02.03.2009

Iran: Die Tragödie der religiösen Minderheiten

Von Behrouz Khosrozadeh

Iran: Die Tragödie der religiösen Minderheiten

Von Behrouz Khosrozadeh

TP - 02.03.2009 - Christen, Juden und Zoroastrier sind im Iran als religiöse Minderheiten offiziell anerkannt, jegliche Missionierung ist ihnen aber streng untersagt In der Islamischen Republik Iran werden selbst Muslime ausgegrenzt. Die Sunniten haben nicht die gleichen Rechte wie die Schiiten, die 90 Prozent der Bevölkerung stellen. Unter den Schiiten genießen de facto nur jene uneingeschränkte Bürgerrechte, die sich voll und ganz entlang der Linie des Regimes bewegen und sich der Velayat-e Faqih, der Herrschaft des Rechtsgelehrten, unterwerfen. Anhänger der religiösen Minderheiten im Iran haben, wie in vielen anderen Ländern, historisch und traditionell gesehen kaum glückliche Epochen durchlebt. In der Pahlawi-Ära, von 1925 bis 1979, haben die religiösen Minderheiten eine weitgehende Atempause bis zu einer Blüte ihrer Entfaltung erlebt. Mit dem Sieg der iranischen Revolution 1979 sank wider Erwarten der Stern ihrer religiösen Freiheiten rapide. Ayatollah Khomeini hatte noch kurz vor dem Sieg der Revolution mehrmals die Gewährung gleicher Rechte für Minderheiten und Frauen sowie auch von Religionsfreiheit zugesichert. 

Die iranische Verfassung erkennt Christen, Juden und Zoroastrier als religiöse Minderheiten, als Dhimmis beziehungsweise Schutzbefohlene, an, die auch Vertreter im Parlament haben. Sie genießen innerhalb des gesetzlichen Rahmens das Recht auf die freie Ausübung ihrer religiösen Riten und Zeremonien. Ihre Anhänger dürfen sich in persönlichen und glaubensspezifischen Belangen gemäß ihrer religiösen Vorschriften verhalten. Bei Verschwörung oder anderen Aktivitäten gegen den Islam und den Staat verlieren ihre Anhänger diese Rechte jedoch. Neben anderen gesetzlichen Restriktionen sind Ämter und hohe Positionen in Exekutive, Verwaltung und Richteramt sowie höhere Offiziersränge den Nicht-Muslimen, aber auch muslimischen Sunniten, nicht zugänglich.

Etwa 300 000 Personen im Iran gehören christlichen Konfessionen – dem armenischen, assyrischen und chaldäischen Ritus – an. Sie schicken drei Vertreter ins Parlament. 90 Prozent der Christen gehören zur armenisch-orthodoxen Kirche. Der Verkauf, der Konsum sowie die Verwendung von Alkohol ist den christlichen Gemeinschaften sowohl bei ihren religiösen Riten als auch privat erlaubt, sie müssen sich aber an den strengen Kleiderkodex halten und müssen ihre Publikationen vor der Veröffentlichung von den Behörden genehmigen lassen. Ihnen wie allen anderen Minderheiten ist die Missionierung streng untersagt. Die Anhänger müssen Mitgliederausweise bei sich tragen. Muslimische Interessenten müssen seitens der Kirche von der Teilnahme an ihren Veranstaltungen ausgeschlossen werden. Trotz vieler Repressalien kann von einer systematischen Verfolgung der Christen im Iran keine Rede sein.

Die Islamische Republik hatte jedoch bereits acht Tage nach ihrem Sieg ihr prominentes christliches Opfer: Der Priester Arastu Sayah wurde im Februar 1979 erstochen. Mitte der neunziger Jahre verschwanden der armenisch-protestantische Bischof Haik Mehr und später sein Nachfolger Tateos Mikaelian. Sie wurden später tot aufgefunden. Beide hatten der Regierung vorgeworfen, dass sie die Christen zur Zielscheibe staatlicher Verfolgung und Drohung gemacht habe. Der Schock saß tief und zwang missionarische Christen – die aus den USA stammende pfingstchristliche Gemeinde Assembly of God – aus Sorge um ihre Mitglieder aus dem Untergrund zu agieren und den Kontakt zur Öffentlichkeit zu scheuen. Die Lage entspannte sich Ende der neunziger Jahre mit dem Amtsantritt Präsident Khatamis. Er unterband die Verfolgungen aufgrund religiöser Überzeugung. In der Ära von Präsident Ahmadinedschad stehen insbesondere die neueren, protestantisch-evangelischen christlichen Gemeinden unter strengster Beobachtung der staatlichen Sicherheits- und Nachrichtendienste.

