15.10.2008

Österreich:Religionsfreiheit gilt in erster Linie dem Einzelnen

Deutscher Menschenrechtsexperte Heiner Bielefeldt warnt bei "Iustitia et Pax"-Workshop in Wien vor Initiativen vor allem islamisch dominierter Länder, das "Religionsthema" anders zu besetzen: Weg von individueller religiöser Freiheit hin zu einem "Schutz kollektiver religiöser Identitäten"

Wien/Österreich, 16.10.2008 (KAP) Vor einer mehr oder minder schleichenden Verknüpfung der Religionsfreiheit mit ethnischen oder kulturellen Identitäten haben Menschenrechtsexperten in Wien bei einer Veranstaltung zum Thema "Multikulturalität und Menschenrechte: Neue Herausforderung für Europa" gewarnt. Der Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Prof. Heiner Bielefeldt, kritisierte dabei vor allem vermehrte Initiativen islamisch dominierter Länder in der UNO, das "Religionsthema" in der Menschenrechtsdebatte anders zu besetzen: Weg von individueller religiöser Freiheit hin zu einem - meist autoritären - "Schutz kollektiver religiöser Identitäten". Solche Stellungnahmen würden von den europäischen Vertretern in der UNO aus gutem Grund durchweg abgelehnt, fänden aber immer wieder Mehrheiten, hielt Bielefeldt fest. Diese Entwicklung sei gefährlich; die christlichen Kirchen sollten hier stärker ihre warnende Stimme erheben und dagegen auftreten.

Die Menschenrechte seien individuelle Rechte, aber nicht "individualistisch", wie Kritiker gerne behaupten, so Bielefeldt. Sie hätten durchaus gemeinschaftliche bzw. gesellschaftliche Implikationen. Die Trennlinie verlaufe daher nicht zwischen Individuum und Gesellschaft, sondern zwischen Freiheit und Fremdbestimmung in der gemeinschaftlichen Organisation.

Recht auf Mission und Konversion

Der Wiener Religionsrechtler Prof. Richard Potz wies in dem Zusammenhang darauf hin, das Religionsfreiheit das Recht zur Mission und das Recht zum Wechsel des religiösen Bekenntnisses unabdingbar einschließt. Gerade die letztgenannten Rechte werden in nicht wenigen Ländern mit dem Hinweis auf den "Schutz der kollektiven religiösen Identität" eingeschränkt.

In seinem Vortrag zum Thema "Menschenrechte in der Einwanderungsgesellschaft. Plädoyer für einen aufgeklärten Multikulturalismus" betonte Bielefeldt, dass Multikulturalismus in den Menschenrechten seinen tragenden Grund habe. Diese Menschenrechte seien aber gleichzeitig dessen Grenzen. Die multikulturelle Gesellschaft habe in den achtziger Jahren weithin als ein emanzipatorisches Projekt gegolten. Heute löse sie eher die Sorge vor autoritären Milieustrukturen aus, die vor allem mit dem Islam assoziiert werden.

Bielefeldt warnte zugleich vor einer zu pauschalen Rede vom "Islam". Man müsse klarer zwischen seiner religiösen und seiner ethnisch-kulturellen Dimension unterscheiden. Aber auch der Widerstand etwa gegen Moscheen in europäischen Ländern sei oft nicht christlich motiviert; der Theologe und Menschenrechtsexperte zeigte sich skeptisch gegenüber Erwartungen, eine stärkere Präsenz des Islam in Europa werde die Christen des Kontinents als Reaktion in ihrer Identität stärken.

Menschenwürde gilt für alle

Bei dem akademischen Workshop der österreichischen bischöflichen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden ("Iustitia et Pax") wurde zudem hervorgehoben, dass Religionsfreiheit über kulturelle Rechte und Freiheiten hinausgehe. Das habe auch mit der Überzeugung religiöser Menschen zu tun, "Gott mehr gehorchen zu sollen als den Menschen", so der Wiener Politologe em. Prof. Heinrich Schneider. Der Staat dürfe nicht festlegen, welcher Inhalt oder welche Form der Ausübung einer Religion zukommt. Da aber Glaubensüberzeugungen nicht ohne kulturelle und gesellschaftliche Wirkung sind, stoße die Religionsfreiheit auch an Grenzen. Die Europäische Menschenrechtskonvention etwa ermögliche Ausnahmeregelungen aus religiösen Gründen, wenn nicht die Sicherheit, die Gesundheit, die Rechte oder die Freiheit anderer dadurch beeinträchtigt sind.

Die Direktorin der Kommission "Iustitia et Pax", die Wiener Sozialethikerin Prof. Ingeborg Gabriel, zeigte sich besorgt über Tendenzen, die Menschenwürde von bestimmten Bedingungen abhängig zu machen. So höre man immer wieder Argumente wie "Menschenwürde haben nur die, die sich würdig verhalten". Prof. Bielefeldt sagte dazu, entschiedene Kritik an solchen Aussagen, die die Universalität und Unantastbarkeit der Menschenwürde in Abrede stellen, sei nicht nur in außereuropäischen Ländern oft schwer zu vermitteln. In diesem Zusammenhang verwies er auf die umstrittene Rede von einem "Sterben in Würde" in der europäischen Euthanasiediskussion.

Quelle: Kathpress, Wien/Österreich

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