31.10.2009

Iran: Teheran instrumentalisiert Religion

Iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi kritisiert Politik des Westens gegenüber Iran Walter Flick und Michaela Koller

Iran: Teheran instrumentalisiert Religion

Iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi kritisiert Politik des Westens gegenüber Iran

Walter Flick und Michaela Koller

 

FRANKFURT, 31. Oktober 2009 (ZENIT.org).- Die Friedensnobelpreisträgerin von 2003, Shirin Ebadi, hat am Freitag in Frankfurt zur Unterstützung der Menschenrechts- und Demokratiebewegung in ihrer iranischen Heimat aufgefordert. „Der Westen interessiert sich nur für die Kernenergie- und Kernwaffenproblematik im Iran", kritisierte sie in einem Gespräch mit Journalisten am Rande einer internationalen Konferenz, zu der die Frankfurter Rechtsanwaltskammer eingeladen hatte. Die iranische Rechtsanwältin und Menschenrechtlerin stellte fest, dass international das Thema Menschenrechte im Iran nicht ausreichend Beachtung finde.

Shirin Ebadi war bei der Frankfurter Konferenz unter dem Motto „Der Einfluss der Weltreligionen auf die Rechtssysteme der Länder" eingeladen, über die „Wirkung des Islam auf das iranische Rechts- und Gerichtssystem" zu sprechen. In ihrer Rede warf sie ihrer Regierung vor, die Religion zur Durchsetzung politischer Ziele zu instrumentalisieren. Das zeige sich deutlich in der Errichtung eines „Gremiums zur Feststellung der Staatsraison", das vom religiösen Führer abhängig sei. Dessen Rechtsauslegung werde in der Verfassung eine bestimmende Rolle im Rechtssystem des Iran zugewiesen. Die einzige Lösung für die Probleme in ihrem Land sieht Ebadi in freien, demokratischen Wahlen.

Nach den Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 sind über 3.000 Personen wegen friedlicher Proteste gegen die Wahl verhaftet und einige zu Tode gefoltert worden. Das Regime habe Ebadis Analyse zufolge in der Bevölkerung stark an Unterstützung verloren. Widerstand gegen das Atomprogramm zeichne sich ab. Auch andere Faktoren schwächten die Position der Regierung: „Die Frauendiskriminierung ist weiter an der Tagesordnung", stellte Ebadi fest. Eine Frau habe nur den halben Wert eines Mannes, was etwa bei Schadensersatzleistungen und Aussagen vor Gericht deutlich werde. Das Regime plane zudem, die Hinrichtung von Abtrünnigen aus dem Islam im Strafrecht ausdrücklich vorzuschreiben. Ihre Kanzlei betreut selbst ehemalige Muslime als Mandanten, sagte sie auf Anfrage von ZENIT. Schon jetzt sei der Iran weltweit Nummer Eins bei Hinrichtungen von Minderjährigen.

Erkenntnissen der in Frankfurt ansässigen Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) zufolge, befinden sich seit März dieses Jahres die beiden Konvertitinnen zum Christentum, Maryam Rostampour (27) und Marzieh Esmaeilabad (30), im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis in Haft. Ende Juli 2009 wurden in den Städten Rasht und Anameh insgesamt 32 Konvertiten aus dem Islam festgenommen, acht davon werden weiter in Haft gehalten. Inoffizielles Vorgehen von staatlichen und halbstaatlichen Organen gegen Andersdenkende ist aber bei weitem häufiger. Systematische Folter, Hinrichtungen wegen konstruierter Vorwürfe, wie etwa Prostitution, staatliche Morde und das Verschwindenlassen von Konvertiten und Bürgerrechtlern werden systematisch eingesetzt.

Die Frankfurter Rechtsanwaltskammer hatte erstmals zu einer internationalen und hochkarätig besetzten Konferenz eingeladen, die am Samstag in der Stadt der Paulskirche zu Ende ging. Religions- und Rechtsgelehrte aus der islamischen, hinduistischen, buddhistischen, chinesisch-konfuzianischen, shintoistischen, jüdischen und christlichen Kultur waren dazu aus 15 Ländern angereist. Auch Papst Benedikt XVI. erbat den „Teilnehmern Gottes reichen Segen." Im Rahmen der Veranstaltung erhielt die Menschenrechtsaktivistin Njeri Kabeberi aus Kenia, Direktorin des Zentrums für Mehrparteiendemokratie, in Anerkennung ihres Einsatzes für Recht und Gerechtigkeit den Humanitätspreis der Frankfurter Rechtsanwaltskammer.

Co-Autor Walter Flick ist Referent für Religionsfreiheit bei der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt/Main.