15.03.2007

Österreich: Besuch von Patriarch Bartholomaios - Ankara unter Druck

Ökumenischer Patriarch wird in Wien geradezu wie ein Staatsoberhaupt<br />behandelt

Österreich: Besuch von Patriarch Bartholomaios - Ankara unter Druck

Ökumenischer Patriarch wird in Wien geradezu wie ein Staatsoberhaupt
behandelt

Wien/Österreich, 12.03.2007 (APA) Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. ist am 12.
März (Montag) zu einem fünftägigen offiziellen Besuch in Österreich eingetroffen. Zur
Begrüßung des Oberhauptes der Weltorthodoxie hatten sich laut Kathpress der Wiener
griechisch-orthodoxe Metropolit Erzbischof Michael Staikos, der römisch-katholische
Weihbischof Helmut Krätzl als Vertreter der österreichischen Bischofskonferenz,
Griechenlands Botschafter Theodoros Sotiropoulos und weitere Persönlichkeiten im
Flughafen Wien-Schwechat eingefunden.
Damit wächst auf die türkische Regierung der internationale Druck, den im Phanar in Istanbul
residierenden Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. als Primas und geistiges
Oberhaupt der gesamten orthodoxen Kirche anzuerkennen. Er wurde in Wien von der Staatsund
Regierungsspitze demonstrativ empfangen. Für Ankara ist der Ökumenische Patriarch
jedoch lediglich das religiöse Oberhaupt der dramatisch geschrumpften griechischen
Minderheit in der Türkei.
Befürworter von EU-Beitritt der Türkei
Bartholomaios I. tritt als entschiedener Befürworter eines EU-Beitritts der Türkei auf. Er
verspricht sich davon eine Verbesserung der überaus unbefriedigenden Lage der
nichtmuslimischen Gemeinschaften. Doch hat es gerade auf diesem Gebiet bisher keine
Fortschritte gegeben. Die Türkei hat die von der EU verlangte Öffnung der seit 1971
geschlossenen Theologischen Akademie des Patriarchats auf der Prinzeninsel Halki
abgelehnt, obwohl der Lausanner Vertrag (mit den Siegermächten des Ersten Weltkriegs) von
1923 der griechischen Minorität das Recht auf eigene Schulen verbrieft hat.
Auch nach dem Besuch von Papst Benedikt XVI. hätten führende Persönlichkeiten des
türkischen Außenministeriums betont, dass man nicht bereit sei, die gesamtkirchliche
Funktion des Patriarchats anzuerkennen, erklärte der Wiener Metropolit Michael Staikos.
Allerdings ergebe sich durch das jüngste Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes
eine neue Situation: Ankara wurde Anfang des Jahres wegen Verstoßes gegen das
Recht auf Eigentum zu 890.000 Euro Schadenersatz an eine Stiftung des Ökumenischen
Patriarchats verurteilt. Der Menschenrechtsgerichtshof urteilte damit erstmals in einem Fall
enteigneten Grundbesitzes religiöser Minderheiten in der Türkei.
Ständige Vertretung bei der EU-Kommission
Seit Jahresbeginn hat die Europäische Union vier Mitglieder mit orthodoxer Mehrheitsbevölkerung (neben Griechenland und Zypern auch Rumänien und Bulgarien). Das
Ökumenische Patriarchat hat eine Ständige Vertretung bei der EU- Kommission in Brüssel.
Nach der orthodoxen Theologie ist der Ökumenische Patriarch das "sichtbare Oberhaupt" der
Kirche, der "Erste" im Dienst für Einheit, Zeugnis und Koordination. Die besondere Aufgabe
Konstantinopels werde dadurch sichtbar, wie Metropolit Michael Staikos unterstrich, dass nur
der Ökumenische Patriarch zu panorthodoxen Synoden und Konzilien einladen könne und
dabei die Federführung habe, dass jeder orthodoxe Bischof ein Appellationsrecht an den
Ökumenischen Patriarchen habe und dass die Verleihung der Autokephalie (jurisdiktionelle
Eigenständigkeit) von orthodoxen Landeskirchen durch den Phanar erfolgt.
Treffen mit der Staatsspitze
Am 12. März (Montag Nachmittag) trifft der Patriarch mit Bundespräsident Heinz Fischer,
Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Vizekanzler Wilhelm Molterer zusammen. Am Abend
finden ein Gottesdienst und eine Begegnung mit dem orthodoxen Klerus in der serbischorthodoxen
Kirche zum Heiligen Sava in Wien-Landstraße statt. Am Dienstag wird
Bartholomaios mit Außenministerin Ursula Plassnik zu einem Gespräch zusammenkommen
und im Stephansdom in Anwesenheit aller Bischöfe Österreichs den Kardinal-König-Preis
der Stiftung "Communio et Progressio" entgegennehmen.
Am 14. März ist er Gast des türkischen Botschafters Selim Yenel. Am 15. März pilgert
Bartholomaios zum Marienheiligtum nach Mariazell. Er wird dort einen Gebetsgottesdienst
feiern und ein Grußwort an die Gläubigen richten. Am 16. März trifft er mit dem Wiener
römisch-katholischen Kardinal Christoph Schönborn zusammen, bevor er die Heimreise nach
Istanbul antreten wird. (APA)