21.10.2009

Leitartikel: USCIRF-Vorsitzender Zeugenaussage

Zeugenaussage von Leonard A. Leo vor der Tom-Lantos-Menschenrechts-Kommission (TLHRC) bezüglich Auswirkungen der Vorlagen von „Verleumdung von Religionen"

Leitartikel: USCIRF-Vorsitzender Zeugenaussage

Zeugenaussage von Leonard A. Leo vor der Tom-Lantos-Menschenrechts-Kommission (TLHRC) bezüglich Auswirkungen der Vorlagen von „Verleumdung von Religionen"

APD/AKREF(dv/pm) Mittwoch, 21. Oktober 2009

Vielen Dank, Herr Vorsitzender, dass Sie diese Anhörung rechtzeitig zustande kommen lassen für diese wichtige Frage. Seit einigen Jahren überwacht die US-Kommission für internationale Religionsfreiheit eng die Kampagne einiger Länder, die ein globales Blasphemie-Gesetz mittels UN-Resolutionen gegen die sogenannte „Verleumdung der Religionen" schaffen wollen, und sie spricht sich klar dagegen aus.

Während sie tolerant und fortschrittlich klingen mögen, lösen diese Resolutionen nicht die wirklichen Probleme der Verfolgung und Diskriminierung, unter der die Anhänger vieler Religionen überall auf der Welt leiden. Vielmehr verschlimmern sie diese Probleme noch. Das Konzept der „Verleumdung von Religionen" treibt Intoleranz und Menschenrechtsverletzungen voran, indem es großen Spielraum für Regierungen schafft, die freie Meinungsäußerung und die Religionsfreiheit einzuschränken. Außerdem weicht das Konzept scharf vom historisch begründeten Ziel ab, die internationalen Menschenrechte zu schützen, indem es die Interessen auf religiöse Einrichtungen und Ansichten richtet anstatt auf die Rechte der Einzelnen.

Die Resolutionen der „Verleumdung der Religionen"  wurden jährlich von der Organisation der Islamischen Konferenz  (OIC) gesponsert, seit 1999 im UN-Rat für Menschenrechte, und seinem Vorgängergremium und seit 2005 in der Generalversammlung. Im Rat für Menschenrechte in Genf wurden diese Anstrengungen von Pakistan geführt. Ägypten hat eine führende Rolle bei den Verhandlungen in der Generalversammlung in New York gespielt. Das öffentlich dargestellte Ziel der OIC ist die Annahme einer verbindlichen internationalen Vereinbarung gegen die sogenannte „Verleumdung von Religionen".

Obwohl die „Verleumdung"-Resolutionen den Eindruck erwecken, die Religionen im allgemeinen zu schützen, sind allein der Islam als Religion und die Muslime als Religionsanhänger diejenigen, die speziell darin erwähnt werden. Abgesehen vom Islam spezifizieren die Resolutionen nicht, welche Religionen Schutz verdienen noch erklären sie, wie oder von wem diese festgelegt würden. Die Resolutionen definieren auch nicht, was eine Stellungnahme über Religionen verleumderisch macht, noch erklären sie, wer über diese Frage entscheiden soll. Was die OIC angeht, scheint es, dass sie jede Kritik, die den Islam oder Muslime angeht, als religiös verleumderisch betrachtet – eine Sichtweise, die weit über das existierende gesetzlich festgelegte Verleumdungs-Konzept hinaus geht, die Einzelne gegen Behauptungen falscher Tatsachen, die ihren Ruf und ihren Lebensunterhalt schädigen, schützt.

Im blick auf Staatspraktiken gibt es kein universelles internationales Verständnis von „Verleumdung von Religionen". Der oberste UN-Beauftragte für Menschenrechte führte 2008 eine Untersuchung durch und fand heraus, dass es keine gemeinsame Verständigung über das Konzept gibt zwischen den Ländern, die von sich sagten, sie hätten Gesetze, die diese Fragestellung regelten. Stattdessen zeigten die unter die Lupe genommenen Gesetze, dass „sie sich an unterschiedliche Phänomena richteten und brachten auch unterschiedliche Ausdrücke zur Verwendung wie zum Beispiel Verachtung, Spott, Frevel und Respektlosigkeit, um „Verleumdung" näher zu bestimmen."

