31.10.2010

Usbekistan: „Antiterror“ Razzia

Razzia gegen Gottesdienst von Baptisten, Schläge und Geldstrafen

Usbekistan: „Antiterror“ Razzia

Razzia gegen Gottesdienst von Baptisten, Schläge und Geldstrafen

 

Nach einer sogenannten „Antiterror“ Razzia während eines Sonntagsgottesdienstes am 15. August in der zentralusbekischen Stadt Samarkand wurden am 21. September hohe Geldstrafen gegen fünf Baptisten verhängt. An der Razzia waren etwa 20 Polizeibeamte beteiligt. Die betroffene Gemeinde gehört dem Rat der Baptistengemeinden an, einem Bund, der in allen Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion, in denen er tätig ist, die staatliche Registrierung ablehnt. Zeugen der Razzia sprechen von Gewaltanwendung, sogar Kindern wurden Bücher gewaltsam entrissen. Die Polizisten erklärten gegenüber den anwesenden Gläubigen, dass es sich um einen „Antiterroreinsatz“ handle. Die Polizei filmte die Anwesenden gegen deren Willen mit mehreren Kameras. Einzelne Beamte bedachten die Gläubigen mit Flüchen und man beschlagnahmte Gesangbücher, Bibeln der Anwesenden und sogar handgeschriebene Notizbücher. Die Polizisten zwangen die Anwesenden, schriftliche Angaben über ihre Aktivitäten zu machen. Die Identität aller Anwesenden wurde erfasst. Der Pass von Veniamin Nemirov, in dessen Wohnung sich die Gemeinde versammelt, wurde konfisziert. Die Polizei weigerte sich danach, das Dokument zurückzugeben.

Es gelang den Gläubigen, die Polizei dazu zu bewegen, den Müttern von kleinen Kindern und behinderten Gläubigen das Verlassen der Räumlichkeiten zu gestatten. Doch die Polizei nahm 10 Mitglieder der Gemeinde zur lokalen Polizeistation mit. Sie wurden einzeln befragt, weshalb sich die Gemeinde nicht registrieren lassen will, und die Beamten versuchten, einzelne Gemeindeglieder unter Druck zu setzen, mit den Behörden zu „kooperieren“. Die Polizei beschuldigte einen der Festgenommenen, Alisher Abdullaev, er hätte seinen islamischen Glauben verraten. Man drohte Nemirov, der seine Wohnung für die Gottesdienste zur Verfügung stellt, mit einer Strafanzeige. Doch nach einigen Stunden wurden alle freigelassen.

Die Polizei und der Nationale Sicherheitsdienst (NSS) versuchen, die Religionsgemeinschaften genau zu überwachen, unter anderem mit Hilfe von Informanten, die mit den Behörden „kooperieren“.

Schläge durch die Polizei bleiben ungestraft

Am 17. August brachte Oberleutnant Pardaev den Baptisten Vladimir Abramov zur Polizeistation Nr. 17. Als Abramov sich weigerte, schriftliche Angaben zu machen, schlug ihn Pardaev mehrmals in einer Weise, dass keine sichtbaren Spuren zurückbleiben. Das berichteten Mitglieder der Baptistengemeinde. Später ging Pardaev zum Wohnhaus von Alisher Abdullaev. doch dieser war nicht zu Hause. An seiner Stelle nahm der Polizeioffizier seine Frau Oksana und deren 20 Tage altes Baby mit zur Polizeistation. Dort drohte er, Oksana in ein besonderes Aufnahmezentrum zu senden und ihr Baby in ein Kinderheim. Nach drei Stunden ließ er sie mit dem Kind gehen. Am nächsten Tag, dem 18. August, kam Oberleutnant Pardaev erneut zu Abdullaev’s Wohnhaus und nahm ihn mit auf die Polizeistation. Als sich Abdullaev weigerte, eine Niederschrift zu unterschreiben, schlug ihn Pardaev auf die Brust und ins Gesicht, so dass blaue Flecken zurückblieben. Abdullaevs Mutter und einige Mitglieder der Baptistengemeinde, die in der Nähe der Polizeistation standen, wurden Ohrenzeugen der Flüche und des Gebrülls des Polizeioffiziers.

