13.10.2010

Deutschland: Ausländer- und Islamfeindlichkeit nimmt zu

Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung

Deutschland: Ausländer- und Islamfeindlichkeit nimmt zu

Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung

Einer Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert Stiftung zufolge ist die Ausländerfeindlichkeit bundesweit stark gewachsen. 34 Prozent der Deutschen meinen demnach, Ausländer kämen nur in die Bundesrepublik, um abzukassieren. Und 75 Prozent der Ostdeutschen wollen die Religionsausübung für Muslime erheblich einschränken. 

Von Patrick Gensing, tagesschau.de

Wie rechtsextrem sind die Deutschen? Im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung haben Wissenschaftler solche Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft untersucht - und Beunruhigendes festgestellt. Die Leipziger Forscher Oliver Decker, Elmar Brähler und ihr Team gehen in ihrer Studie von "sechs Dimensionen der rechtsextremen Einstellungen" aus: Befürwortung einer rechtsgerichteten Diktatur, Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und die Verharmlosung des Nationalsozialismus.

Die höchsten Zustimmungswerte erhalten bundesweit ausländerfeindliche, chauvinistische und antisemitische Aussagen. Bei der Ausländerfeindlichkeit fielen unterschiedliche Werte für Ost- und Westdeutschland ins Auge: Im Osten stimmte fast jeder dritte Befragte ausländerfeindlichen Aussagen zu, im Westen etwa jeder Vierte. Bei einzelnen Fragen stimmte im Osten sogar fast jeder zweite ausländerfeindlichen Thesen zu.

"Rechtsextreme Einstellungen kein rein ostdeutsches Problem"

Dagegen sei der klassische Antisemitismus sowie der National-Chauvinismus in Westdeutschland stärker ausgeprägt. Decker betonte im Gespräch mit tagesschau.de, die Ergebnisse zeigten "eindeutig, dass rechtsextreme Einstellungen kein rein ostdeutsches Phänomen sind", sondern seien vielmehr "in allen gesellschaftlichen Gruppen, in allen Altersgruppen zu finden - eben bis in die Mitte der Gesellschaft hinein".

Das Grundrecht auf freie Religionsausübung scheint vielen Bürgern zudem wenig Wert zu sein, denn mehr als 58 Prozent wollen diese für Muslime "erheblich einschränken". In Ostdeutschland liege der Wert sogar bei 75,7 Prozent, so Decker. Hinsichtlich der aktuellen Debatte meinte er, es sei davon auszugehen, dass die islamfeindlichen Werte noch weiter steigen würden - dies zeigten die Erfahrung der vergangenen Jahre. Religion werde derzeit benutzt, um Ressentiments zu legitimieren, sagte Decker. Das Symbolbild dafür sei das Kopftuch.

"Lackmuspapiertest der Demokratie"

Argumente hätten "nur wenig Chancen gegen die Logik des Ressentiments", so Decker weiter: Erst würden Migranten von den gesellschaftlichen  Entwicklungsmöglichkeiten systematisch ausgeschlossen, um ihnen dann die Folgen einer verfehlten Integrationspolitik anzulasten. Ein "relevanter Schutzfaktor gegen antidemokratische Einstellungen" sei Bildung - auch für Erwachsene. Der Forscher betonte: "Was Hänschen oder Lieschen nicht lernen, lernt Hans und Liese sehr wohl!"

Die Wissenschaftler knüpfen mit ihrer Forschungsarbeit an Erhebungen seit 2002 und die sogenannten "Mitte"-Studien an, die seit 2006 im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführt worden sind. Sie warnen zusammenfassend vor einem "Demokratie gefährdenden Trend". Um entgegenzusteuern sei eine "ernst gemeinte und tief greifende Demokratisierung gesellschaftlicher Institutionen" dringend notwendig. Dies gelte für Kindergärten, Schulen, Universitäten und auch den Arbeitsplatz. "Demokratie muss erfahrbar sein - und zwar im Alltag der Menschen", erklärte Decker.

Der Umgang mit Schwächeren in dieser Gesellschaft sei "der Lackmuspapiertest der Demokratie", betonte der Wissenschaftler abschließend. Doch dieser Test falle "derzeit nicht positiv aus" - weder im Bezug auf Arbeitslose noch auf Migranten. Es sei eine klare Aufgabe der Politik, verantwortungsbewusst zu agieren, sonst könnten rechtsextreme Positionen - und auch Parteien - langfristig gestärkt werden.

Durchführung der Studie: Meinungsforschungsinstitut USUMA (Berlin) im Auftrag der Universität Leipzig

Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl

Stichprobengröße: 2411 Befragte (1907 West / 504 Ost)

Erhebungsverfahren: persönliches Interview und standardisierter Fragebogen

Erhebungszeitraum: 26.-30. April 2010