02.11.2010

50 Staaten: Christen droht Vertreibung aus Stammländern der Kirche

apa-ots.at/kathpress.at: Wenn sich die Situation der Christen im Nahen Osten nicht grundlegend verbessert, droht ihnen die völlige Vertreibung aus Regionen, in denen es seit den Anfängen der Kirche christliche Präsenz gab: Diese eindringliche Warnung verbunden mit einem Appell zur Solidarität mit den bedrängten Glaubensgeschwistern in Ländern wie dem Irak, Iran, Ägypten oder dem Libanon äußerten Fachleute aus Österreich bei einem von Christian Solidarity International (CSI) veranstalteten Pressegespräch am Freitag in Wien im Anschluss an die jüngst in Rom zu Ende gegangene Nahost-Synode. 

Der Wiener Weihbischof Franz Scharl, der syrisch-orthodoxe Chorbischof Emmanuel Aydin, KOO-Geschäftsführer Heinz Hödl und Pro Oriente-Sprecherin Pia de Simony waren sich darin einig, dass die Kirchen im Orient mehr Zusammenarbeit und ehrliche Dialogpartner im Islam brauchen. CSI-Vertreter Elmar Kuhn untermauerte den rasant anwachsenden Exodus der orientalischen Christen mit Zahlen: Im Nahen Osten sei der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung im vergangenen Jahrhundert von 20 auf zwei Prozent gesunken, im Libanon von 60 Prozent auf rund ein Drittel, in der Türkei von einem Fünftel auf unter einem Prozent. Auch auf der Nahost-Synode habe es geheißen, in 50 Jahren könnte es in vielen – vor allem muslimisch dominierten – Ländern überhaupt keine Christen mehr geben.

Der aus der Südosttürkei stammende Chorbischof Aydin bekannte, ein “Skeptiker” zu sein, was die Dialogbereitschaft des Islam betrifft. Im Koran finden sich Passagen, die zur Gewalt, ja sogar zur Ermordung von Andersgläubigen aufrufen – Aussagen, auf die sich Extremisten immer wieder beziehen. Der Islam betrachte Nichtmuslime als “unrein” und Fremdkörper in muslimisch beherrschten Ländern, und an dieser in der Lehre grundgelegten Haltung ändere auch nichts, dass es auch im Islam Vertreter gebe, die mit Christen in Frieden leben wollten.

Aydin wies darauf hin, dass im christlich-muslimischen Dialog beachtet werden müsse, dass Begriffe wie “Frieden” oder “Toleranz” im Islam nicht dasselbe bedeuteten wie im Menschenrechtsverständnis des Westens. Der Dialog beruhe somit oft auf “Täuschungen”. Sogar im religionstoleranten Österreich habe er schon unliebsame Erfahrungen mit muslimischem Anpassungsdruck gemacht, erzählte der Chorbischof: An einer von Pro Oriente jüngst in Istanbul veranstalteten Tagung habe er nach einem Anruf des türkischen Botschafters nicht teilgenommen; der Diplomat hatte durchklingen lassen, Aydins Teilnahme an einer Protestkundgebung syrisch-orthodoxer Jugendlicher könne dem Geistlichen bei der Einreise in die Türkei zum Nachteil gereichen. Der Chorbischof hofft aber, wie er sagte, im Gefolge der Nahost-Synode auf die Fürsprache von Papst Benedikt XVI., der die Politik im Sinne der verfolgten Christen positiv beeinflussen könnte. Die Synode sei eine “großartige” Initiative des Vatikans gewesen.

Weihbischof Scharl, der vor zwei Jahren im Auftrag der Bischofskonferenz eine Solidaritätsreise zu den Christen im Irak leitete, betonte, die Nahost-Synode habe einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der christlichen Identität in der Krisenregion geleistet. Vor allem der Zusammenhalt der oftmals zerstrittenen Kirchen im Orient könnte nachhaltig gefördert worden sein. Wichtiger als Analysen und Papiere sind nach den Worten Scharls konkrete Beiträge zur Existenzsicherung der verfolgten Christen.

Wie Solidarität aussehen sollte, stellte Heinz Hödl von der Koordinierungsstelle der Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission dar: Wichtig seien Begegnungs- und Pilgerreisen nach Israel und Palästina, wo die christliche Präsenz ebenfalls schwinde: “Die palästinensischen Christen sind, weil sie Christen mitten unter den Muslimen und Palästinenser gegenüber den Israelis sind, in zweifacher Weise benachteiligt”, so Hödl. Weiters solle durch konsequente Anwaltschaft und Menschenrechtsaktionen die oft ignorante Öffentlichkeit in Österreich sensibilisiert werden; und schließlich gelte es die bereits bestehende finanzielle Unterstützung fortzusetzen und auszubauen. Laut Hödl gab es im vergangenen Jahr 127 Hilfsprojekte, die mit insgesamt 3,2 Millionen Euro unterstützt wurden. Österreich müsse auch auf internationaler Ebene – etwa im UN-Sicherheitsrat oder im UN-Menschenrechtsrat – seinen Beitrag leisten, “um das Verschwinden vieler der ältesten christlichen Gemeinden der Welt zu verhindern”, unterstrich Hödl.

Pro Oriente-Sprecherin de Simony skizzierte in Vertretung des in Rom als Beobachter eingeladenen Salzburger Fachmannes für die Kirchen des Alten Orients, Prof. Dietmar Winkler, die wesentlichsten Ergebnisse der Nahost-Synode. Die Präsenz des Papstes, der weit länger selbst an der Synode teilnahm als ursprünglich geplant gewesen sei, habe das “Wir-Gefühl” zwischen der Kirche des Westens und jenen des Ostens deutlich gestärkt. Bestehende Spannungen seien bei der Synode sehr konkret benannt worden, und kontrovers sei die Grundsatzfrage diskutiert worden, ob ein Dialog mit dem Islam überhaupt möglich sei. De Simony wies darauf hin, dass von 100 wegen ihres Glaubens verfolgten Menschen weltweit 75 Christen seien. In 50 Staaten – mehrheitlich islamisch dominiert – gebe es einen regelrechten “Krieg” gegen die christlichen Minderheiten. – Link: www.csi.or.at

koptisch.wordpress.com/2010/11/02