08.12.2009
Italien: Verständnis bei Evangelikalen für EU-Urteil zum Kruzifix in öffentlichen Gebäuden
AKREF/dv/pm, 08.12.2009 - in der katholischen Kirche in Italien haben sich über das EU Urteil Kruzifix in Klassenzimmern heftig beschwert (wir berichteten). Auch aus anderen europäischen Ländern, in denen es in Vergangenheit eine enge Verknüpfung zwischen Kirche und Staat gegeben hat, wurde mit Unverständnis über das EU Urteil reagiert. In Italien hat die evangelische Minderheit ganz anders reagiert. Sie sehen es nur als folgerichtig und konsequent, dass im säkularen Staat keine Religionsgemeinschaft begünstigt wird. Das öffentliche zur Schau stellen von Kreuzen, Kruzifix in oder heiligen Bildern entspricht ihrer Frömmigkeit nicht. So haben sie also kein Problem mit dem EU Urteil. Ähnlich war es, als in Serbien die Frage des Religionsunterrichts in der Schule beraten wurde. Die evangelischen beziehungsweise protestantischen Gemeinden Serbiens waren dagegen, dass die orthodoxe Kirche mit einem Monopol in Sachen Religionsunterricht begünstigt wird.
Auch wenn wir im deutschsprachigen Raum die Sache aus einer anderen Perspektive betrachten uns das Urteil als Einschränkung der Religionsfreiheit sehen mögen, so ist es wichtig, die Sache auch aus dem Blickwinkel der religiösen Minderheiten zu sehen.
Im folgenden bringen wir in deutscher Übersetzung die Stellungnahme des Leitungsrates der Italienischen Evangelischen Allianz:
Erstaunt und traurig lesen wir die Neuigkeiten über die „moderne Verfolgung in Italien" in der neuesten Ausgabe des WEA RL Bulletin. Im Gegensatz zu dem Bericht unterstützen wir die Entscheidung des Europäischen Gerichts für Menschenrechte über das Kruzifix, was auf verschiedenen Argumenten basiert:
Es geht um den Staat, um öffentliche Gebäude. Es ist nicht als solches anti-religiös. Das Kruzifix als Objekt ist eine Erinnerung an den Konfessionsstaat, der in Italien nicht mehr existiert (obwohl wir in öffentlichen Gebäuden wie Gerichtssälen, Krankenhäusern, Schulen usw. noch immer Marienfiguren, Heiligenfiguren und verschiedene Schreine haben…).
Es ist eng verbunden mit anderen katholischen Vorteilen, unterschiedliche rechtliche Status der katholischen Kirche usw.
Zu Ihrer Information folgt hier eine Zusammenfassung der Situation von Religionsfreiheit in Italien. Wir hoffen, das WEA die Religionsfreiheit von Minderheiten unterstützt und nicht die Überbleibsel eines Machtsystems von Namenschristen!
Verfassungsrahmen
Unsere Verfassung befasst sich mit Religionsgruppen entsprechend den Sprossen einer Leiter: Artikel 7 befasst sich mit der katholischen Kirche (repräsentiert durch den Vatikan, einen souveränen Staat), Artikel 8 befasst sich mit anderen Religionsgruppen, die ein Abkommen mit dem Staat unterzeichnen. Im Moment handelt es sich dabei um sieben Gruppen: (einschließlich Waldenser, Lutheraner, Baptistenvereinigungen und Gemeinde Gottes. Andere evangelikale Denominationen beantragen dies, jedoch ist der Staat ist langsam im Vorwärtsgehen in diese Richtung. Moslems bitten darum, solch ein Abkommen unterschreiben zu können, aber aus politischen Gründen möchte die Regierung hier nicht vorankommen. Andere evangelikale Kirchen wollen kein solches Abkommen mit dem Staat unterzeichnen, und zwar wegen ihrer kirchlichen Überzeugung.
Gesetzgebung
Das Parlament diskutiert über das Gesetz der Religionsfreiheit, worauf wir 40 Jahre lang gewartet haben. Es gibt ein bisschen etwas an faschistischer Gesetzgebung, die Minderheiten diskriminiert. Sie werden nicht mehr angewendet, aber rein technisch gibt es sie noch. Wir verlangen ein Religionsfreiheits-Gesetz, das diese Gesetzgebung ausradiert und ein faires Netzwerk für alle religiösen Gruppen einführt.
Konfessions-Status
Ein beunruhigender Trend der katholischen Konfession nahm in den letzten paar Jahren zu. In öffentlichen Schulen sind katholische Lehrer die einzigen, denen es erlaubt ist, Religion zu unterrichten (natürlich den Römisch-katholischen Katechismus). Diese werden von Bischöfen ausgesucht und von Steuerzahlern bezahlt! Die öffentliche Politik ist öfter dazu geneigt, die Vorteile gegenüber der Katholischen Kirche in vielen Bereichen (Steuersystem, Gründung von Kirchengebäuden und Initiativen etc.) zu verstärken und zu erlauben. Der Nationale Mediensender (RAI) hat eine Vatikan-Abteilung, die täglich die Nation über jegliche Art von Information über den Papst und die römisch-katholische Kirche versorgt. Nahezu nichts wird unternommen, um über Religionspluralismus zu informieren.
Politik
Es gibt ein großes Problem des Laizismus. Obwohl er säkular ist, sucht der italienische Staat immer bei der römisch-katholischen Kirche nach Unterstützung in seiner Politik, und die römisch katholische Kirche versucht immer, die italienische Politik zu beeinflussen. Die römisch-katholische Kirche ist sich ihrer Vorteile bewusst, unterstützt nicht Fragen der Religionsfreiheit, hat einen Verteidigungssinn, indem sie versucht, die immensen Vorteile zu bewahren, die sie in Geld aus öffentlichen Mitteln und politischer Unterstützung hat.
Wir organisieren eine Versammlung für Religionsfreiheit im Juni 2010, und wir wollen ein Europäsiches und ein globales Profil schaffen. Helfen Sie uns, die WIRKLICHEN Fragen zu behandeln, und nicht den Konfessionsstaat zu verteidigen? Unterstützen Sie uns, und nicht die mächtigen Tricks einer Religions-Staats-Kirche?
Roberto Mazzeschi (Vorsitzender)
Leonardo De Chirico
Gian Piero Marussich
Stefano Bogliolo
Giuseppe Rizza
Rom, 17. November 2009