Nachdem sich Abdullaev bei der Staatsanwaltschaft Samarkand wegen der Schläge beschwert hatte, wurde eine ärztliche Untersuchung angeordnet, die am 20. August stattfand. Es wurde jedoch nichts gegen Pardaev unternommen. Gewaltanwendung durch die Behörden und die Misshandlung Verhafteter bzw. die Androhung von Gewalt sind in Usbekistan weit verbreitet.

Entgegen den internationalen Menschenrechtsverpflichtungen Usbekistans ist jede religiöse Aktivität ohne staatliche Genehmigung verboten. Geldstrafen wegen Gottesdiensten ohne staatliche Registrierung sind ebenso häufig, wie Geldstrafen für den Besitz oder die Weitergabe religiöser Literatur oder von Filmen, die durch das staatliche Komitee für religiöse Angelegenheiten verboten wurden.

So wurden auch die fünf Baptisten nach Artikel 241 des Verwaltungsgesetzbuchs wegen Abhaltung eines Gottesdienstes in der Wohnung Nemirovs verurteilt. Aufgrund dieses Artikels ist es verboten „religiöse Überzeugungen ohne spezielle religiöse Bildung und ohne Erlaubnis des Zentralorgans einer (registrierten) religiösen Organisation zu lehren oder religiöse Überzeugungen privat zu lehren“. Die fünf Baptisten erklärten gegenüber dem Gericht, dass sie sich keines Vergehens schuldig fühlen, weil sie sich zum gemeinsamen Gebet und zur Anbetung Gottes versammelt haben, wie sie das jeden Sonntag tun. Sie beriefen sich auf Artikel 29 der Verfassung und Artikel 3 des Religionsgesetzes. Diese beiden Artikel garantieren die Gewissensfreiheit. In Artikel 29 der usbekischen Verfassung heißt es: „Jeder hat die garantierte Gedanken-, Rede- und Meinungsfreiheit“, weiters wird in dem genannten Artikel jedem einzelnen das Recht zugestanden, Informationen zu suchen, zu erhalten und weiterzugeben, jedoch mit der vagen Einschränkung „ausgenommen, wenn diese gegen das bestehende verfassungsmäßige System gerichtet ist und in einigen anderen im Gesetz genannten Fällen“. Diese vage Formulierung führt zur Verletzung der internationalen Menschenrechtsverpflichtungen Usbekistans.

Die Berufung der fünf Baptisten gegen die Geldstrafe wurde von Richter S. Aschurov vom Regionalen Strafgericht von Samarkand am 14. Oktober zurückgewiesen.

Die Religionsgemeinschaften in Samarkand sind besonderem Druck ausgesetzt. Mehrere christliche Kirchen bzw. Gemeinden wurden bereits geschlossen. Dies geschieht üblicherweise durch Verweigerung der staatlichen Registrierung oder den Entzug einer bereits bestehenden Registrierung. Vom Entzug der Registrierung waren in den letzten vier Jahren sieben christliche Gemeinden betroffen. Ein besonders harter Schlag gegen die Glaubensfreiheit in der Weltkulturerbestadt Samarkand war die Verurteilung von 11 Moslems zu mehrjährigen Kerkerstrafen im August 2009. Ihr „Verbrechen“: Sie hatten Bücher des verstorbenen islamischen Theologen Said Nursi gelesen, dessen Schriften nach westlich demokratischem Verständnis keinesfalls als extremistisch einzustufen sind. 

Quelle: Forum 18 News Service, Oslo

Deutsche Fassung: AK Religionsfreiheit der Österreichischen Evangelischen Allianz