18.11.2008

Deutschland: Islamist soll Toleranzpreis erhalten

Mustafa Ceric - Ein janusköpfiger Preisträger Von Harald Biskup

Deutschland: Islamist soll Toleranzpreis erhalten

Mustafa Ceric - Ein janusköpfiger Preisträger

Von Harald Biskup

 

Einige Schriften und Aussagen des ranghohen islamischen Theologen Mustafa Ceric wurden offenbar übersehen. Jetzt sind die Stifter des Eugen-Biser-Preises ratlos - Ceric soll damit am Samstag für religiöse Toleranz geehrt werden.

KÖLN / MÜNCHEN - Den Festakt absagen? Die ganze Preisverleihung stornieren? Die Verantwortlichen der Eugen-Biser-Stiftung in München schnappen förmlich nach Luft. In drei Tagen schon soll in der Münchner Residenz feierlich der Preis der Stiftung verliehen werden, benannt nach dem inzwischen 90 Jahre alten Theologen und Religionsphilosophen Eugen Biser. Doch einer der Preisträger, Mustafa Ceric, der Großmufti von Bosnien-Herzegowina, ist ein Mann, der für Europa offen die Einführung und Beachtung des islamischen Rechts fordert, der Scharia. Das ist der Stiftung bislang entgangen - und jetzt ist die Verlegenheit groß. Dass der 56 Jahre alte Theologe seine religionspolitischen Visionen in einer CDU-nahen Publikation entwickelt hat (und sich inzwischen von ihnen distanziert haben soll), macht die Sache kaum besser. Immerhin, so ist zu hören, will sich Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), der als Festredner geladen ist, Ceric beim anschließenden Empfang zur Brust nehmen.

Die Scharia als ewiges Prinzip

Die zu Cerics Ehren versammelte Festkorona ist würdig bis hochwürdig: ein evangelischer Landesbischof, ein katholischer Weihbischof, der neue bayerische Staatsminister für Unterricht und Kultus, der Münchner Oberbürgermeister, Kulturschaffende und Wissenschaftler aus der gesamten Republik. Und natürlich: der Namensgeber des Preises, den die Stiftung jetzt zum dritten Mal vergibt: Eugen Biser. Viele sehen in ihm einen der letzten lebenden Vertreter der Spezies Universalgenie. Es heißt, er sei über die Auswahl der Preisträger, zu denen noch der jordanische Prinz Ghazi bin Muhammad bin Tatal und Scheich Hahbib ali Zain al-Abideen al Jifri zählen, außerordentlich glücklich. Werden die drei doch für ihre Mitwirkung an dem offenen Brief vom Oktober vorigen Jahres geehrt, in dem sie auf die kritische Regensburger Rede Benedikts XVI. von 2006 antworten, die in der islamischen Welt einen Sturm der Entrüstung ausgelöst hatte. In der Begründung heißt es, die drei ranghohen Theologen hätten „einen außerordentlichen Beitrag zum muslimisch-christlichen Dialog geleistet".

In Interview-Aussagen in seiner Heimat aber bekennt sich Ceric, der als wichtigster Kopf der Bosnier mit großem Einfluss auf das Staatspräsidium gilt, ausdrücklich zur „Islamisierung und zur Institutionalisierung des Islam" in Europa. Bei der Biser-Stiftung, gestern vom „Kölner Stadt-Anzeiger" mit den Vorwürfen gegen Mustafa Ceric konfrontiert, reagiert man überrascht bis beunruhigt. Der Stiftungsrats-Vorsitzende Richard Heinzmann gestand freimütig, sich nicht intensiver mit dem bosnischen Preisträger auseinander gesetzt zu haben. „Wir beziehen uns ausdrücklich nicht auf das, was die einzelnen ein Leben lang gesagt oder geschrieben haben." Aber wie verträgt es sich mit den hehren Idealen der Biser-Stiftung wie Freiheit, Toleranz und Verständigung, wenn der hohe bosnische Geistliche in einem Aufsatz als einen Grundpfeiler eines europäischen Islam ausdrücklich die Scharia nennt?

Vielleicht gehe es Ceric ja lediglich darum, die Scharia in ihrer historischkritischen Betrachtungsweise in die Debatte einzubringen, heißt es beschwichtigend. Doch so lesen sich Cerics Überlegungen nicht. Die Verpflichtung auf die Scharia, darin gipfeln seine Ausführungen, sei „immerwährend, nicht verhandelbar und unbefristet". In Kenntnis dieser Äußerungen räumt Heinzmann ein, würde er sich vermutlich nicht noch einmal für Ceric aussprechen.

Als das Zentrum für Europäische Studien, eine konservative Denkfabrik, finanziert von der Europäischen Volkspartei und der CDU, in diesem Mai Mustafa Ceric Gelegenheit gab, sich in ihrem Organ „European View" über acht Seiten hinweg über „Religion und Politik" auszubreiten, wusste auch sie offenbar nicht, was für eine schillernde Figur Ceric ist. Schließlich gilt er im Westen als moderat und steht international im Ruf eines Brückenbauers. Universitäten in aller Welt laden ihn als Gastredner ein, er ist im Vatikan empfangen worden, und 2007 wurde ihm der Theodor-Heuss-Preis verliehen.

Ceric ist unter Islamkritikern bekannt

 

Aber dann outete sich Ceric in dem Aufsatz als jemand, der die Scharia als ewiges Prinzip preist, „auf dessen Basis jede Generation von Muslimen das Recht und die Pflicht hat, über gut und schlecht, richtig oder falsch zu urteilen". Für einschlägige islamkritische Foren ist der Großmufti allerdings schon lange kein unbeschriebenes Blatt. Auf manchen Websites wird Ceric als „Islamofaschist" beschimpft, der kein anderes Ziel habe, als eine Herrschaft des Islam in Europa auszurichten und von Bosnien aus zum Heiligen Krieg aufzurufen. Und es wird auf enge Verbindungen zu den Wahhabiten in Saudi-Arabien verwiesen. In Sarajevo, das sich nach dem Ende des Balkankrieges von einer Vielvölker-Stadt zu einer islamisch geprägten Metropole entwickelt hat, werden die in den letzten Jahren überall neu entstandenen Moscheen hinter vorgehaltener Hand mit saudischen Financiers in Verbindung gebracht. Ein serbischer Intellektueller in Sarajevo, der ungenannt bleiben möchte, spricht von einer unübersehbaren Islamisierung seiner Stadt. Erst vor wenigen Tagen haben sich Professoren und Studenten gegen einen repräsentativen Neubau von Cerics Residenz ausgesprochen. Manche sehen in dem engen Vertrauten des früheren Präsidenten Alija Izetbegovic sogar so etwas wie den eigentlichen Führer der zersplitterten bosnischen Nation. Ein Mann mit zwei Gesichtern?

In München, aufgescheucht durch den Hinweis auf Cerics Äußerungen, mag man nicht recht glauben, dass einer der drei Preisträger ein bekennender Verfechter der Scharia ist. Eine nicht hinnehmbare Äußerung, sagt Heiner Köster, Rechtsanwalt und stellvertretender Kuratoriumsvorsitzender der Biser-Stiftung. „Eigentlich steht Herr Ceric für einen offenen Austausch der Religionen." Eigentlich. Sollte das nicht der Fall sein, „wäre die Erklärung, deretwegen wir ihn auszeichnen, eine Täuschung".

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