18.02.2010

Algerien: Spannungen wegen Einschränkung der Religionsfreiheit

Erzbischof von Algier fordert Rücknahme des präsidialen Erlasses Michaela Koller

Algerien: Spannungen wegen Einschränkung der Religionsfreiheit

Erzbischof von Algier fordert Rücknahme des präsidialen Erlasses

Michaela Koller

ALGIER, 18. Februar 2010 (ZENIT.org).- In Algerien sind weitere Spannungen um die Einschränkung der Religionsfreiheit entbrannt. Wie der ägyptische Jesuitenpater Samir Khalil Samir in Asianews schreibt, fordert Erzbischof Ghaleb Moussa Abdallah Bader von Algier die Aufhebung von Beschränkungen der Glaubensausübung für Nicht-Muslime. "Warum sollen wir zum Normalzustand zurückkehren? Ist es nicht Zeit für eine neue Überprüfung, wenn nicht gar eine Abschaffung der Regelung," fragte der Hirte bei einem Treffen mit dem algerischen Religionsminister Abdallah Ghoulamallah Ende vergangener Woche.

Seit drei Jahren werde die religiöse Praxis der Christen durch die Regierung streng überwacht, berichtet Pater Samir. Seitens der Politik heiße es zwar, dass die Bestimmungen nicht gegen die christliche Minderheit gerichtet sei, aber sie wirke sich faktisch nur auf diese aus. Die Tagung mit dem Religionsminister und dem Erzbischof, an der auch drei weitere algerische Bischöfe sowie Vertreter des französischen Klerus teilnahmen, stand unter dem Motto „Freiheit für die Glaubensausübung, zwischen Gottes Gesetz und positivem Recht". „Es ist höchste Zeit, dass jedem erlaubt wird, Gewissensfreiheit zu genießen und nicht nur Freiheit der Glaubenspraxis", kritisiert Pater Samir den Ansatz der Konferenz.

Offenbar war nicht nur der Titel umstritten: Samirs Einschätzung zufolge war Religionsminister Ghoulamallah von den Forderungen des Erzbischofs so aufgebracht, dass er ihn darauf verwies, sich an seinen Vorgängern, insbesondere Erzbischof Henri Teissier, ein Beispiel zu nehmen, „die niemals die Realität und die Gesetze in frage stellten und dem algerischen Volk nahe standen". „Wir können darüber nur entsetzt sein zu sehen, wie ein Minister einen Bischof belehrt", kommentiert der Jesuit den Vorgang. Erzbischof Ghaleb Bader, der jordanischer Abstammung ist, leitet seine Diözese seit Juli 2008. Erst seit Endphase der Amtszeit seines Vorgängers Teissier wurde die Religionsfreiheit zunehmend eingeschränkt. Im Vergleich zu anderen arabischen Ländern war diese vorher, zumindest staatlicherseits, weitgehend garantiert.

„Würden die islamischen Projekte hier die Oberhand gewinnen, dann wäre das das Ende", sagte Erzbischof Henri Teissier noch 2003 in einem Interview mit deutschen Medien über Gefahren für die Religionsfreiheit. Schleichend ist es nun offenbar so gekommen. Eine Entwicklung, die auch in der Türkei und in Ägypten zu beobachten ist, zeigt sich in der ehemaligen französischen Kolonie Algerien: Um Islamisten zu integrieren, werden einige ihrer Anliegen, so sie denn nicht das Machtgefüge infrage stellen, politisch umgesetzt.

Um sich mit gewaltbereiten Muslimen zu versöhnen, schränkte Staatspräsident Abd al-Aziz Bouteflika Anfang 2006 deshalb die Religionsfreiheit von Nicht-Muslimen per Erlass ein. Versammlungen von Christen werden seither so strikt kontrolliert wie das Predigen, Spendenflüsse vom Ausland sind weitgehend eingeschränkt und die Mission unter Muslimen ist strengstens untersagt, wobei der Missionsbegriff weit ausgelegt werden kann. „Es ist gut, dass der Bischof Algiers, dem Beispiel Papst Benedikts XVI. folgend, den Mut hatte, jedem mitzuteilen, leise, aber mit Entschlossenheit und Klarheit, dass die Religionsfreiheit so grundlegend bleibt wie die Freiheit des Gewissen und die Gleichheit der Bürger", ist deshalb Pater Samir überzeugt.

In Algerien sind die 22.500 Christen hauptsächlich unter Berbern sowie unter schwarzafrikanischen Migranten zu finden. Zu den staatlichen Einschränkungen kommen noch Repressionen und Angriffe durch Islamisten hinzu, wie die Brandschatzung in der Nacht vom 9. auf den 10. Januar an der protestantischen Tafatkirche im nordalgerischen Tizi Ouzou, wo viele Berber leben, wieder zeigte.