Unter Mohammad Reza Schah (von 1941 bis 1979) erfuhren die Juden ihre Blütezeit im Iran. Ende der siebziger Jahre lebten mehr als 100 000 Juden im Land. Davon sind heute im Zuge der Repressalien weniger als 25 000 übriggeblieben, die dennoch die größte jüdische Gemeinde außerhalb Israels im Nahen Osten darstellen. Ayatollah Khomeini erklärte die Juden zu den elf Dingen, die unrein sind – neben Hunden, Schweinen und Alkohol. Seit dem Amtsantritt von Präsident Mahmoud Ahmadinedschad und seinen martialisch antiisraelischen Reden haben sich die Beziehungen zwischen dem Iran und den Juden im In- und Ausland weiter verschlechtert. Missliebige Juden werden sehr schnell der Spionage für Israel bezichtigt.

Die Anhänger der Sufi-Orden, einer Art islamischer Esoterik und Mystik, bekommen seit 2006 die Erbarmungslosigkeit des Staates zu spüren. Angestachelt durch die konservative Geistlichkeit und staatliche Medien zerstörte die Bassidschi-Miliz ihre Gebetshäuser. Zahlreiche Anhänger wurden verletzt und verhaftet. Das „Vergehen“ des Sufi Ordens von Nematollah Gonabadi besteht darin, dass er angeblich immer mehr Zulauf von jungen Iranern erhält, die genug haben von Intoleranz und Unterdrückung im Namen des Islam. Die Liebe zu Gott, eine friedliche Auslegung des Korans und die Beschäftigung mit Musik und Poesie, wie sie von dem schiitischen Gonabadi-Orden gelebt wird, missachten die Hass und Rache predigenden Mullahs. Dramatisch ist das Schicksal der gegenwärtig nicht als religiöse Minderheit anerkannten Bahai, einer Gemeinschaft islamischer Abstammung mit 300 000 Anhängern im Iran. Die Bahai-Religion erkennt die ihr vorausgegangenen Religionsstifter als Gottgesandte an, sie beansprucht jedoch, dass der Bahai-Prophet der jüngste in der Propheten-Kette sei und dass diese junge Religion die Verheißungen aller bisherigen Propheten zu erfüllen suche. Die Bahais sind bei der traditionellen schiitischen Geistlichkeit verhasst, denn es darf keinen Propheten nach Mohammad geben. Die Bahais waren zusammen mit den Juden relativ stark, aber unauffällig im Wirtschaftsleben des Landes vertreten. Während der Islamischen Republik wurde zweimal, 1980 und 1981, ihre jeweils neunköpfige Führung hingerichtet. Seither agiert die Führung anonym. Erst gegen Ende der neunziger Jahre hat man sie relativ in Ruhe gelassen. Sie bleiben jedoch vom öffentlichen Dienst und dem Besuch von Hochschulen ausgeschlossen. In den 30 Jahren der Herrschaft des „Gottesstaates“ sind mehr als 200 Bahais getötet worden. Ihre Friedhöfe werden geschändet. Die letzte Führung wurde 2008 verhaftet und ihr soll nun wegen Spionageverdachts der Prozess gemacht werden. Ihre Anwältin, die Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi, steht unter ständigen Drohungen.

Ein Lichtblick in der Angelegenheit der Minderheiten ist ein Fetwa von Ayatollah Hussein Ali Montazeri. Montazeri, einst designierter Nachfolger von Ayatollah Khomeini, gilt als höchste regimekritische schiitische Autorität im Iran. Er sagt, die Bahais seien Bürger des Iran und müssten alle Bürgerrechte genießen. Das stellt ein Novum in der Geschichte der schiitischen Geistlichkeit dar. Bisher hatte kein Geistlicher eine derartige Äußerung gewagt. In der vergangenen Woche hat Irans Generalstaatsanwalt, Ayatollah Dori-Nadschafabadi, das Informationsministerium angewiesen, mit der „niederträchtigen Bahai-Sekte“, deren Verbindung zu Israel feststehe, aufzuräumen. Irans Menschenrechtsaktivisten fürchten die Endabrechnung.

Einen Meilenstein in Sachen religiöser Minderheiten markiert das neue Strafgesetzbuch, das dem Parlament vorliegt. Auf Apostasie steht hier die Todesstrafe. Dies war bisher nicht gesetzlich verankert. Die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion – häufig zum Christentum und den Sufi-Orden – ist dank der Mullahs ein neues Phänomen im Iran, könnte aber bald das Leben kosten. Seit 2005 geben einige iranische Asylsuchende in Deutschland und in der Schweiz ihre Konversion zum Christentum als Asylgrund an. Auch wenn der Konvertit der Verdächtigung ausgesetzt würde, er wolle sein Asylverfahren befördern, so muss man wissen, dass ein Konvertit nur dann in den Iran zurückkehren kann, wenn staatliche Behörden von seinem Glaubensübertritt nicht informiert sind. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Konvertiten ihren Glauben auch von Angehörigen, Nachbarn und Bekannten unbemerkt ausüben.

Quelle: DIE TAGESPOST, Würzburg/Deutschland

Recherche/Zusammenstellung durch APD Schweiz.