19.02.2008

Großbritannien: Erzbischof erntet breite Kritik für seinen Vorschlag Teile der Scharia in Großbritannien einzuführen

<br />Das Oberhaupt der Anglikaner, der Erzbischof von Canterbury Rowan Williams,möchte islamisches Religionsgesetz begrenzt zulassen

Großbritannien: Erzbischof erntet breite Kritik für seinen Vorschlag Teile der Scharia in Großbritannien einzuführen


Das Oberhaupt der Anglikaner, der Erzbischof von Canterbury Rowan Williams,möchte islamisches Religionsgesetz begrenzt zulassen

 

L o n d o n (idea) - 8.02.08 – Das geistliche Oberhaupt der Anglikaner, der Erzbischof von
Canterbury Rowan Williams (London), hat sich mit Äußerungen zum islamischen
Religionsgesetz in die Nesseln gesetzt. In einem Vortrag vor Juristen und Interviews mit der
Rundfunkanstalt BBC hatte er sich am 7. Februar dafür ausgesprochen, die Scharia in Teilen des
Zivilrechts anzuerkennen.
Als ein Beispiel nannte er das Familienrecht, wo er sich Sonderregelungen für Scheidungen von
Muslimen nach der Scharia vorstellen kann. Extreme strafrechtliche Anwendungen – also etwa
Händeabhacken für Diebstahl, Steinigung für Ehebruch oder die Todesstrafe wegen des
Religionswechsels von Muslimen – hält Williams jedoch für ausgeschlossen. Er tritt für eine
„plurale Rechtssprechung“ ein, bei der Muslime in bestimmten Fällen zwischen weltlichen und
islamischen Gerichten wählen könnten. Etwa 1,6 Millionen Muslime – rund 2,7 Prozent der
annähernd 60 Millionen Einwohner – leben in Großbritannien. Vor allem handelt es sich um
Einwanderer aus überwiegend islamischen Ländern des Commonwealths, etwa Pakistan oder
Bangladesch, und ihre Nachfahren. In Großbritannien existieren bereits staatlich nicht
anerkannte Scharia-Gerichte.
Politik: Gleichheit vor dem Gesetz muss bleiben
Williams ist, wie die Londoner Zeitung The Times berichtet, mit seinem Vorstoß auf scharfe
Kritik in Politik, Kirche und bei islamischen Dachverbänden gestoßen. Ein Sprecher von
Premierminister Gordon Brown (Labour) wies die Vorstellungen zurück. Das britische
Rechtssystem sei und bleibe auf britischen Werten gegründet. Die Scharia dürfe nicht zur
Rechtfertigung von Rechtsbrüchen dienen. Für die oppositionelle konservative Partei
bezeichnete Baronin Warsi die Äußerungen des Erzbischofs als „nicht hilfreich“. Sie könnten
die bereits existierende Verwirrung in Rechtsfragen nur noch verstärken. Der Anführer der
Liberal-Demokraten, Nick Clegg, sagte, die Gleichheit vor dem Gesetz sei „der Leim, der
unsere Gesellschaft zusammenhält“. Es dürfe keine unterschiedlichen Regeln für verschiedene
Bürger geben.
Evangelikaler Bischof: Scharia ist nicht zu integrieren
Auf Unverständnis trifft Williams auch in der eigenen Kirche. Der aus Pakistan stammende
Bischof von Rochester, Michael Nazir-Ali, sagte, das englische Recht und die Vorstellungen
von Freiheit wurzelten in der jüdisch-christlichen Tradition. Er halte es für unmöglich, die
Scharia in diese Vorstellungen zu integrieren, erklärte der Bischof, der dem evangelikalen
Flügel der Kirche von England zugerechnet wird.
Muslime und Juden gegen Scharia-Gerichte
Scheich Ibrahim Mogra (Leicester) vom Muslimischen Rat Großbritanniens erklärte, die große
Mehrheit der Muslime wolle kein paralleles Rechtsystem. Hingegen begrüßte der Direktor der
Ramadan-Stiftung, Mohammed Shafiq, den Vorschlag von Williams als Beitrag zu Respekt und
Toleranz zwischen Christentum und Islam. Rabbi Danny Rich, Repräsentant des liberalen
Judentums, sagte, er sei erschüttert über die Äußerungen des Erzbischofs. Für die jüdische
Gemeinschaft habe das britische Rechtssystem absoluten Vorrang, auch wenn man vereinzelt
das Recht wahrnehme, zivilrechtliche Angelegenheiten mit rabbinischen Autoritäten zu klären.
Williams beruft sich unter anderem auf solche Sonderreglungen. So dürfen katholische
Adoptionsagenturen die Vermittlung von Kindern an gleichgeschlechtliche
Lebensgemeinschaften ablehnen.