26.08.2008

Islam: der Exodus

Die Konversionen zum Christentum nehmen zu

Islam: der Exodus

Die Konversionen zum Christentum nehmen zu

 

ROM, 26. August 2008 (Die-Tagespost.de/ ZENIT.org).- Schock – im Frühjahr kam die Nachricht: Der Islam ist „die in der Welt am meisten verbreitete Religion“. Viele Medien fügten hinzu: der „Vatikan bestätigt“. Das Neuheidentum grinste verstohlen, ist dies doch der Beweis dafür, dass Religion in erster Linie dem Bedürfnis nach irrationaler Befriedigung der Instinkte sowie der Sehnsucht nach dem Unbekannten entspricht. Und derartigem kann mit einer „harten“ Aufklärung abgeholfen werden. Auch viele Christen, vor allem die Katholiken, erlagen der Versuchung, sich verschämt anzuschauen. Hatten denn gerade in den letzten Jahren das Christentum und die katholische Kirche nicht eine maximale Sichtbarkeit erreicht? War das aller nur eine „Hype“ – eine Papst-Hype, eine Spiritualitäts-Hype? Warum ist der Islam so anziehend? Was fehlt uns?

Eines ist richtig: einem Christentum, das sich an ein herrschendes abendländisches Weltbild angleicht, das in seinem Herzen den Materialismus, Hedonismus und Relativismus trägt, kann bei einer derartigen Nachricht schon schwindlig werden. Aber wie schaut es wirklich aus? Was heißt: „der Islam ist die am meisten verbreitete Religion“? Und: Wie steht es mit dem naiven Bild eines Islam, innerhalb dessen es bei den Gläubigen scheinbar keine größeren Probleme gibt?

Zunächst zu den Zahlen, die nicht beunruhigen sollten, denn: Quantität sagt nichts über Qualität aus. Ein statistisches Jahrbuch macht folgende Angaben: 1993: Christen: 1.833.022.000 (davon Katholiken 1.025.585.000); Muslime: 971.328.700. 2002: Christen: 2.000.000.000 (ohne Angaben zum Prozentsatz der Katholiken); Muslime: 1.300.000.000. 2007: Christen: 2.153.626.420 (davon Katholiken: 1.115.000.000); Muslime: 1.322.793.214.

Aus diesen Angaben folgt, dass, wenn überhaupt, der Islam zahlenmäßig nicht das Christentum überholt hat, sondern den Anteil der Katholiken. Des weiteren ist in Betracht zu ziehen, dass die Angaben über die Muslime nicht denselben objektiven Wert besitzen wie die Angaben über die Christen. Sie gehen davon aus, dass es Länder gibt, deren Bevölkerung zu 100% muslimisch ist, was zweifellos nicht der Wahrheit entspricht. Wie dem auch sei: Zahlen besitzen einen rein relativen Wert. Deren effektive Überprüfbarkeit ist gering.

Was bedeutend interessanter ist und das Christentum, und dabei besonders die katholische Kirche, nachdenken lassen sollte, ist das Phänomen der steigenden Bekehrungen von Muslimen zum Christentum. An Ostern dieses Jahres zogen die Bilder der Taufe Magdi Allams durch die Presse. Der bekannte ägyptisch-italienische Journalist, der seit Jahren unter Polizeischutz lebt und zu den härtesten Kritikern des Islam gehört, wobei er darauf hinweist, dass die Unterscheidung zwischen einem gemäßigtem Islam und einem fundamentalistischen Islam im Wesentlichen einem westlichen Wunschdenken entspricht, empfing in der Osternacht von Papst Benedikt XVI. die Taufe. „Skandal“ wurde von einigen geschrieen, das ist das falsche Zeichen, und: was ist mit dem interreligiösen Dialog? Denn nicht selten ist die Meinung zu verspüren: besser ist es, keinen Konvertiten aufzunehmen, besser ist es, ihm zu helfen, seine Religion so gut wie möglich zu leben. Kurzum: eine Absage an die Mission.

Wie schaut es aber wirklich aus mit dem gern verdrängten Phänomen der Konversionen? Im Stillen handelt es sich um einen Prozess, der bisher wenig Beachtung gefunden hat und Millionen von Menschen auf der Welt betrifft. Laut Angaben der britischen Zeitung „The Times“ sind es 15% der in Europa ansässigen Muslime, die ihre Religion aufgegeben haben und zum großen Teil zum Christentum übergetreten sind. Laut Angaben der Zeitung seien es allein in Großbritannien 200.000 Muslime, die dem Islam den Rücken zugewandt haben. Schätzungen nach bekehren sich in Frankreich jedes Jahr 15.000 Muslime zum Christentum: 10.000 davon werden Katholiken, der Rest schließt sich protestantischen Gemeinschaften an.

