29.11.2009

Schweiz: Nein zum Minarett beim Volksentscheid

Minarettverbot spaltet die Schweiz

Schweiz: Nein zum Minarett beim Volksentscheid

Minarettverbot spaltet die Schweiz

 

29.11.2009 | 18:27 |  (Die Presse)

57 Prozent stimmten gegen den Bau von Gebetstürmen an neuen Moscheen. Bern sieht Ansehen der Schweiz in Gefahr und bemüht sich um Schadensbegrenzung.

Wien/Bern (hd, ag.). Mit diesem Ergebnis haben die wenigsten gerechnet: Die Schweizer sprachen sich im Rahmen einer „Volksinitiative" am Sonntag für ein Verbot des Baus weiterer Minarette aus. Und das auch noch deutlich: Mehr als 57 Prozent stimmten dem Verbot zu. Auch die zweite Hürde, eine Mehrheit unter den Kantonen, wurde deutlich übersprungen. In allen Umfragen war der Initiative zuvor ein Scheitern prognostiziert worden.

Das Ergebnis ist nicht nur eine Schlappe für die Meinungsforscher, sondern auch für die meisten Parteien der Regierung: Sozialdemokraten, Freisinnige, Christliche Volkspartei und Bürgerliche Demokraten hatten empfohlen, mit Nein zu stimmen: Ein Minarettverbot werde im Ausland auf Unverständnis stoßen und dem Ansehen der Schweiz schaden. Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf hat zudem gemeint, ein Verbot stehe im Widerspruch zu den Menschenrechten und gefährde den religiösen Frieden.

Von dieser Linie abgewichen sind nur Teile der Schweizer Volkspartei SVP, die für ein Ja geworben haben. Aber nicht einmal die SVP mit ihrer Tradition fremdenfeindlicher Kampagnen war geschlossen für das Minarettverbot.

„Keine Parallelgesellschaft"

Widmer-Schlumpf bemühte sich am Sonntag um Schadensbegrenzung: Das Verbot sei keine Absage an die Muslime, ihre Religion und ihre Kultur, ließ sie per Kommuniqué ausrichten. Den Ausgang der Abstimmung führt sie auf Ängste vor islamistisch-fundamentalistischen Strömungen zurück. Der Religionsfrieden bleibe weiter ein „wesentliches Element des Erfolgsmodells Schweiz".

Jubel herrschte bei der SVP, deren Chef Toni Brunner ganz klar sagte, dass es nicht nur um Minarette gegangen war: „Wir wollen in der Schweiz keine Parallelgesellschaft. Wer von außerhalb kommt, muss sich an Regeln halten."

Umstritten war im Vorfeld besonders ein Plakatsujet, das für ungewohnt hitzige Diskussionen gesorgt hatte: Es zeigte eine grimmig dreinblickende, bis auf die Augenpartie schwarz verschleierte Frau, dahinter eine Schweizer Fahne, die von ebenfalls schwarzen, raketenähnlichen Minaretten durchbohrt wird. Mehrere Städte und Gemeinden haben die Aufhängung des Plakats auf öffentlichem Grund verboten, weil es diffamierend und diskriminierend sei, darunter Lausanne und Basel.

FPÖ und BZÖ applaudieren

Sieht man sich die Ergebnisse im Detail an, zeigt sich ein bekanntes Muster: Abgelehnt haben die Initiative lediglich vier Kantone, die allesamt an der Grenze zu Frankreich liegen. Die größte Mehrheit dafür lieferten traditionell konservative Kantone der Deutschschweiz, allen voran mit 71,4 Prozent Appenzell-Innerrhoden.

Applaus für das Schweizer Resultat kam von Österreichs Rechtsparteien: FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl gratulierte zu einem „zukunftsweisenden Ergebnis", sein BZÖ-Kollege Herbert Strutz forderte, in Österreich das Raumordnungsgesetz so anzupassen, dass die Errichtung von Minaretten nicht möglich sei.

In einer zweiten Abstimmung lehnten die Schweizer ein Verbot von Rüstungsexporten ab. Die Initiatoren wollten damit verhindern, dass Waffen aus der Schweiz in Bürgerkriegen und zur Tötung von Zivilisten verwendet werden.

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