28.05.2007

Vietnam: Kurzen Prozess mit drei Dissidenten

Haftstrafe zwischen drei und fünf Jahren – IGFM: keine diplomatischen<br />Rücksichten im Menschenrechtsdialog mit Vietnam - Rechtsstaat nur<br />vorgetäuscht

Vietnam: Kurzen Prozess mit drei Dissidenten

Haftstrafe zwischen drei und fünf Jahren – IGFM: keine diplomatischen
Rücksichten im Menschenrechtsdialog mit Vietnam - Rechtsstaat nur
vorgetäuscht

Ho Chi Minh Stadt / Frankfurt am Main (10. Mai 2007) – In einer nur drei Stunden dauernden
Verhandlung wurden drei führende Mitglieder der Volksdemokratischen Partei Vietnams vom
Volksgericht in Ho Chi Minh Stadt zu Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren verurteilt. Sie
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sollen angeblich subversive Flugblätter verteilt und antikommunistische Schriften verfasst
haben. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) bezeichnete den Prozess als
unfair, grundsätzliche Verfahrensrechte seien den Angeklagten vorenthalten worden: nur einem
Angeklagten stand ein Verteidiger zur Seite, die Angehörigen zweier Angeklagten erfuhren vom
Gerichtstermin erst durch Presseberichte. Nach Meinung der IGFM hatten die Angeklagten nur
von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit nach der vietnamesischen Verfassung Gebrauch gemacht
haben. Die IGFM fordert Vietnam auf, die Dissidenten unverzüglich und bedingungslos
freizulassen. Ferner appelliert die IGFM an die EU, im Menschenrechtsdialog mit Vietnam die
Prozesslawine zu thematisieren und dabei keine diplomatischen Rücksichten zu nehmen.
Wegen „Propaganda gegen gegen die Sozialistische Republik Vietnam“ verurteilte das
Volksgericht in Ho Chi Minh Stadt den 48jährigen Arzt Le Nguyen Sang zu fünf Jahren Haft,
den 37jährigen Rechtsanwalt Nguyen Bac Truyen zu vier Jahren Haft und den 37jährigen
Firmendirektor Huynh Nguyen Dao zu drei Jahren Haft. Es ist der IGFM nicht bekannt, ob die
Angeklagten mit einem mehrjährigen Hausarrest als Zusatzstrafe, die in politischen Prozessen
üblich ist, verurteilt wurden.
Nur einem der drei Angeklagten – Nguyen Bac Truyen – stand ein Rechtsverteidiger zur Seite.
Nach Beobachtung der IGFM wurden die Angeklagten benachteiligt. Über den Gerichtstermin
wurde nur die Familie von dem Rechtsanwalt Nguyen Bac Truyen zehn Tage vor der Presse
benachrichtigt. Die Familien von Le Nguyen Sang und Huynh Nguyen Dao erfuhren den
Gerichtstermin per Presseberichte am 3. Mai und konnten in dem verbleibendem knappen
Zeitraum von sieben Tagen keinen Rechtsanwalt finden. Nach der vietnamesischen
Strafgesetzordnung hätte dem Verteidiger mindestens zehn Tage vor dem Gerichtstermin die
Zulassung erteilt werden müssen. Laut Informationen der IGFM sind die Rechtsanwälte in
Vietnam angehalten, sich nicht in politischen Prozessen zu engagieren. „Damit hat das
Justizsystem in Vietnam grobe Verfahrensfehler begangen, vermutlich absichtlich um die
Rechte der Angeklagten einzuschränken“, so die IGFM.
In der Verhandlung am 10. Mai wurde den Angeklagten Sang, Truyen und Dao vorgeworfen,
Aktivitäten mit dem Ziel betrieben zu haben, die Führerschaft der Kommunistischen Partei
Vietnams (KPV) zu beenden und ein pluralistisches Mehrparteiensystem einzufordern. Die
Volksdemokratische Partei Vietnam schrieb auf ihrer Website, dass sie im Einklang mit der
vietnamesischen Verfassung gehandelt habe und sie sich den Gebrauch des konstitutionellen
Rechts auf Meinungsfreiheit nicht nehmen lasse.
Die drei Dissidenten waren im August 2006 zur gleichen Zeit mit dem vietnamesischen
US-Bürger Do Thanh Cong verhaftet worden. Anfänglich war ihnen vorgeworfen worden, einen
Terroranschlag auf den US-Generalkonsulat in Ho Chi Minh geplant zu haben. Do Thanh Cong,
der später des Landes ausgewiesen wurde, berichtete, dass seine Partei Flugblätter verteilt habe,
auf der die Nummer 4 weggekreuzt worden sei, was symbolisch für die Ablehnung der
Monopolsführung der KPV stehe, die durch Artikel 4 der vietnamesischen Verfassung garantiert
sei. Die vietnamesische Staatsanwaltschaft habe stattdessen einen versuchten
Sprengstoffanschlag erfunden, da das US Generalkonsulat zufälligerweise die Hausnummer 4
habe. In der Zwischenzeit sind aber die Staatszeitungen in Vietnam von dieser falschen
Behauptung abgerückt und verbreiten, die Angeklagten hätten Dokumente zur Verleumdung des
Staates und der Führung der regierenden Kommunistischen Partei Vietnams verbreitet. Sang
und Dao sollen auch an dem Email-Rundschreiben mit dem Titel „Demokratischer Club“
mitgewirkt haben. Truyen soll Informationen über Bürger gesammelt haben, die seit Jahren
Beschwerden wegen Unrechtshandlungen geführt und ein Treffen mit dem US-Präsidenten
Bush während seines Aufenthalts in Saigon in November 2006 geplant hatten.
Die IGFM ist sehr besorgt über die Prozesslawine gegen Dissidenten in Vietnam. Am 30. März
wurde bereits der katholische Pfarrer Nguyen Van Ly wegen „Propaganda gegen die
Sozialistische Republik Vietnam“ zu acht Jahren Haft und fünf Jahren Hausarrest im Anschluß
an der Haftstrafe verurteilt. Vier seiner Weggefährten erhielten insgesamt fünfzehneinhalb Jahre
Haftstrafe. Am 11. Mai, und am kommenden Dienstag, den 15. Mai, werden die Rechtsanwälte
Nguyen Van Dai, Le Thi Cong Nhan und Tran Quoc Hien wegen des gleichen Vorwurfs vor
Gericht gestellt. In einer Petition vom 7. Mai 2007 hatten zehn vietnamesische evangelische
Pastoren dazu aufgerufen, die Christen Nguyen Van Dai und Le Thi Cong Nhan freizulassen.
Weitere Informationen über die Menschenrechtslage in Vietnam unter www.menschenrechte.de