Vietnam: Haft des Bloggers Dieu Cay willkürlich verlängert

Nguyen Van Hai, freier Journalist und bekannt als Blogger Dieu Cay, wurde trotz Verbüßung seiner zweieinhalbjährigen Haftstrafe nicht, wie erwartet, am 19. Oktober 2010 freigelassen.

Frankfurt/M. - Ho Chi Minh Stadt (22. Oktober 2010) - Nguyen Van Hai, freier Journalist und bekannt als Blogger "Dieu Cay", wurde trotz Verbüßung seiner zweieinhalbjährigen Haftstrafe nicht, wie erwartet, am 19. Oktober freigelassen. Stattdessen wird er gegen ihn Anklage wegen angeblicher Propaganda gegen die Volksregierung nach § 88 des StGB Vietnams erhoben. Seine Ehefrau und Freunde wurden in den letzten Tagen einem regelrechten Polizeiterror ausgesetzt. Vietnam zeige damit erneut sein wahres Gesicht eines Unrechtsstaates, kommentierte die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Deutschland sollte sich fragen, welche Substanz der deutsch-vietnamesische Rechtsstaatsdialog noch hat, der vor zwei Jahren vom damaligen Außenminister Frank Walter Steinmeier initiiert wurde, denn seitdem habe Vietnam mehrere Menschenrechtsverteidiger unter Verletzung seiner eigenen Gesetze ins Gefängnis geschickt.

Die Familie des Journalisten Nguyen Van Hai erwartete am 19. Oktober seine Freilassung aus dem Straflager Z30A (Provinz Xuan Loc), wurde jedoch Opfer eines behördlichen Verwirrungsspiels. Am 18. Oktober erhielt Hais Ehefrau eine Benachrichtigung der Polizei, dass ihr Ehemann ins Gefängnis von Ho Chi Minh Stadt verlegt worden sei. Als sie am 19. Oktober das Gefängnis aufsuchte, teilte man ihr mit, der Häftling sei in sein früheres Straflager zurücktransportiert worden. Nach ihrer Rückkehr wartete bereits eine Vorladung zur Polizei für den nächsten Tag auf sie. Als sie sich am frühen Morgen des 20. Oktober trotz Vorladung auf den Weg zum Straflager machen wollte, war ihr Haus von 50 Polizisten umstellt. Sie brachen die Tür ein. Durch die herumfliegenden Glassplitter wurden die Frau und Kinder verletzt. Mit brutaler Gewalt nahmen sie Hais Ehefrau fest und führten sie ab. Am Nachmittag kam die Polizei erneut, durchsuchte das Haus und beschlagnahmte Computer, Festplatten, das Handy und andere elektronische Geräte wie den MP3-Player und Computerspielgeräte. Zum gleichen Zeitpunkt warteten Hais Sohn und Freunde vergeblich vor dem Tor des Straflagers Z30A. Schließlich eröffnete man ihnen, dass Hai sich angeblich bereits auf dem Heimweg befände, was erfunden war.

Noch während der Hausdurchsuchung teilte die Polizei der Familie mit, dass gegen Nguyen Van Hai Anklage wegen Propaganda gegen die Volksregierung nach Art. 88 des StGB Vietnams erhoben worden sei, die bis zu 20 Jahren Haft vorsieht. Vietnams kommunistische Regierung setzt diesen Artikel bevorzugt ein, um Oppositionelle und kritische Journalisten zum Schweigen zu bringen. Die Familie des Bloggers ist entsetzt über das hinterhältige Vorgehen der Staatsmacht und überzeugt, dass er in der Haft schwerlich Propaganda gegen den Staat hätte betreiben können.

Die Blogger-Gemeinschaft in Vietnam sieht sich in den letzten Tagen zunehmend gewalttätigen Übergriffen des Sicherheitsdienstes ausgesetzt. Mehrere Blogger wurden inhaftiert, unter Hausarrest gestellt oder eingeschüchtert. Ein möglicher Grund dafür kann die Initiative sein, den 19. Oktober, den Tag der angekündigten Freilassung des Bloggers Dieu Cay, zum Tag vietnamesischer Blogger zu erklären.

Nguyen Van Hai (Deckname Dieu Cay, Wasserpfeife) ist einer der berühmtesten regimekritischer Blogger Vietnams. Der Ex-Soldat der Volksarmee war bis zu seiner Inhaftierung Leiter des Clubs Freier Journalisten, einer Blogger-Gruppe, die sich die Einrichtung alternativer Medien in dem kommunistischen Land zum Ziel gemacht hatte. 2008 hatten er und die Clubmitglieder gegen die Vergabe der Olympischen Spiele an Peking öffentlich protestiert. Daraufhin wurde er mehrmals willkürlich festgenommen und misshandelt. Die Polizei versuchte, ihn zur Einstellung seiner Aktivitäten im Internet zu bewegen, anderenfalls drohte sie ihm Verhaftung wegen Wirtschaftdelikte an. Am 19.08.2008 wurde er verhaftet und wegen angeblicher Steuerhinterziehung?zu zweieinhalb Jahren Haft und einer Geldstrafe von rund einer Milliarde Dong (umgerechnet 400.000 Euro) verurteilt. Eins seiner Häuser wurde konfisziert. Der Prozess war ein offensichtlich abgekartetes Spiel, denn sein Mieter hat vor Gericht ausgesagt, dass er angeblich die Entrichtung der Steuer versäumt hätte. Hais Verteidiger aber fand heraus, dass die Polizei dem Finanzamt eine schriftliche Anweisung erteilt hatte, keine Steuernachzahlung anzunehmen.

 Quelle: igfm.de/Internationale-Gesellschaft-fuer-Menschenrechte