14.10.2008

Irak: Christen fliehen - Wer nimmt sie auf?

EKD-Auslandsbischof Martin Schindehütte: “EU hat akuten Handlungsbedarf”

Irak: Christen fliehen - Wer nimmt sie auf?

EKD-Auslandsbischof Martin Schindehütte: “EU hat akuten Handlungsbedarf”

 

M o s s u l / H a n n o v e r / G ö t t i n g e n (idea) - 14.10.08 – Angesichts der zunehmenden Gewalt gegen Christen im Nordirak und einer Flüchtlingswelle hat der EKD-Auslandsbischof Martin Schindehütte (Hannover) die Europäische Union (EU) zum Handeln aufgefordert.

Die vor allem nach Jordanien und Syrien geflohenen Iraker benötigten dringend Hilfe, weil ihr Leben in ihrem Ursprungsland aus religiösen Gründen weiter gefährdet sei. Im Blick auf die von Kirchen geforderte Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Irak, die aus religiösen Gründen verfolgt werden, schreibt Schindehütte in einer am 14. Oktober verbreiteten Pressemitteilung: „Der Beschluss der EU-Innenminister, die Situation in Nahost zunächst zu prüfen, um nicht übereilt und unter Umständen falsch zu handeln, ist auf den ersten Blick verständlich, jedoch darf dies nicht in eine Verschleppung und Verzögerung von dringend nötigen Hilfsmaßnahmen auf Kosten von Menschen in äußerster Not umschlagen.“

Polizisten sollen Christen schützen

Seit Anfang Oktober sind im Nordirak mindestens 14 Christen von muslimischen Extremisten ermordet worden. Etwa 3.000 sind auf der Flucht. Der irakische Premierminister Nuri al-Maliki hat etwa 1.000 Polizisten zum Schutz der Christen in Mossul aufgeboten. EKD-Auslandsbischof Schindehütte bezeichnet es zwar als nachvollziehbar, dass Maliki sich gegen eine Übersiedlung von Flüchtlingen in Mittel- und Osteuropa ausspreche, aber solange seine Regierung nicht die Sicherheit von Minderheiten gewährleisten könne, dürfe sein Wunsch nicht maßgebliches Entscheidungskriterium für die EU-Staaten sein.

Vorwurf: Bundesregierung vertut Zeit

Auf die Aufnahme eines großen Kontingents christlicher Flüchtlinge aus dem Irak drängt die „Gesellschaft für bedrohte Völker“. Generalsekretär Tilman Zülch (Göttingen) wirft der Bundesregierung vor, durch die „träge und unflexible Entscheidungsfindung“ wertvolle Zeit vertan zu haben. Berlin solle sofort einen Notfallplan ausarbeiten und ein Hilfs- und Ansiedlungsprogramm für die gejagten Christen in der Niniveh-Ebene nördlich und östlich von Mossul in Gang zu setzen. Außerdem solle die irakische Regierung diesem verbliebenen Hauptsiedlungsgebiet der assyro-chaldäischen Christen Autonomie gewähren. Fast drei Viertel der irakischen Christen sind seit dem Einmarsch alliierter Truppen im März 2003 vor Entführungen, Plünderungen und Mord geflohen. Die meisten haben vorübergehende Aufnahme im Nordirak, in Syrien und Jordanien gefunden. Insgesamt leben noch rund 450.000 Christen im Irak. Von den 26,7 Millionen Einwohnern des Landes sind 95 Prozent Muslime.