Was sollen wir also schließen aus diesem engen Focus auf den Islam und der Mehrdeutigkeit des zutreffenden legalen Standards? Was die Kommission angeht, so signalisiert sie, dass die Resolutionen der „Verleumdung von Religionen" nichts sind als ein verschleierter Versuch, die repressiven Blasphemie-Gesetze, die in einigen OIC-Ländern vorhanden sind, auf ein internationales Niveau zu exportieren. Unter diesen Gesetzen können Strafanträge gegen Einzelne erhoben werden wegen Diffamierung, Verunglimpfung, Beleidigung, des verbalen Angriffs, der Herabsetzung und Blasphemie gegen den Islam, was oft schwere Menschenrechtsverletzungen zur Folge hat. Zum Beispiel bezeichnet das Gesetz in Pakistan Blasphemie gegen den Islam als Kriminalvergehen, das rigoros bestraft werden muss, einschließlich Todesstrafe. Extremisten haben diese umfassenden Vorkehrungen dazu missbraucht, um Mitglieder religiöser Minderheiten einzuschüchtern, einschließlich Mitgliedern der etwas missbilligend betrachteten Minderheit muslimischer Sekten und anderer, mit denen sie nicht einverstanden sind, und einige Skrupellose betrachteten sie als nützliche Werkzeuge, um „alte Rechnungen zu begleichen". In Pakistan führten oft gefälschte Blasphemie-Anschuldigungen zu Inhaftierungen auf Grund der Religionszugehörigkeit oder des Glaubens, sowie zu Lynchjustiz und Gewalttaten, die zum Tod von Angeschuldigten führten.

Die Resolutionen „Verleumdung von Religionen" kommen gewöhnlich vor die UN-Generalversammlung im Herbst und vor den UN-Menschenrechts-Rat im Frühling, und sie sollen weiterhin jedes Jahr von beiden Gremien verabschiedet werden. Aber es gibt auch gute Neuigkeiten zu berichten: Die internationale Gemeinschaft beginnt – obwohl ich das „beginnt" betonen muss – die Probleme mit diesen Resolutionen zu verstehen. Die letzten drei Male nahmen die Ja-Stimmen für die Resolution von anfänglich einer absoluten Mehrheit zu einer einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen ab. Bei den Sitzungen des Menschenrechts-Rates waren sowohl im März 2008 als auch im März 2009, ebenso bei der Generalversammlung im Dezember 2008 die gesamte Anzahl an Nein-Stimmen und Enthaltungen den Ja-Stimmen überlegen, dennoch wurden die Resolutionen verabschiedet. Die Kommission hofft, dass dieser Trend anhält, wenn die erwartete „Verleumdung von Religionen"-Resolution vor die Generalversammlung später in diesem Herbst kommt. Um dies zu erreichen arbeiten wir an einigen Fronten, einschließlich mit verschiedenen Kongressmitgliedern, um UN-Mitgliedsstaten zu ermutigen, gegen diese Resolution zu stimmen. Die Kommission begrüßte Sekretär Clintons letzte Bemerkungen in New York, die die bleibende Opposition der Vereinigten Staaten gegen diese Resolutionen bestärkte, und wir drängen das State-Department, nachdrücklich weiterhin alle Regierungen dahin zu bewegen, mit NEIN zu stimmen.

Wie jeder geschickte Taktiker, der ein Erwachen an Unterstützung entdeckt, fächert die OIC ihre Bemühungen, bestimmte Redeformen zu verbieten, indem sie andere Foren sucht und ihre Ziele durch eine andere Sprache tarnt. Die OIC versuchte – scheiterte aber darin -, einen Passus gegen die „Verleumdung von Religionen" im Ergebnisdokument der Durban Review-Konferenz vom April 2009 einzusetzen. Stattdessen wurde ein Kompromiss erreicht, und ein Absatz eingefügt, der „die Benachteiligung und Stereotypisierung und Stigmatisierung von Personen aufgrund ihrer Religion oder ihres Glaubens" verurteilt. Das ist eine bessere Annäherungsweise, da es auf Einzelpersonen gerichtet ist und nicht auf „Religionen", und weil es nicht mit  gesetzlichen Verboten oder Bestrafungen verbunden war.

