
Islam konvertierten, entschieden mehr als in den Jahren zuvor. Sofern die Einladung zu einer
Religion im unbedingten Respekt gegenüber der Würde und Freiheit des anderen geschieht,
ist daran nichts zu beanstanden. Man misst jedoch mit zweierlei Maß, wenn von Christen
erwartet wird, auf die christliche Einladung zum Glauben an den dreieinigen Gott zu
verzichten. Beide, Christentum wie Islam sind missionarische Religionen, in ihrer Begegnung
treffen „Endgültigkeitsansprüche“ aufeinander.
Die Begegnung der christlichen Kirchen mit dem Islam lässt sich nicht auf den Dialog und
die gute Nachbarschaft reduzieren. Zu ihr gehört unverzichtbar das christliche Zeugnis, das
auf die göttliche Selbstmitteilung in Jesus Christus und im Wirken des Geistes verweist. Eine
unklare und zaghafte evangelische Identität, die darauf verzichtet, die missionarische
Dimension des eigenen Selbstverständnisses auszusprechen, hilft niemandem. Differenzen
zwischen Christentum und Islam dürfen weder heruntergespielt werden noch das Ende der
Kommunikation bedeuten. Wir brauchen vielmehr eine Neuorientierung des Dialoges im
Sinne einer respektvollen Streitkultur und eines interreligiösen Realismus. Selbstrelativierung
stellt keine überzeugende Strategie dar, Differenzen auszuhalten und Toleranz einzuüben. Die Religionsbegegnung hat unterschiedliche Ebenen, die zusammengehören: Zusammenleben,
Dialog, Mission. Eine erkennbare christliche Identität ist nicht Störung, sondern
Voraussetzung für eine weiterführende Begegnung mit Vertretern einer Weltreligion, die mit
klaren dogmatischen Aussagen und konkreten pragmatischen Erwartungen auf Unterstützung
ihrer Rechtspositionen in den Dialog eintreten. Dieser Linie folgt auch die vom Rat der EKD
herausgegebene Handreichung.
Für Rückfragen und Interviews stehen Ihnen als Gesprächspartner zur Verfügung:
Dr. Reinhard Hempelmann, Leiter der EZW; Tel. 030 / 28395-126
Dr. Andreas Fincke, EZW-Referent; Tel. 030 / 28395-160
EKD Texte Nr. 86/2007
Eine Handreichung des Rates der EKD
Christen und Muslime in Deutschland
Klarheit und gute Nachbarschaft