17.01.2010

Malaysia: Kirchen werden im Aufruhr angegriffen

AKREF/DV/PM 17.01.2010 - Wie die Agence France-Presse am 10. Januar 2010 berichtete (Seth Mydans), müssen sich malaysische Christen der Metro Tabernacle Gemeinde zum Gebet an einem provisorischen Ort sammeln, nachdem ihre Kirche von unbekannten Angreifern in Kuala Lumpur in Flammen gesetzt worden war.

Ein Aufschrei unter Muslimen in Malaysia wegen des Gebrauchs des Gottesnamens "Allah" durch Christen verbreitete sich über das Wochenende begleitet von Brandsätzen auf einige Kirchen, was eine wachsende Spannung in einer Zeit von politischen Turbulenzen zur Folge hat.

Von den Kirchen, die angegriffen wurden, hatte die Metro Tabernacle erhebliche Schäden erlitten. Es gab aber keine Verletzte. Brandstifter trafen drei Kirchen und eine Kloster-Schule am frühen Sonntagmorgen, während eine andere Kirche mit schwarzer Farbe verunstaltet wurde. Dies folgte auf die Brandanschläge auf vier andere Kirchen am Freitag und Samstag. Verletzte gab es auch hier nicht. Eine Kirche, die Metro Tabernacle in der Hauptstadt Kuala Lumpur, wurde total zerstört.

Die Angriffe haben wie nichts zuvor in Malaysia das Land erschüttert, wo viele Muslime erzürnt sind über einen am 31. Dezember gefassten Gerichtsbeschluss, der ein Verbot der Regierung umstieß, den Gebrauch des Wortes Allah für den christlichen Gott zu zu lassen. Obwohl dieser Gebrauch in vielen Ländern gemeinsam ist, wo arabisch- und malaysisch-sprachige Bibeln Jesus als den "Sohns Allahs" bezeichnen, bestehen viele Muslime darauf, dass diese Bezeichnung allein dem Gott des Islam gehöre, und sorgen sich, dass dessen Gebrauch durch andere Religionsgemeinschaften muslimische Gläubige irre führen könnte.

Dieser Streit wird von einigen Beobachtern als ein politischer Schachzug betrachtet, da die Regierungspartei alles daran setzt, ihre schwindende Dominanz nach Rückschlägen in National- und Staatswahlen im März 2008 zu halten.

Einige Beobachter und Politiker beschuldigen den Premierminister Najib Razak der Thematisierung von ethnischen und religiösen Angelegenheiten, weil er offensichtlich versucht, seine Basis unter den ethnischen Malaien zu solidarisieren. In einem schwierigen Balanceakt muss er ebenso ethnische Chinesen als auch Inder zu umwerben versuchen, deren Opposition zur Niederlage seiner Partei 2008 beisteuerte.

"Der politische Wettbewerb ist viel intensiver", sagte Elizabeth Wong, eine ranghohe Beamtin, die Mitglied der Oppositionspartei Keadilan Rakyat ist. "In Malaysia wird das zentrale Thema immer die Malaysische Identität und der Islam sein. Die Parteien bringen viele verschiedene politische Themen oder Meinungen zur Sprache, um an die muslimischen, ethnisch malaysischen Wähler zu appellieren."

Herr Najib verdammte die Gewalt, indem er sagte, die Regierung "würde alles unternehmen, um solche Vorkommnisse zu vermeiden". Dagegen in einem Interview deutete Anwar Ibrahim, der Haupt-Oppositionelle an, dass die Regierung hinter den laufendenden Spannungen stehe. "Dies ist deren letzte Hoffnung - rassistische und religiöse Gefühle aufzuwiegeln, um bei den nächsten Wahlen wieder an die Macht zu kommen", sagte er. "Sofort nach der katastrophalen Niederlage bei der Wahl im März 2008 entfachten sie das hier."

Die Regierung hat nun gegen den Gerichtsbeschluss Berufung eingelegt und eine einstweilige Verfügung erwirkt.

Der Streit eskalierte in eine nationsweite Konfrontation durch zunächst kleine Demonstrationen in Moscheen und eine leidenschaftliche Protestwelle im Internet. Die Spannungen erschüttern einen Staat mit vielen Volksgruppen und -rassen, der seither versucht hatte, Harmonie unter den Bürgern aufrechtzuerhalten: Muslimische Malaysier, die 60 % der Bevölkerung ausmachen, und eine Minderheit von Chinesen und Indern, die hauptsächlich Christen, Hindus oder Buddhisten sind. Etwa 9 % der Malaysischen Bevölkerung der 28 Millionen Menschen sind Christen, meist Chinesen oder Inder. Beobachter sagen, dies sei die erste offene Konfrontation zwischen Muslimen und Christen im Land. Aber die Rassen wurden das “Hauptnahrungsmittel” des politischen Diskurses in den letzten Jahren, und Religion war sein “Transportmittel”, sagte Ooi Kee Beng, ein Schüler im Institut für Südöstliche Studien in Singapur. "Die Religion wurde ein immer nützlicheres Werkzeug für die Parteien, die davon abhängig sind, mit der ethnischen Spaltung zu spielen," sagte Herr Ooi. "Sie finden es schwierig, über Rassenfragen zu reden, dafür aber für möglich, über Religionsfragen zu reden. Wir sehen dies als Ergebnis politischen Opportunismus über die letzten zwei Jahrzehnte."