Bereits im Jahr 2006 zeigte sich Scheich Ahmad al-Qataani in einem Interview mit dem Fernsehsender Al-Jazeera besorgt darüber, dass gerade in Afrika, wo der Islam immer die am meisten vertretene Religion war, im Vergleich mit dem letzten Jahrhundert die Zahl der Muslime einen starken Rückgang erlitten hat. Andererseits sei festzustellen, so Ahmad al-Qataani, dass die Zahl der Katholiken von 1,2 Millionen im Jahr 1902 auf 330 Millionen am Ende des Jahrhunderts angestiegen ist. Jede Stunde, so der muslimische Religionsvertreter, würden sich in Afrika 667 Muslime zum Christentum bekehren, jeden Tag 16.000, jedes Jahr 6.000.000: besorgniserregend enorme Zahlen, meinte al-Qataani.

Wahrscheinlich hat der Scheich bewusst übertrieben, um eine Gegenreaktion bei seinen Religionsangehörigen zu provozieren. Tatsache ist: der Islam wächst in der Welt durch steigende Geburtenraten, das Christentum durch Bekehrungen. Wie der evangelikale Prediger Wolfgang Simpson erklärte, sind in den letzten Jahrzehnten mehr Muslime zum Christentum gekommen als in allen vorausgehenden Jahrhunderten.

In Algerien führte eine Massenkonversion von 80.000 Menschen dazu, dass die Regierung ein Gesetz erließ, das den christlichen Proselytismus schwer bestraft. In Marokko beklagten zahlreiche Zeitungsartikel die Bekehrung von 40.000 Muslimen. Im Sudan haben sich in den letzten 20 Jahren mehr als 5.000.000 Menschen dem Christentum zugewandt, dies trotz harter Verfolgungen durch die Regierung. Nach jahrzehntelangen Kriegen vor einem fundamentalistisch-islamistischen Hintergrund verzeichnet das Christentum im Kaschmir zahlreiche Untergrundkonversionen. Die Menschen können mit dem Fundamentalismus nicht mehr leben und kommen zur Kirche, um Frieden zu finden. Der Mufti von Perak in Malaysia schätzt die Zahl derer, die sich vom Islam offiziell abkehrten, auf 250.000. Die staatlich ratifizierte Apostasie ist in Malaysia ein Recht, das den ethnischen Minderheiten zugestanden wurde.

Vor allem die evangelikalen christlichen Bewegungen legen bei dieser Missionierungstätigkeit eine noch nie da gewesene Rührigkeit an den Tag. Und die katholische Kirche? Mehrere Male hatte der Jesuit, Islamist und Berater Benedikts XVI. in Islam-Fragen, P. Samir Khalil Samir sj, darauf hingewiesen, dass in Ländern mit muslimischer Mehrheit die katholischen Priester und auch Bischöfe dazu neigen, den Wunsch der Menschen nach einer Hinwendung zum Christentum nicht zu akzeptieren und im Zeichen eines interreligiös-dialogalen Zusammenlebens von einer Konversion abraten. So zeigt es sich gerade heute, wie wichtig die von der Glaubenskongregation im Dezember 2007 veröffentliche „lehrmäßige Note zu einigen Aspekten der Evangelisierung“ ist: es muss eindringlich und unwiderruflich bewusst werden, dass es keine Evangelisierung ohne Mission gibt.

Denn, so die Note: „Auch wenn die Nichtchristen durch die Gnade, die Gott schenkt auf Wegen, die er weiß, gerettet werden können, kann die Kirche doch nicht unbeachtet lassen, dass ihnen in dieser Welt ein überaus hohes Gut fehlt: die Erkenntnis des wahren Antlitzes Gottes und die Freundschaft mit Jesus Christus, dem Gott-mit-uns. Denn ‚es gibt nichts Schöneres, als vom Evangelium, von Christus gefunden zu werden. Es gibt nichts Schöneres, als ihn zu kennen und anderen die Freundschaft mit ihm zu schenken’.“ Gerade die katholischen Christen müssen wieder den Mut finden, ihre ureigenste Aufgabe zu erkennen und mutvoll zu erfüllen, wie dies Benedikt XVI. beschreibt: „Die Verkündigung und das Zeugnis des Evangeliums sind der allererste Dienst, den die Christen jedem einzelnen Menschen und dem ganzen Menschengeschlecht leisten können, sind sie doch dazu aufgerufen, allen die Liebe Gottes zu vermitteln, die im einzigen Erlöser der Welt, Jesus Christus, ganz offenbart worden ist.“
Von Armin Schwibach
[© Komma – Das Magazin für christliche Kultur, 50-51 (2008)]