29.11.2009

Schweiz: Volksabstimmung - Schweizer verbieten Bau von Minaretten

Protest gegen das Abstimmungsergebnis in Zürich

Schweiz: Volksabstimmung - Schweizer verbieten Bau von Minaretten

Protest gegen das Abstimmungsergebnis in Zürich

 

FAZ.net - 29. November 2009 - Die Volksinitiative zum Verbot neuer Minarette in der Schweiz ist überraschend angenommen werden. Auch das sogenannte Ständemehr, die Mehrheit der für die Annahme des Referendums benötigten Kantone, wurde erreicht. Das Ergebnis kommt einer Sensation gleich: In Umfragen hatten zuletzt lediglich 37 Prozent der Befragten angegeben, für ein Minarett-Verbot stimmen zu wollen.

Jetzt erreichten die Initiatoren um die Schweizerische Volkspartei (SVP) und die Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU) ihr Ziel, in die Schweizer Verfassung den Satz „Der Bau von Minaretten ist verboten" einzufügen. Dafür stimmten 57 Prozent der Teilnehmer am Referendum, dagegen 43 Prozent. Die Beteiligung lag bei 55 Prozent.

Basler und Genfer sagen „nein"

Mehrheitsfähig in der Schweiz

Auch entlang der deutsch-schweizerischen Grenze fand das Volksbegehren eine Mehrheit. Im Thurgau am Bodensee waren es 66,1 Prozent, in Schaffhausen 63,5 und im Aargau am Hochrhein 64 Prozent. Anders in Basel-Stadt: Dort kamen die Befürworter des Minarett-Verbots nur auf 48,3 Prozent der Stimmen.

Im Südwesten der Schweiz - in den Kantonen Genf, Waadt und Neuenburg - behielten die Gegner der Initiative die Oberhand: In Genf, dem Sitz vieler internationaler Organisationen, lehnten die Bürger die Initiative mit 60 Prozent deutlich ab. (Eine interaktive Karte mit den Ergebnissen der Volksabstimmung veröffentlicht die „Neue Zürcher Zeitung")

Bedauern bei Arbeitgebern und Gewerkschaften

Der Schweizerische Arbeitgeberverband drückte in einer ersten Stellungnahme sein Bedauern aus: „Damit wird der Ruf der Schweiz als offenes und tolerantes Land beschädigt mit negativen Folgen für die Wirtschaft." Auch der Schweizerische Evangelische Kirchenbund sieht im Abstimmungsergebnis eine Belastung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, während die Föderation Islamischer Dachverbände in der Schweiz von nicht absehbaren negativen gesellschaftlichen und juristischen Auswirkungen sprach.

Das Schweizerische Forum für die Integration von Migrantinnen und Migranten (FIMM) und die Gewerkschaft Unia bedauerten die Annahme der Minarett-Initiative. Den fremdenfeindlichen Kräften sei es gelungen, eine Mehrheit der Stimmberechtigten mit ihrer Angstkampagne zu überzeugen, hieß es am Sonntag. Die Bemühungen um Integration und interkulturelle Öffnung in der Schweiz hätten damit einen Rückschlag erlitten.

Die Sozialdemokratische Partei (SP) warnte vor einer Ausgrenzung von Muslimen in der Schweiz. Das Ja bei der Volksinitiative sei vermutlich aus einem diffusen Gefühl der Angst vor einer religiösen Minderheit heraus entstanden, erklärte die Partei. Dies müsse ernst genommen werden, das Abstimmungsergebnis dürfe aber nicht als Misstrauensvotum gegenüber allen in der Schweiz lebenden Muslimen fehlinterpretiert werden.

Grüne erwägen Gang zum Menschengerichtshof

Protest gegen das Ergebnis der Volksabstimmung in Zürich

Der in Genf lebende Islamwissenschaftler Tariq Ramadan bezeichnete das Votum als „katastrophal". Die Schweizer Grünen kündigten an, eine Anrufung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs in Straßburg zu prüfen. Sie sehen durch das Votum die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Religionsfreiheit verletzt.

Die Initiatoren hatten auf Plakaten vor einer „schleichenden Islamisierung" der Schweiz gewarnt. Das „Egerkinger Komitee", das die Initiative im Frühjahr 2007 gestartet hatte, bezeichnete Minarette als Symbol eines islamischen Machtanspruchs. Die Regierung in Bern hatte den Stimmberechtigten empfohlen, mit Nein zu votieren. Sie befürchtet, ein Minarett-Verbot werde „im Ausland auf Unverständnis stoßen und dem Ansehen der Schweiz schaden".

Außenpolitisches Problem belastet die Wirtschaft

Tatsächlich dürfte der Schweiz ein außenpolitisches Problem ins Haus stehen, das die international orientierte Wirtschaft zu belasten droht. Erst vor wenigen Monaten wurde der Steuerstreit mit den Vereinigten Staaten beigelegt. Noch nicht ausgestanden ist zudem eine Auseinandersetzung mit Libyen um zwei Schweizer, die dort festgehalten werden, nachdem Sohn und Schwiegertochter des libyschen Staatschefs Muammar Gaddafi vor einiger Zeit in Genf vorübergehend festgenommen worden waren.

Die Abstimmungsvorlage war zustande gekommen, nachdem weitere Bauanträge für Minarette an bisher unscheinbaren islamischen Gebetshäuser eingereicht worden waren. In der Schweiz leben derzeit rund 340.000 Muslime, die hauptsächlich aus dem ehemaligen Jugoslawien und aus der Türkei stammen. Von den rund 130 muslimischen Kulturzentren und Gebetsstätten verfügen aber nur vier über ein Minarett.