Die Linie zwischen Rasse und Religion ist verschwommen in einem Land, wo das Grundgesetz Muslimische und Malaysische Identität gleichsetzt, sagte Jacqueline Ann Surin, Herausgeberin des "Nut Graph", einer Malaysischen analytischen Zeitung. Sie sagte, "Malaysia ist eigentümlich darin, dass wir eine auf Rassen basierende Potlik haben. Über das letzte Jahrzehnt beobachten wir eine Eskalation dieser Meinung, dass malaiische Malaysia-Bürger überlegen sind," sagte sie. Dies wurde am deutlichsten durch übereinstimmende Untersuchungen der U.M.N.O.-Leiterschaft, die die Idee der "ketuanan Melayu" oder malaiischen Überlegenheit unterstützen will. Die Vereinigte Malaysische Nationale Organisation ist die Regierungspartei. "Somit ist es ein logischer Fortschritt, dass, wenn das Malaiische seitens der Regierung allen anderen in Malaysia gegenüber als überlegen betrachtet wird, dann wird auch der Islam als überlegen gegenüber anderen Religionen betrachtet werden," sagte sie.

In einer oft zitierten Rede, die am Donnerstag gegeben wurde, sagte Razaleigh Hamzah, ein ehemaliger Finanzminister, “die Regierungspartei, gegründet auf der Formel der Machtteilung unter den Ethnien, sei erstarrt in einem ewigen Rassenvertrag, einem Modell, das auf jeder Ebene nationalen Lebens zum Zuge kommt." Er nannte die Wahl 2008 "einen Wendepunkt in der Politik Malaysias", da die regierende Barisan Nasional Coalition ihre dominierende zweidrittel-Mehrheit im Parlament, und somit auch fünf Staaten an die Opposition verlor. Die gesamte politische Landschaft hat sich über Nacht verändert, meinte Herr Hamzah, was die ehemals unbesiegbare Malay-basierende Partei ihre Wahlbasis und politischen Gedankengänge neu zu definieren verpflichtet. Die politische Unsicherheit kommt gegen den Hintergrund einer nachlassenden Wirtschaft in einem Land, das einmal Ambitionen hatte, die Wirtschaft Südostasiens anzuführen.

Ahmad Husni Handzlah, der zweithöchste Finanzbeamte, sagte in einer Rede im Dezember: "Unsere Wirtschaft stagnierte im letzten Jahrzehnt. Wir haben in vielen Wirtschaftsbereichen unseren wettbewerbsfähigen Vorteil verloren, der Führer unter den Wettbewerberstaaten zu sein. Unsere privaten Investitionen nahmen ständig ab." Er rief zu einem Wechsel des Wirtschaftssystems auf, der die Malaien bevorzugen würde, indem er sagte, dass allen Malaysiern die "gleiche Möglichkeit zur Teilnahme am Wirtschaftsleben" gegeben werden sollte. Zur selben Zeit hatte das Land einen Aufschwung in Sachen politischer Islam, parallel zu den ethnischen und religiösen Spannungen.

Hindus haben gegen die Zerstörung einiger Tempel protestiert, und im November stellten Muslime einen abgetrennten Kuhkopf zu Schau in den Straßen von Shah Alam, der Hauptstadt von Selagor State, um gegen die Konstruktion eines neuen Tempels zu protestieren. Am Neujahrstag nahm die Islamische Moralpolizei 52 unverheiratete Paare in Budget-Hotels fest - hauptsächlich Studenten und junge Fabrikarbeiter - die unter dem Verdacht standen, gegen das Verbot der “(geschlechtlichen) Annäherung” verstoßen zu haben..

Letztes Jahr wurde eine muslimische Frau zu öffentlichen Rutenschlägen verurteilt, weil sie in einem Hotel Bier getrunken hatte. Das Urteil wurde noch nicht ausgeführt, da die Bevollmächtigten sagen, dass sie keine Frau kennen, die die Rutenschläge ausführen könnte.

Inmitten dieser Atmosphäre besteht die Gefahr, dass der Aufruhr über religiös geladene Sprache sich selbst ernähren könnte, sagt Marina Mahathir, die Tochter des Premierministers Mahathir Mohamad, die als Kolumnistin einer Zeitung und als soziale Aktivistin tätig ist. Sie sagte in einem Interview, es seien nur ein paar wenige Leute, die darüber (d.h. über den Gebrauch von “Allah” - Anm.d.Red.) aufgebracht seien, während beim Rest des Landes das Leben ganz normal weitergehe. Wenn jedoch diese wenigen weiter schüren und man diesen Leuten den Spielraum dazu gebe, würden früher oder später mehr und mehr Leute denken: "hey, vielleicht sollten auch wir uns darüber aufregen."