23.02.2010

Syrien: Diskriminierung christlicher Minderheit

Die Eingeschlossenen von Maalula - In zwei syrischen Dörfern darf die aramäische Schrift nicht mehr verwendet werden

Syrien: Diskriminierung christlicher Minderheit

Die Eingeschlossenen von Maalula - In zwei syrischen Dörfern darf die aramäische Schrift nicht mehr verwendet werden

FAZ / Wolfgang Günter Lerch - 23.02.2010 - FRANKFURT, im Februar. Lange galt Syrien als ein nahöstliches Land, in dem gegenüber den religiösen Minderheiten, besonders den Christen, Toleranz gepflegt wurde. Doch in letzter Zeit sind daran Zweifel aufgekommen. Ursachen dafür sind unter anderem Berichte, nach denen die Aramäer im AntiLibanon Restriktionen ausgesetzt sind. In den beiden Bergdörfern Maalula und Dschubbadin nordwestlich von Damaskus wird von der christlichen Bevölkerung bis heute das Neuwestaramäische gesprochen und geschrieben, eine Spätform des Aramäischen, das vor 2000 Jahren auch Jesus als Muttersprache sprach. Nicht zuletzt deswegen und wegen der beiden Klöster in Maalula, die der heiligen Thekla und dem heiligen Sergius geweiht sind wird die Region immer wieder von Touristen und Forschern aufgesucht.

In Maalula mussten die Mitarbeiter der beiden Abteien Mar Thekla und Mar Sarkis sowie die Kioskbesitzer alle Bücher, Postkarten, Devotionalien und Ähnliches entfernen, die in der aramäischen Schrift abgefasst oder auch nur mit Aufschriften in aramäischer Schrift versehen waren. Die offizielle Begründung der Anordnung lautete, die in Maalula gebräuchliche aramäische Schrift sei der hebräischen, die in Israel Verwendung findet, sehr ähnlich. Offiziell befindet sich Syrien noch immer im Krieg mit Israel. Die Anordnung soll auf den syrischen Geheimdienst zurückgehen. Das ohnehin vom Aussterben bedrohte Neuwestaramäische der Dörfer wäre durch ein Verbot der Schrift noch stärker bedroht als zuvor, da seine Sprecher auf die bloße Mündlichkeit zurückgeworfen wären. Viele Aramäer wollen Maalula verlassen, heißt es.

Seit vielen Jahren schon halten Sprachforscher und Orientalisten die verschiedenen Ausprägungen des Aramäischen und SyrischAramäischen (Syriac) fest. Die christlichen Gemeinden zwischen Syrien, der Südosttürkei und dem Irak, die diese Sprache und ihre Dialekte (im türkischen Tur Abdin zum Beispiel das Turoyo) im Alltag sprechen oder als Liturgiesprache in den Gottesdiensten verwenden, sind durch die politischen und kriegerischen Ereignisse unter Druck geraten. Viele Aramäer und Süryani aus der Türkei haben in den vergangenen Jahrzehnten ihre Heimat in Richtung Europa verlassen, im Irak vor allem nach dem Einmarsch der Amerikaner und Briten.

Das Aramäische gehört, wie das Altsyrische, das Arabische mit seinen zahlreichen nordund südarabischen Dialekten und das schon in vorchristlicher Zeit ausgestorbene BabylonischAkkadische der großen Gruppe der semitischen Sprachen an. In der Antike war Aramäisch eine Weltsprache, zeitweilig so verbreitet wie das Griechische. In Palästina und Syrien zur Zeit Jesu sprachen große Teile der Bevölkerung Aramäisch, die Gebildeten zusätzlich die griechische Umgangssprache (koine). Als sogenanntes Reichsaramäisch fand das Aramäische sogar lange Zeit Verwendung im Weltreich der Perser.