03.12.2010

Deutschland: Gewaltbereitschaft junger Muslime

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder muss in Berlin zwei von ihr selbst in Auftrag gegebene Studien vorstellen, die die ministerielle These nur bedingt stützen.

Die CDU-Politikerin lässt Forscher ihre These vom Islam als Ursache für Gewalt prüfen, doch die finden keine Belege. Tatsächlich ist es ein Bündel von Faktoren die zusammenspielen, wenn junge Migranten gewalttätig sind.

Gestern war kein guter Tag für Bundesfamilienministerin Kristina Schröder: Noch am Morgen hatte die CDU-Politikerin sich im Wiesbadener Kurier mit einer ihrer Lieblingsthesen zitieren lassen – dass nämlich die höhere Gewaltbereitschaft junger Muslime vor allem religiös-kulturelle Gründe habe: „Soziale Benachteiligung und Diskriminierung sind wichtige Faktoren, reichen aber nicht als Erklärung“, sagte Schröder ihrem Heimatblatt. Am späten Vormittag dann, in Berlin, musste die Ministerin zwei von ihr selbst in Auftrag gegebene Studien vorstellen, die die ministerielle These nur bedingt stützen.

Eindeutige Zahlen, die einen Zusammenhang zwischen muslimischer Religion und Gewaltbereitschaft belegen könnten, präsentierten die Forscher nicht. „Es gibt keine Zahl, wonach Muslime eine höhere Gewaltbereitschaft haben“, sagte der Dortmunder Erziehungswissenschaftler Ahmet Toprak. Muslimische Jugendliche würden meist nur dann anfällig für religiös bedingte Männlichkeitsbilder, wenn ihre soziale und wirtschaftliche Lage prekär sei

Die Autorin der zweiten Studie für das Familienministerium, die Sozialwissenschaftlerin Sonja Haug, verwies auf eine Schülerbefragung von 2009. Darin äußerten Muslime häufiger Bereitschaft zu Gewalt als nichtmuslimische Jugendliche. Haug, die bestehende Studien auswertete, fand aber auch heraus, dass die Gewaltprävalenz bei schlecht integrierten russischen Jugendlichen höher ist als bei jungen Türken. Auch Haug kommt zu dem Schluss, dass ein Bündel von Faktoren wie Bildungsferne, Sprachdefizite, Armut, Gewalterfahrungen in der Familie und traditionelle Normen des Herkunftslandes zusammenspielen, wenn junge Migranten allzu häufig gewalttätig sind.

Neu ist das alles nicht: Viel umfangreichere Studien zum Thema liegen schon vor. Im Sommer hatten Wissenschaftler um den Hannoveraner Kriminologen Christian Pfeiffer herausgefunden, dass mit zunehmender Religiosität junger Muslime ihre Integration ab- und ihre Gewaltbereitschaft zunimmt – im Unterschied zu anderen Jugendlichen. Auch Pfeiffer betonte, dass Faktoren wie innerfamiliäre Gewalt, mangelnde Bildung und soziale Randlage ebenfalls großes Gewicht haben.

Zur Prävention regte Schröder nun an, Imame in Deutschland auszubilden. Die Entwicklung eines „deutschen Islams“ und Islam-Unterricht an Schulen seien wichtig.

F. R.