16.03.2008

Deutschland: Dürfen Muslime und Christen in Schulen beten?

Berlin(idea) - 14.03.08 – Ein starkes Echo in Politik, Schulen und christlichen Verbänden
hat ein Gerichtsurteil zur Zulassung von islamischen Gebeten an staatlichen Schulen gefunden.
Das Berliner Verwaltungsgericht hatte am 11. März der Klage eines 14-jährigen Muslimen
Recht gegeben. Ihm hatte die Schulleitung mit Hinweis auf das Neutralitätsgebot des Staates
untersagt, sich in Freistunden mit Mitschülern zum islamischen Gebet zu treffen. Das Urteil hat,
sollte es rechtskräftig werden, grundsätzliche Bedeutung. Jetzt wird unter anderem darüber
diskutiert, ob es der Integration dient oder ihr schadet. Der Berliner Schulsenator Jürgen Zöllner
(SPD) hat eine Überprüfung der Verwaltungsgerichtsentscheidung angeordnet. Es müsse
sichergestellt sein, dass die Schule weltanschaulich und religiös neutral bleibe. In jedem Fall
müsse sich das Gebet „störungsfrei in den Schulbetrieb einfügen“. In der CDU und bei den
Grünen in Berlin ist das Urteil auf Kritik gestoßen. Der bildungspolitische Sprecher der Grünen,
Özcan Mutlu, nannte die Entscheidung „Gift für die Integration“. Die Kluft zwischen Muslimen
und Nicht-Muslimen werde vertieft. Der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Sascha
Steuer, sieht die weltanschauliche Neutralität der Schule gefährdet. Das Miteinander an den
Schulen könne durch das Einrichten von Gebetsräumen behindert werden.
Kritik von evangelischer Kirche
Auch Schulleiter sehen das Gerichtsurteil kritisch. Der Rektor der Eberhard-Klein-Hauptschule
in Berlin-Kreuzberg befürchtet, dass etliche Schulen Probleme bekommen, wenn mehr Eltern
Gebetsräume fordern. Schon die islamische Fastenzeit sei nicht einfach, weil sich die Schüler in
dieser Zeit nur schwer auf den Unterricht konzentrieren könnten. Auch die stellvertretende
Leiterin der betroffenen Schule, Barbara Grenzius, ist skeptisch. An ihrer Schule gebe es
Schüler 30 verschiedener Nationalitäten, darunter viele muslimischen Glaubens. Sie befürchte
nun, dass das friedliche Miteinander gefährdet werde. Es seien verschiedene
Glaubensrichtungen an der Schule vertreten, die bei der Praktizierung ihres Glaubens jeweils
andere Gewohnheiten hätten. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische
Oberlausitz kritisiert das Verwaltungsgerichtsurteil. Die stellvertretende Pressesprecherin Heike
Krohn erklärte, man lege Wert auf die Neutralität der Schulen. Eigens eingerichtete
Gebetsräume, „wie wir sie an konfessionellen Schulen haben, halten wir an staatlichen Schulen
nicht für notwendig“.
Christlicher Schülerbibelkreis verboten
An zahlreichen staatlichen Schulen gibt es christliche Gebetstreffen, etwa unterstützt durch die
Schüler-SMD (Studentenmission in Deutschland) oder das Missionswerk „Campus für
Christus“. Die SMD hat nach eigenen Angaben Kontakt zu rund 800 Schülergebetskreisen.
Anne Möbius, die als Reisesekretärin der Schüler-SMD Einblicke in die Situation hatte,
berichtet von mehreren Fällen, bei denen christliche Gebetstreffen untersagt wurden. So wurde
an einem Gymnasium in Berlin-Neukölln mit einem sehr hohen Ausländeranteil ein christlicher
Schülerbibelkreis verboten. Dies geschah auch an einem Oberstufenzentrum in
Berlin-Charlottenburg. Der Kreis trifft sich jetzt in einer christlichen Gemeinde nahe der Schule.
Die Leiterin der Schüler-SMD, Kerstin Sulzberger, bestätigte auf Anfrage von idea, dass
christliche Gebetskreise an Schulen keineswegs mehr selbstverständlich erlaubt würden. Mit
dem Hinweis auf die Neutralitätspflicht sind verschiedentlich Schülerbibelkreise untersagt
worden. Kerstin Sulzberger befürchtet, dass im Verlauf dieser Auseinandersetzung christlichen
Kreisen das Gebet untersagt werden könnte. Religionsfreiheit müsse aber für alle gelten. In dem
Gerichtsurteil sieht sie allerdings auch eine Chance, mit muslimischen Schülern ins Gespräch zu
kommen.
Gleiches Recht für Muslime und Christen
Diesen Aspekt betont auch Pfarrer Axel Nehlsen vom Leitungskreis der Berliner Evangelischen
Allianz in einer persönlichen Stellungnahme: „Wenn sowohl muslimische wie christliche
Schüler das Gebet praktizieren, dann kann das Integration fördern, etwa dann, wenn sich die
Schüler begegnen und sich darüber unterhalten“. Er weist auch auf die Notwendigkeit der
Gleichbehandlung hin: „Wenn Muslime Räume zum beten haben dürfen, dann sollten Christen
diese Möglichkeit auch haben und auch nutzen.“