25.08.2008

China: Nach der Olympiade: Wieder mehr Druck auf die Christen?

IGFM sieht die Spiele als "Startschuss für neue Form der Kulturrevolution"

China: Nach der Olympiade: Wieder mehr Druck auf die Christen?

IGFM sieht die Spiele als "Startschuss für neue Form der Kulturrevolution"

Frankfurt am Main/Göttingen/Wetter (idea) - 25.08.08 - Die Olympischen Spiele vom 8. bis 24. August haben nicht zur Verbesserung der Menschenrechtslage in der Volksrepublik China geführt. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass sich die Lage von Christen und anderen religiösen Minderheiten in den kommenden Monaten drastisch verschlechtern wird. Das befürchten Menschenrechtsorganisationen.

Nach Ansicht des Vorstandssprechers der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt am Main, Martin Lessenthin, war die Olympiade der "Startschuss für eine neue Form der Kulturrevolution". Wie vor 40 Jahren wolle die kommunistische Partei ihren politischen Machtanspruch konsequent durchsetzen. Beim damaligen Versuch, alle Religionsgemeinschaften zu vernichten, kamen vermutlich mehr als 20 Millionen Menschen um, darunter etwa 34.000 Christen. Die heutigen, nicht weniger grausamen Methoden würden durch eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit verschleiert, sagte Lessenthin gegenüber idea. So gebe es zahlreiche Anzeichen dafür, dass die im Vorfeld der Olympischen Spiele durchgesetzte Reglementierung von christlichen Gruppen nicht zurückgenommen werde. Hauskirchenleiter hätten sich verpflichten müssen, während der Olympiade keine Gebetsversammlungen abzuhalten und keine Kontakte zu Ausländern aufzunehmen. Regimekritiker seien aus Peking in entfernte Landesteile deportiert oder in Arbeitslager eingesperrt worden.

Registrierte Gemeinden blieben unbehelligt

Nur die staatlich registrierten Gemeinden des protestantischen Chinesischen Christenrates hätten sich weitgehend unbehelligt entfalten können. So hätten sie während der Spiele 30.000 Bibeln und 10.000 Neue Testament verteilen dürfen. Erlaubt waren auch spezielle Gottesdienste für Athleten und Touristen. "Wer aber beten will, wann, wo und was er will, wird gnadenlos unterdrückt", so Lessenthin. Zahlreiche Vorfälle in den Wochen vor und während der Olympischen Spiele hätten gezeigt, dass sich die chinesische Regierung nicht von einer kritischen Weltöffentlichkeit beeindrucken lasse. Unter anderem durften nur ausgewählte Personen an einem Gottesdienst mit dem US-Präsidenten George W. Bush teilnehmen. Ein Leiter einer staatlich nicht anerkannten protestantischen Gemeinde, der die Feier ebenfalls besuchen wollte, wurde festgenommen. Der Präsident der staatlich nicht anerkannten Chinesischen Hauskirchen-Allianz, Pastor Zhang Mingxuan, musste wegen seiner Kontakte zu den USA sein Haus in Peking verlassen. Solche Maßnahmen würden sich spätestens nach der Behinderten-Olympiade Paralympics vom 6. bis 17. September in Peking, zu der noch einmal 4.000 Athleten aus 150 Nationen erwartet werden, häufen, prophezeit Lessenthin.

Wenn 500 Millionen Chinesen den Kommunismus ablehnen

Auch der Asienexperte der Gesellschaft für bedrohte Völker, Ulrich Delius (Göttingen), wirft China vor, kein Versprechen zur Verbesserung der Menschenrechtssituation erfüllt zu haben. Betroffen seien außer den Christen auch buddhistische Tibeter, muslimische Uiguren und Anhänger der Falun-Gong-Gemeinschaft. Diese Bewegungen hätten enormen Zulauf, weil sie - im Gegensatz zur kommunistischen Partei - ihren Mitgliedern geistliche Perspektiven anböten. Dass rund 500 Millionen Menschen, also mehr als ein Drittel der 1,3 Milliarden Chinesen, anderen Weltanschauungen als der kommunistischen Ideologie folgten, werde von einem Regime, das politisch am Ende sei und der Bevölkerung keine Perspektiven bieten könne, nicht zu Unrecht als Bedrohung aufgefasst. Deshalb rechnet Delius mit verstärkter Einschüchterung durch Massenverhaftungen, Berufsverbote und Hinrichtungen.

"China Partners" warnt vor Verallgemeinerungen

Hingegen warnt die christliche Organisation "China Partners" vor Verallgemeinerungen und einer übertriebenen Schwarzmalerei. Wer sich an die Gesetze halte, habe nichts zu befürchten, sagt der deutsche Repräsentant der internationalen Organisation, Konrad Brandt (Wetter bei Marburg), gegenüber idea. Einzelne Vorfälle in den zurückliegenden Wochen sollten nicht überbewertet werden, etwa die Verurteilung von zwei alten Frauen zu je einem Jahr Arbeitslager, die gegen ihre Vertreibung aus Peking protestierten, oder die Beschlagnahmung von mehr als 300 Bibeln am Flughafen Kunming. Vier ehrenamtliche Mitarbeiter des Missionswerks "Vision Beyond Borders" (Vision jenseits der Grenzen) wollten die Bücher illegal nach China bringen mit der Begründung, der Bedarf könne aus der einheimischen Produktion nicht gedeckt werden. Nach 26 Stunden im Zollbereich des Flughafens gaben die US-Amerikaner ihr Vorhaben auf und flogen samt Bibeln nach Thailand. Laut Brandt habe es für diese spektakuläre Aktion keinen Anlass gegeben. In China seien bisher 40 Millionen Bibeln gedruckt worden, was für 40 Millionen Christen ausreichend sei. Andere Experten sprechen davon, dass es außer den etwa 18 Millionen Protestanten innerhalb des Chinesischen Christenrats bis zu 80 Millionen Christen in nicht registrierten evangelischen Hauskirchen gibt.