09.09.2010

Deutschland: Erzwingungshaft statt freiheitlicher Werte

(MEDRUM) Salzkotten, 9. September 2010 - Heute, am Donnerstagmorgen, kurz nach 8.00 Uhr, wurde Elisabeth E., Mutter von 4 Kindern, zum zweiten Mal für 5 Tage in Erzwingungshaft genommen. Sie lehnte es wie ihr Mann aus Gewissensgründen ab, eines ihrer Kinder an einer schulischen Theaterveranstaltung der Liboriusgrundschule in Salzkotten teilnehmen zu lassen.

Elisabeth E. ist "Wiederholungsopfer". Bereits im Mai hatte sie der Staatsanwaltschaft mitgeteilt:

„...Wie Sie es bereits aus den vorangegangenen Verfahren gegen uns ersehen können, wird auch diese Erzwingungshaft uns nicht dazu bewegen, die uns auferlegte Geldbuße in Höhe von je Elternteil 200 € zu bezahlen, weil wir mit der Bezahlung gezwungen werden, Buße zu tun für unsere Gewissensentscheidung.Da aber die Gewissensfreiheit uns immer noch von dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantiert wird, berufen wir uns hiermit nochmals auf unsere Grundrechtsverletzung in diesem Fall und teilen Ihnen mit, daß mit dieser unserer Handlung wir den Gebrauch von dem in Art. 20 Abs. 4 GG aufgeführten Widerstandsrecht in Anspruch nehmen wollen."

An ihrer Gewissensentscheidung änderte auch die Tatsache nichts, daß die Theateraufführung mit Zustimmung der Klassenpflegschaft zu einer schulischen Pflichtveranstaltung gemacht wurde. Ihrer Bitte um Freistellung ihres Kindes von der Teilnahme wurde nicht stattgegeben. Unter Berufung auf ihr Recht zur Gewissensentscheidung lehnten es die Eltern auch ab, das daraufhin wegen Nichtteilnahme verhängte Bußgeld zu zahlen.

Die Eltern erklärten in ihrem Schreiben an die Staatsanwaltschaft weiter:

„...hätte die Schulleitung oder das Schulamt uns auferlegt, je 200 € pro Elternteil oder auch mehr zu bezahlen als Gegenleistung dafür, daß unser Kind eine Befreiung von der oben genannten Theateraufführung bekommt, hätten wir das sofort und ohne zu zögern bezahlt. Die Bezahlung der Geldbuße jedoch verlangt von uns die Aufgabe unserer persönlichen Glaubensüberzeugung. Deswegen wird auch diese Erzwingungshaft uns nicht dazu bewegen, Buße dafür zu tun, worin wir nach dem deutschen Gesetz recht haben und somit unschuldig sind. Aus diesem Grund bitten wir Sie noch einmal, von der Erzwingungshaft abzusehen. ...

Die Rechtsanwältin der Familie stellte gegenüber MEDRUM im Gespräch fest:

"Heute wird oft gesagt, die schlimme deutsche Geschichte, in der sich die Bürger dem unerbittlichen Diktat staatlicher Organe vollständig zu unterwerfen hatten, dürfe sich nicht wiederholen. Dies ist für die betroffenen Eltern ein bloßes Lippenbekenntnis, ohne spürbaren Wert. Denn sie erleben, das ihnen als andersdenkenden Eltern und ihren Kindern im schulischen Raum, wo doch eigentlich freiheitliche Werte erlebbar gemacht und vermittelt werden sollten, selbst kleinste Freiheiten genommen werden, und ihre Gewissensentscheidung durch Erzwingungshaft unterdrückt werden soll. Dafür haben weder ich noch die Betroffenen irgendein Verständnis. Deutsche mussten im letzten Jahrhundert die Gewalt zweier totalitärer Staaten erleiden. Durch die Verfahrensweise im Fall der Salzkottener Schule und die Handhabung existierender Regelungen wird unsere freiheitliche Demokratie und der Rechtsstaat nicht erlebt, sondern in Verruf gebracht."

Elisabeth E. befindet sich nun erneut auf dem Weg zur JVA Gelsenkirchen.

Die Staatskanzlei von NRW hatte in diesem Jahr im Auftrag von Jürgen Rüttgers zu den Salzkottener Vorgängen Stellung genommen. "Die Eltern sind nicht berechtigt, ihre Kinder nur dann zu Schule zu schicken, wenn ihnen der Unterrichtsinhalt gerade zusage. Sonderrechte für einzelne Bevölkerungsgruppen aufgrund ihrer religiösen Überzeugung kann es nicht geben.", lautete die manche Leser irritierende Antwort. Genau so hätte dies auch im Dritten Reich oder der DDR formuliert sein können.