12.05.2009

Ägypten: Massenschlachtungen dokumentieren Recht- und Schutzlosigkeit der christlichen Minderheit

Katastrophale Lebensbedingungen für Schweine, Geflügel – und vor allem Menschen

Ägypten: Massenschlachtungen dokumentieren Recht- und Schutzlosigkeit der christlichen Minderheit

Katastrophale Lebensbedingungen für Schweine, Geflügel – und vor allem Menschen

IGFM, Frankfurt am Main – (12. Mai 2009) – Die Entscheidung der ägyptischen Regierung, sämtliche der schätzungsweise 250.000 Schweine des Landes schlachten zu lassen, um damit die Schweinegrippe vorbeugend zu bekämpfen, ist nach Auffassung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) eine innenpolitische Maßnahme gegen die koptische Minderheit. Nach Ansicht der IGFM versucht die Regierung Mubarak damit, dem wachsenden Einfluss fundamentalistischer Muslime in der ägyptischen Bevölkerung genüge zu tun.

Schweine gelten nach islamischer Auffassung als „unrein“. Die Massenschlachtungen treffen wirtschaftlich ausschließlich die christliche Minderheit und zwar auch in ländlichen Regionen, in denen die Haltung der Tiere als völlig unproblematisch gilt, so die IGFM. Ein weit dringlicheres Gesundheitsproblem - die Haltung von Geflügel auf ungenügendem Raum - wird von der Regierung ignoriert. Trotz immer wieder aufflackernder Fälle von Vogelgrippe scheut die Regierung jeglichen Eingriff, denn von einer Regulierung hier wären auch Muslime betroffen. In Ägypten hat es bisher keinen einzigen Verdachtsfall von Schweinegrippe gegeben, die WHO bezeichnete die Maßnahme daher als unverhältnismäßig.

Bedeutende Einkommensquelle der „Zabbalin“


Schweine sind in Ägypten eine wichtige Einkommensquelle der sogenannten „Zabbalin“, der fast ausschließlich christlichen Müllsammler. Allein in Kairo leben in etwa acht Müllsiedlungen der Millionenstadt rund 60.000 sogenannte „Müllmenschen“. Die Zabbalin sammeln in Kairo täglich schätzungsweise knapp 2000 Tonnen Hausmüll, den sie in ihre Wohn- und Arbeitssiedlung transportieren und dort von Hand trennen. Nahezu alle Bestandteile des Mülls finden Verwendung: Pappe, Metall, Plastik und Glas. Sogar die faulenden Essensreste sind willkommen, sie dienen als günstiges Futter für Schweine und Geflügel, die für die Zabbalin eine wichtige Einkommensquelle sind.

Mensch und Tier leben in den Vierteln der Müllsammler auf engstem Raum. Die hygienischen Bedingungen in denen die Tiere – und die Menschen – dort leben, sind ohne Frage erschreckend. Die Massenschlachtungen der Schweine löst aber keines der Probleme dieser Menschen. Die Müllsammler verlieren eine wichtige Einkommens- und Nahrungsquelle. Die Gesundheitsrisiken aber werden durch die auch in Großstädten weit verbreitete Haltung von Geflügel weiter bestehen.

 

Hintergrund „Müllsammler“


Die Müllsammler Ägyptens werden „Zabbalin“ genannt (auch „Zabalin“, Zabbaleen“ oder „Sabalin“). Der Name leitete sich vom arabischen Wort für Müll („zibal“) ab. Ihre Lebensgrundlage sind zwei infrastrukturelle Probleme Ägyptens: Die völlig unzureichende und miserabel funktionierende staatliche Müllabfuhr und extremer Mangel an Wiederverwertungsanlagen für Rohstoffe andererseits. Die Müllsammler sind rund um die Uhr unterwegs, zu Fuß, mit einem Eselskarren oder mit klapprigen Pick-ups ausgerüstet, und sammeln den täglich anfallenden Hausmüll der ägyptischen Großstädte. Sie bringen ihn in ihre Häuser oder Hütten, wo er von Frauen und Mädchen mit bloßen Händen sortiert wird. Unbrauchbares wird oft noch vor Ort verbrannt, daher sind die Müllviertel oft von beißendem Qualm durchzogen. Bis zum Abend müssen die Zabbalin ihren Müll sortiert und weiterverkauft haben, um Platz für neuen Müll zu schaffen.

Die hygienischen Verhältnisse sind katastrophal. Krankheiten sind an der Tagesordnung, vor allem Erkrankungen der Bronchien als Folge des permanent brennenden Mülls. Fliegen bevölkern die Müllhalden und übertragen Infektionskrankheiten wie z. B. Trachome. 60 Prozent der 50jährigen Zabbalin sollen durch Augeninfektionen schwer sehbehindert bzw. erblindet sein. Das Grundwasser ist bereits so verschmutzt, dass es selbst abgekocht nicht als Trinkwasser verwendet werden kann. Es muss außerhalb der Müllviertel in Kanistern gekauft werden.

Ökologisch gesehen stellt das Zabbalin-System nur kurzfristig eine Lösung der Müllproblematik in Ägypten dar, die Langzeitschäden für Mensch und Umwelt sind zu gravierend. Und auch unter sozialen Aspekten ist der Ist-Zustand untragbar, da die Lebensqualität der Zabbalin und die Perspektiven ihrer Kinder auf der Strecke bleiben, so die IGFM.