14.10.2008

Türkei: Keine „Vielfalt“ sondern Meinungsdisziplinierung und Unterdrückung

IGFM: Paragraph 301 abschaffen, Tarsus-Kirche und Aramäisch anerkennen!

Türkei: Keine „Vielfalt“ sondern Meinungsdisziplinierung und Unterdrückung

IGFM: Paragraph 301 abschaffen, Tarsus-Kirche und Aramäisch anerkennen!

IGFM/Frankfurt am Main - (14. Oktober 2008) – Laut Kultusminister Ertugrul Günay will die sich Türkei auf der am 15. Oktober beginnenden Frankfurter Buchmesse „vielfältig“ und offen präsentieren. Gleichzeitig werden jedoch in der Türkei die Meinungsfreiheit durch Gummiparagraphen des Strafgesetzbuches ausgehebelt und das christliche Kulturerbe unterdrückt. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) kritisiert die fortbestehenden Menschenrechtsmissachtungen in der Türkei.

Orhan Pamuk, der diesjährige Buchmessen-Festredner und Literatur-Nobelpreisträger, musste die Unterdrückung der Meinungsfreiheit am eigenen Leib erfahren. Er wurde wegen angeblicher „Herabsetzung der türkischen Identität und des Türkentums“, Paragraph 301 des türkischen Strafgesetzbuches, angeklagt. Erst nach internationalen Protesten wurde das Verfahren gegen Pamuk im Januar 2006 eingestellt.

Der im Frühjahr 2008 durch den Ausdruck „Beleidigung der türkischen Nation“ geringfügig modifizierte Gesetzesartikel hebelt die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei systematisch aus. Derzeit werden über 150 auf Paragraph 301 basierende Verfahren geprüft und durchgeführt. Unter den Angeklagten ist der Autor Temel Demirer, gegen den wegen öffentlichen Bekenntnisses zum Völkermord an den Armeniern im Jahr 1915 ermittelt wird. Die IGFM fordert die Abschaffung des Gesetzesartikels.

Unterdrückung christlichen Kulturerbes

Ein weiterer Verstoß gegen die Menschenrechte besteht in der Unterdrückung des fast 2000 Jahre alten christlichen Kulturerbes in der Türkei. Die türkischen Behörden verbieten offiziell seit 1997 den Unterricht von Aramäisch in den Klöstern des Tur Abdin (Südost-Türkei). Trotz der Bitten von Politikern und Bischöfen lehnt die türkische Regierung auch im Paulus-Jahr die Errichtung einer Kirche im Paulus-Geburtsort Tarsus ab. Außerdem verhindern die türkischen Behörden die Öffnung des seit 1971 geschlossenen Priesterseminars der griechisch-orthodoxen Kirche auf der Prinzeninsel Heybeli. Der jüngste Vorstoß des Ausschussvorsitzenden des türkischen Parlaments, Necati Birinci, zur Türkisierung von Ortsnamen ist ein weiterer Schlag gegen die von Minister Günay gelobte „Vielfalt“.

Anlässlich der Buchmessen-Eröffnung fordert die IGFM die Türkei zur uneingeschränkten Ratifizierung des „Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte“ unter Einbeziehung des „kulturellen Minderheitenartikels 27“ auf. „Auch Christen müssen in der Türkei uneingeschränkt ihre Kultur leben können, denn sonst wäre der EU-Kandidat ein islamischer und nationalistischer Club“, so Walter Flick, Referent für Religionsfragen der IGFM.