08.12.2010

Iran: Schlag gegen reformorientierte Tageszeitung "Shargh"

Drei Journalisten verhaftet, andere zusammengeschlagen - Inhaftierte Menschenrechtsverteidigerin Sotoudeh wieder im Hungerstreik

Iran: Schlag gegen reformorientierte Tageszeitung "Shargh"

Drei Journalisten verhaftet, andere zusammengeschlagen - Inhaftierte Menschenrechtsverteidigerin Sotoudeh wieder im Hungerstreik

 

Frankfurt am Main (8. Dezember 2010) - Mit roher Gewalt gingen iranische Sicherheitskräfte gegen die bedeutendste noch verbliebene reformorientierte Tageszeitung des Iran vor. Nach Informationen der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) drangen am Dienstag, den 7. Dezember, Beamte in die Redaktion der Tageszeitung "Shargh" ("Osten") ein und verhafteten ohne Angabe von Gründen drei ihrer wichtigsten Mitarbeiter - den Chefredakteur und Schriftsteller Ahmad Gholami, die Redakteurin für Außenpolitik, Farzaneh Roustaei, und den Politik-Redakteur Kayvan Mehregan. Die anderen anwesenden Journalisten wurden zusammengeschlagen.

Die Zeitung hatte, nachdem sie dreimal verboten worden war, erst am 11. April 2010 wieder ihre Arbeit aufgenommen. Ursache für die Verbote war in allen drei Fällen ihre unabhängige und kritische Berichterstattung. Im ersten Fall war der Grund die Veröffentlichung eines Briefes reformorientierter Parlamentsabgeordneter an den "Führer" der Islamischen Republik, Ali Khamenei, in dem die Verfasser den Wächterrat wegen des massenhaften Ausschlusses reformorientierter Persönlichkeiten als Kandidaten bei den Parlamentswahlen kritisierten. Im Sommer 2007 und nach der gefälschten Präsidentenwahl vom 12. Juni 2009 war die Zeitung von der iranischen Zensurbehörde erneut verboten worden.

Neuer Chefredakteur von "Shargh" nach Ahmad Gholami Verhaftung wurde Mohammad Rahmaniyan. Nach Auffassung der IGFM ist seine Zukunft ebenso ungewiss, wie die seiner verhafteten Kollegen und ihrer Zeitung. Zahlreiche Journalisten sind im Iran wegen kritischer Berichterstattung zu teils langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Nach Angaben der IGFM seien im Iran in den vergangenen Tagen und Wochen zwar einige wenige politische Gefangene aus der Haft entlassen worden. Eine bedeutend größere Zahl von Angehörigen der Demokratiebewegung sei aber neu verhaftet worden.

Iranische Menschenrechtlerin nimmt "trockenen Hungerstreik" wieder auf

Nasrin Sotoudeh, die nach Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi prominenteste iranische Menschenrechtsanwältin, hat in einem Telefongespräch aus dem Gefängnis ihrem Mann am 6. Dezember mitteilen können, dass sie ihren "trockenen Hungerstreik" wieder aufgenommen habe, sie also Nahrung und Flüssigkeit verweigere.

Nach Angaben der IGFM wird Nasrin Sotoudeh, eine Leitfigur der iranischen Demokratie- und Menschenrechtsbewegung, seit dem 4. September 2010 im berüchtigten Evin-Gefängnis in der vom Geheimdienst kontrollierten Abteilung 209 gefangen gehalten. Aus Protest gegen die Missachtung iranischer Gesetze durch die Behörden war sie bereits mehrmals in Hungerstreiks getreten. Die Anwältin magerte auf ca. 40 kg Gewicht ab und trug vor wenigen Tagen großflächige Blutergüsse im Gesicht.

Im Telefongespräch mit ihrem Ehemann Reza Khandan hatte sie die Möglichkeit, ihren Entschluss zu begründen: Ihre Untersuchungshaft ist um weitere 95 Tage verlängert worden, obwohl offiziell kein Haftgrund vorliegt. Zwölf Schreiben und Plädoyers seien aus ihren Akten verschwunden, ihre Rechtsanwälte sind während der Gerichtsverhandlung bedroht worden. Außerdem würden ihr willkürlich neue Beschränkungen auferlegt. So gäbe es unter anderem ein Besuchsverbot für ihre Kinder, auch würden ihr Papier und Schreibmöglichkeiten verweigert.

Die zweite und bisher letzte Verhandlung gegen Nasrin Sotoudeh fand nach zwei Vertagungen am 28. November 2010 unter Richter Pir-Abbasi von der Abteilung 26 des Teheraner Islamischen Revolutionsgerichtes statt. Laut Gericht sollte das Urteil innerhalb von sieben Tagen verkündet werden.

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