Die OIC hat auch versucht, das Konzept der „Verleumdung von Religionen" in UN-Resolutionen, die mit freier Meinungsäußerung zu tun haben, einzubinden. Bei der letzten Sitzung des UN-Menschenrechts-Rates arbeiteten die Vereinigten Staaten mit Ägypten zusammen, um gemeinsam einen Kompromiss bezüglich der Resolution zur freien Meinungsäußerung zu sponsern, der darauf zielte, eine gemeinsame Basis zu finden zwischen den Befürwortern und den Gegnern der Resolutionen. Genauso wie das Durban II Dokument erwähnt diese Resolution nicht die „Verleumdung von Religionen", sondern fokussiert auf negative religiöse Stereotypisierung, während es den Focus genau auf Einzelpersonen richtet und nicht auf Glaubenssysteme. Es beruft sich auch nicht auf irgendwelche Gesetze gegen solche Stereotypisierung, sondern drückt stattdessen Besorgnis darüber aus.

Jedoch waren viele  Menschenrechtler überrascht vom Co-Sponsoring der Vereinigten Staaten bei dieser Resolution, da es jegliche „Fürsprache von nationalem, rassistischem oder religiösem Hass, der zur  Diskriminierung, Feindseligkeit oder Kriminalität führt" verurteilt, und sie riefen Staaten auf, „effektive Maßnahmen zu ergreifen, die mit ihren Verpflichtungen im Blick auf die  internationalen Menschenrechten bestehen", um solche Fürsprache anzusprechen. Da ich gerade von einer solchen Kommissions-Delegation zur Europäischen Union und dem Heiligen Stuhl zurückkomme, weiß ich, dass viele von unseren EU-Partnern ebenso überrascht waren. Die Sprache von der Propagierung des Hasses und als Gegenstand der Aufwiegelung ist vom Artikel 20 (2) der internationalen Civil- und Staatsrecht (ICCPR) genommen. Artikel 20 (2) verlangt auch von den Staaten, Gesetze gegen solche Aufwiegelung zu erlassen, ein Erfordernis, auf welches die Vereinigten Staaten einen Vorbehalt zur Ausbreitung platziert haben, weil sie die Garantie der freien Meinungsäußerung wie sie in den USA im Grundgestz verankert ist, verletzen würde. Sicherlich, die US/Ägyptische Resolution verlangt nicht ausdrücklich gesetzliche Verbote, und die USA verstößt deshalb nicht gegen ihren Vorbehalt, und die Vereinigten Staaten haben schon vorher die UN-Resolutionen bezüglich religiöser Intoleranz und Diskriminierung unterstützt, die Aufwiegelung verdammten, aber sie verlangten keine Gesetze dagegen.

Jedoch wird die lage in der Kommission so eingeschätzt, dass der Sprachgebrauch „Aufwiegelung" ein Trojanisches Pferd für die Anstrengungen um die „Verleumdung der Menschenrechte" ist. Die Vereinigten Staaten und andere Anhänger der freien Meinungsäußerung müssen deshalb wachsam seingegen Versuche die „ Verleumdung der Menschenrechte" und die „Aufwiegelung" aus Artikel 20 (2) zu verschmelzen. Über das intensive Suchen einer neuen Blasphemie-Norm hinaus durch die „Verleumdungs"-Resolutionen hat die OIC in verschiedenen UN-Kontexten argumentiert, dass unter Bezug auf ICCPR-Artikel 20 (2) Rede, die Religionen beleidigt oder kritisiert bereits unter den existierenden internationalen Gesetzesnormen gegen Aufwiegelung verboten ist.

Artikel 20 (2) war schon immer und sollte es auch bleiben eine begrenzte Ausnahme für die fundamentale individuelle Meinungs- und Religionsfreiheit, die Einzelpersonen vor Gewalt und Diskriminierung schützen sollte, und nicht, um religiöse Glaubenshaltungen vor Kritik zu schützen. Die Vereinigten Staaten sollten einsehen, dass die Anstrengungen der „Verleumdungs-Befürworter", dies in einem weiteren Sinn neu zu definieren, eine ernste Angelegenheit ist.

Nationale oder internationale Gesetze, die den Eindruck erwecken, Kritik oder „Verleumdung" von Religionen zu begrenzen, sind nicht die Lösung des wirklichen Problems von religiöser Intoleranz und Diskriminierung. In Wirklichkeit schaden solche Verbote mehr, als dass sie nützen, wie deutlich wurde durch den verübten Missbrauch von Menschenrechten in Ländern wie Pakistan. Die Vereinigten Staaten sollten weiterhin streng dagegen halten und weitere UN-Mitglieder dazu animieren zu opponieren, sowohl gegen die Resolutionen der „Verleumdung von Religionen" als auch gegen alle Anstrengungen, den Artikel 20 (2) neu zu interpretieren, um die angebliche Sprache der religiösen Verleumdung einzuschließen.

© USCIRF, Washington D.C./USA