24.11.2009

Russland: Priestermord in der Kirche hat Folgen

Islamkritischer russischer Priester beigesetzt - Prämie auf den Kopf des Täters Von Christian Esch

Russland: Priestermord in der Kirche hat Folgen

Islamkritischer russischer Priester beigesetzt - Prämie auf den Kopf des Täters

Von Christian Esch

 

MOSKAU - Frankfurter Rundschau, 24.11.2009 S.6 -  Die russisch-orthodoxe Kirche hat einen neuen Märtyrer - jedenfalls in den Augen vieler ihrer Gläubigen. Am Montag lag in der kleinen Peter- und Pauls-Kirche von Jasenewo, am Stadtrand Moskaus, der Priester Daniil Sysojew aufgebahrt. Im Beisein von Fernsehkameras und von Patriarch Kirill höchstpersönlich nahm die Kirche von ihm Abschied. Der Trauergottesdienstwurde über eine Großleinwand zu den Gläubigen vor der Kirche übertragen. Der 37-jährige Priester war bekannt als scharfer Kritiker des Islam bekannt.

Sysojew war am Donnerstagabend in der Apostel-Thomas-Kirche, einer kleinen Holzkirche in einem Neubauviertel, erschossen worden. Ein maskierter Mann stürmte damals mit dem Ruf "Wo ist Sysojew?" in den Gottesdienst, schoss auf den Priester und einen Messdiener. Wie sich herausstellte, hatte Sysojew mehrere Motddrohungen erhalten und sich deshalb an den Geheimdienst FSB gewandt.

Sysojew war als Missionar und als passionierter Blogger über die Grenzen seiner Gemeinde hinaus bekannt. Er hatte insbesondere unter Muslimen missioniert und damit den Unmut islamischer Glaubensgemeinschaften hervorgerufen. In Moskau leben seit dem Wirtschaftsboom des letzten Jahrzehntes viele Muslime aus den ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens. Vor allem aber gibt es unter russischen Staatsbürgern traditionell Muslime, vor allem in Tatarstan und im Kaukasus. Den Frieden zwischen den Religionsgruppen zu wahren, gilt deshalb als wichtige Aufgabe des Staates. Mit ihr wird ein scharfes Gesetz gegen "extremistische" Äußerun" gen gerechtfertigt.

Gegen Sysojews eigene Publikationen kam dies freilich nicht zur Anwendung, obwohl eine muslimische Journalistin vor knapp zwei Jahren Anzeige gestellt hatte. In Texten wie "Ehe mit einem Muslim" oder "Spaziergänge mit einem Protestanten" beschied Sysojew seinen Lesern, dass Muslime ausnahmslos in die Hölle kämen und Mohammed ein falscher Prophet sei, inspiriert vom Teufel. Besonders die Muslime des Kaukasus hatte Sysojew heftigst erzürnt mit den Worten, sie seien "Nachfolger jener Feiglinge, die sich einst vom Glauben ihrer Vorväter lossagten". Rechtsradikale, fremdenfeindliche Gruppen wie die "Bewegung gegen illegale Einwanderung" DPNI und die "Slawische Union" haben bereits eine Prämie ausgeschrieben für Hinweise auf den Täter. Einige Rechtsradikale berufen sich aufdas orthodoxe Christentum. Vertreter der russischen Muslime - etwa der Mufti-Rat - verurteilten den Mord an Sysojew.