19.03.2009

EU: Gleiche Rechte in Europa auch für die Christen!

Interview mit Dr. Gudrun Kugler, Mitbegründerin von „www. christianophobia.eu“

EU: Gleiche Rechte in Europa auch für die Christen!

Interview mit Dr. Gudrun Kugler, Mitbegründerin von „www. christianophobia.eu“

WIEN, 19. März 2009 (ZENIT.org).- Intoleranz gegenüber Christen auch in Ländern mit langer demokratischer Tradition nimmt zu. Das ist die einhellige Meinung von rund 50 Experten, die am 4. März auf Einladung des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) zu einem Gedankenaustausch über das Thema „Intoleranz gegen und Diskriminierung von Christen" in der Wiener Hofburg zusammenkamen. Das Ziel der internationalen Veranstaltung bestand darin, konkrete Vorschläge zu erarbeiten, damit die OSZE der wachsenden Intoleranz gezielt gegensteuern kann.

Juristin Dr. Gudrun Lang, die an den Vorbereitungsarbeiten und am Kongress selbst mitwirkte, weist im vorliegenden ZENIT-Interview etwa am Beispiel der Diskussionen um den Religionsunterricht darauf hin, dass Intoleranz gegenüber Christen in der westlichen Welt in der Einschränkung von Rechten in den Bereichen Gewissensfreiheit, Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit bestehe

Kugler betreut die Webseite www.christianophobia.eu und bearbeitete das Thema Intoleranz und Diskriminierung von Christen im heutigen Europa in verschiedenen Publikationen. Die Plattform www.christianophobia.eu wird von der Initiative „Europa für Christus!" (www.europe4christ.net) getragen, die kostenlos monatliche Informationsbriefe anbietet und einlädt, täglich ein Vaterunser für ein christliches Europa zu beten - zum Beispiel nach dem Angelus zu Mittag.ZENIT: Wie beurteilen Sie diesen „Runden Tisch", was erhoffen Sie sich davon?Kugler: Der Runde Tisch war ein wichtiger erster Schritt. Intoleranz gegen Christen ist in manchen Ländern sehr leicht erkennbar. Im so genannten „Westen" muss schon man genauer hinsehen, das Problem aber auch ernst nehmen. Die rund 50 Experten formulierten zahlreiche Empfehlungen an die OSZE: So sollten die verschiedenen Methoden zur Bekämpfung von Intoleranz auch explizit zum Schutz der Christen angewandt werden. Darunter fällt zum Beispiel die Dokumentation und Publikation von Vorfällen, die konkrete Arbeit mit Regierungen und die Ausarbeitung vorbeugender Maßnahmen durch Bildung und Bewusstseinsschärfung.ZENIT: Wo werden Christen heute im Westen diskriminiert, und wie können Sie sich dagegen wehren?Kugler: In Indien, Pakistan und anderen Teilen der Welt müssen Christen oft um ihr Leben bangen, verlieren ihre Freiheit, ihren Besitz, ihr Zuhause. Im Osten, insbesondere in Zentralasien, werden Glaubensgemeinschaften oft nicht anerkannt und sind somit de facto von einem Versammlungsverbot betroffen, was ihnen dann die gemeinsame Feier von Gottesdiensten unmöglich macht.

Im Westen, also in Ländern mit langer demokratischer Tradition, sieht die wachsende Intoleranz gegen Christen anders aus: Wir bemerken eine Einschränkung von Rechten in den Bereichen Gewissensfreiheit (wenn zum Beispiel jemand de facto gezwungen wird, an unethischen medizinischen Handlungen mitzuwirken), Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit.

Die Meinungsfreiheit wird in einigen europäischen Ländern unter anderem durch die so genannte „Hate Speech Legislation" gefährdet. Durch sie wird die „Hassrede" geahndet, also die Verunglimpfung und Verspottung einer Person oder einer ganzen Gruppe. Was ursprünglich ein Gesetz gegen Verhetzung oder gehässige Stimmungsmache sein sollte, wendet sich heute zunehmend gegen Christen, die ihre Glaubensüberzeugungen in der Öffentlichkeit äußern.

Im Bereich Religionsfreiheit beobachten wir zum Beispiel arbeitsrechtliche Bestimmungen und öffentliche Auflagen, die es christlichen Glaubengemeinschaften nicht erlauben, ihrem Leitbild entsprechend zu handeln oder Eltern daran hindern, etwa auf Lehrpläne Einfluss zu nehmen, wenn es um die menschlichen Grundwerte und die religiöse Erziehung ihrer Kinder geht.

Außerdem wächst das Problem der „sozialen Ausgrenzung und Marginalisierung", wenn Christen und christliche Positionen aus dem öffentlichen Leben verdrängt werden, wenn Medien Vorurteile gegen Christen schüren oder wenn gegen Christen, die sich öffentlich engagieren, aggressiv vorgegangen wird, wie es oft rund um das Engagement für den Schutz des ungeborenen Lebens vorkommt. Und dann gibt es auch im freien Europa von heute dokumentierte Fälle, dass christliche Symbole aufgrund des Drucks einer Minderheit entfernt werden.

ZENIT: Was sind denn die tieferen Gründe für diese Diskriminierung, was meinen Sie?

Kugler: Die Intoleranz gegen und Diskriminierung von Christen im Westen ist einerseits einem radikalen Säkularismus zuzuschreiben, der das eigentliche Anliegen der Trennung von Kirche und Staat völlig missversteht. Andererseits bemerken wir heute extreme Formen einer „Political Correctness", die sich in einzelnen Aspekten von Antidiskriminierungsgesetzen wiederfindet und manche Menschenrechte beschneidet, insbesondere das Recht auf Religionsfreiheit, das ja auch die Autonomie der Religionsgemeinschaften beinhaltet.

Manchmal wird argumentiert, dass Christen im Westen nicht diskriminiert werden, sondern nur jammern, ihre historische Vormachtsstellung aufgeben zu müssen. Diese Position ist aber nicht haltbar, wenn man sich mit den eigentlichen Vorfällen beschäftigt. Hier geht es nicht um Vorrechte, sondern um gleiche Rechte und soziale Anerkennung auch für Christen. Eine exemplarische, ständig aktualisierte Liste von Fällen publizieren wir auf unserer Webseite www.christianophobia.eu.

ZENIT: Können Christen Gesellschaft und Politik heute wirklich aktiv mitgestalten, oder ist der Wind, der er ihnen entgegen bläst, zu stark?

Kugler: Christen können und müssen sich in Gesellschaft und Politik einbringen. Da muss eine erste Ermahnung an uns selbst gehen: Der New Yorker Rechtsgelehrte Joseph Weiler, selbst Jude, spricht von einem „selbstgewählten Ghetto", aus dem die Christen Europas endlich mutig herauskommen sollten.

Der Wind, der Christen entgegen bläst, scheint aber doch kräftiger zu wehen, als er es im öffentlichen Leben ohnehin schon tut. So insistiert Mario Mauro, Vorsitzender des Runden Tisches der OSZE, dass „politische Ämter" Christen „nicht verwehrt werden" dürfen und dass die Medien anstatt Vorurteilen „eine Botschaft des Verständnisses und des Respekts gegenüber Christen" bringen sollen. 

Prominente Fälle von medialen Kampagnen gegen Politiker wie Rocco Buttiglione, der 2004 italienischer EU-Kommissar hätte werden sollen, werden gesäumt von vielen kleineren, aber ähnlich gelagerten Vorfällen.

ZENIT: Haben wir in Europa ein Problem mit der Religionsausübung, oder gar mit der Religionsfreiheit?

Kugler: Offiziell wird in Europa der Schein gewahrt. Gleichzeitig wird Religion aus dem öffentlichen Leben gedrängt, nur als Privatsache zugelassen. Religion zu verbannen, ist eine inhaltliche Entscheidung - nicht die Gewährleistung der Neutralität. Wenn Grundrechte gegeneinander abgewogen werden, soll die Religions- und Gewissensfreiheit nicht automatisch den Kürzeren ziehen.

Religionsgemeinschaften sollen ihre innere Organisation selbst bestimmen dürfen - ohne staatliche Einmischung. Wichtig ist außerdem, dass der konfessionelle, affirmative Religionsunterricht möglich bleibt. Bestrebungen, den Religionsunterricht als religionswissenschaftliche Informationsveranstaltung zu organisieren, widersprechen der Religionsfreiheit und dem Recht der Eltern, die Kinder nach ihren Glaubensvorstellungen zu erziehen.[Das Interview führte Dominik Hartig]