21.09.2010

Gemeinsame Erklärung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und des ÖVP-Parlamentsklubs

Gemeinsam für die Religionsfreiheit in aller Welt und gegen die Diskriminierung und Verfolgung von Christen

Gemeinsame Erklärung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und des ÖVP-Parlamentsklubs

Gemeinsam für die Religionsfreiheit in aller Welt und gegen die Diskriminierung und Verfolgung von Christen

Wir sind in Sorge um die Menschen, die sich weltweit zum christlichen Glauben bekennen. Die Diskriminierung und Verfolgung von Christen aller Konfessionen hat in den letzten Jahren in vielen Staaten besorgniserregende Ausmaße angenommen.

Die Religionsfreiheit ist in 64 Ländern der Erde, in denen zusammen fast 70 % der Weltbevölkerung leben, sehr stark eingeschränkt oder gar nicht existent. 200 Millionen Christen leben in diesen Staaten und sind als Minderheiten oft in besonderer Weise von Gewalt und gesetzlichen Einschränkungen betroffen. Christen werden wegen ihres Glaubens diskriminiert, sie verlieren ihre Arbeitsstellen, ihre Wohnungen, werden inhaftiert, entführt, verstümmelt und ermordet, ihre Kirchen werden niedergebrannt und ihre Häuser zerstört.

Während die Zahl der Christen in Asien und Afrika stark wächst, stehen die Gemeinden im Nahen und Mittleren Osten unter einem hohen Druck. Dort, wo die christliche Kultur ihre Wurzeln hat, ist die Zahl der Christen in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch zurückgegangen. Lebten vor hundert Jahren noch etwa 20 % Christen auf dem Gebiet der heutigen Türkei, so beträgt ihr der Anteil heute nur noch 0,1 %. Die christlichen Gemeinden in der Türkei sehen sich nach wie vor mit zum Teil existenzgefährdenden Einschränkungen der Religionsfreiheit konfrontiert.

Dramatisch ist auch die Lage im Irak. Vor Beginn des Irakkrieges lebten dort ca. 1,4 Mio. Christen. Nach zahlreichen Verfolgungswellen durch islamische Fundamentalisten ist ihre Zahl mehr als halbiert. Viele Christen, ebenso wie Angehörige anderer religiöser Minderheiten, leben heute als Flüchtlinge in den Nachbarländern des Iraks. Sie haben keine Aussicht, in ihre angestammte Heimat zurückkehren zu können. Aus diesem Grund war der EU-Beschluss der Justiz- und Innenminister im November 2008, 10.000 Irakflüchtlinge in Europa aufzunehmen, ein wichtiger Schritt. Daneben gilt es, die im Irak verbliebenen Christen zu unterstützen. Die Kirchen und christlichen Organisationen leisten hier wertvolle Dienste.

In 30 Ländern, in denen der Islam Staatsreligion und auch verfassungsrechtlich verankert ist und/oder eine Vorrangstellung genießt, gibt es staatlich unterstützte oder staatlich tolerierte Gewalt gegen Christen.

Sorge bereitet uns die Lage in Nordkorea. Die kommunistische Diktatur hat mit ihrer totalitären Ideologie das Land heruntergewirtschaftet und international isoliert. Freiheit und Rechtsstaatlichkeit existieren nicht. Dazu kommen besondere Formen von Diskriminierungen der Christen, von denen viele in staatlichen Lagern ums Leben kommen.

Sowohl das Bemühen um die künstliche Festigung einer Staatsidentität wie auch innerstaatliche Konflikte um das Selbstverständnis können zur Diskriminierung von Religionen wie auch zur Gewalt gegen religiöse Minderheiten führen. Damit sind christliche Minderheiten gerade auch in Indien, China, Indonesien, Bangladesch und Pakistan konfrontiert – die zusammen mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung ausmachen. So haben diese Entwicklungen zum Beispiel in Indien zu massiven Menschenrechtsverletzungen geführt. Während die Verfassung des Landes Religionsfreiheit gewährt, haben fundamentalistische Hindunationalisten im Jahr 2008 im Bundestaat Orissa Ausschreitungen gegen die dort lebenden Christen organisiert, in deren Verlauf mehr als hundert Menschen ums Leben kamen. Noch immer leben Tausende Christen in Flüchtlingslagern und werden an einer Rückkehr in ihre Dörfer gehindert.

Das Recht auf Gedanken- Gewissens- und Religionsfreiheit ist in Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), in Art. 18 des internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (Zivilpakt), in Art. 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie in zahlreichen regionalen Menschenrechtskonventionen verankert. Dieses Recht gilt universell und rechtlich verbindlich für alle Staaten. Darum ist das Argument, Menschenrechte müssten in kulturellen Zusammenhängen interpretiert werden, nicht nur falsch, sondern auch ein gefährlicher Vorwand, um Menschenrechtsgarantien aufzuweichen. Das lassen wir nicht zu. Unsere Aufgabe ist es im Dialog mit den politischen Verantwortlichen in anderen Staaten auf diese völkerrechtlich verankerten Rechte zu verweisen und deutlich zu machen, dass Religionsfreiheit ein universelles und verbindliches Menschenrecht ist.

Im Rahmen der gemeinsamen Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und des ÖVP-Parlamentsklubs haben wir die Lage der Christen in der Welt erörtert. Wir sind darüber übereingekommen, uns weiterhin verstärkt für die Opfer von Verletzungen des Menschenrechts auf Religionsfreiheit einzusetzen:

  1. Das universelle Recht auf Religionsfreiheit erfordert den Einsatz für verfolgte Christen. Angesichts unserer christlichen Prägung, unserer politischen Kultur fühlen wir uns den verfolgten Christen in besonderer Weise verbunden und zur Solidarität verpflichtet. Daher wollen wir in unserer jeweiligen parlamentarischen Tätigkeit einen Fokus auf diesen Themenbereich legen. 

  2. Durch unsere Arbeit wollen wir dazu beitragen, dass die kritische Situation der verfolgten Christen ins öffentliche Bewusstsein gerückt wird. Als Europäer müssen wir uns für die Christen in anderen Teilen der Erde einsetzen.

  3. Wir garantieren Religionsfreiheit in unseren Ländern und haben dafür gesorgt, dass der Einsatz für Religionsfreiheit ein wichtiges Element unserer wertegeleiteten Außenpolitik geworden ist. Im Sinne einer kohärenten Außen- und Entwicklungspolitik wollen wir uns weltweit für Glaubensfreiheit einsetzen, die über die formale Anerkennung der Menschenrechte hinausgeht und zu einer realen Verbesserung für die Menschen vor Ort beiträgt.

  4. Die Hohe Vertreterin für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Unionsoll einen jährlichen Bericht über den Stand der Religionsfreiheit in der Welt erstellen. Vorbild kann der Bericht des US State Departments und der US Commission on International Religious Freedom sein. Dazu ist es notwendig, dass die Europäische Kommission, die Mitgliedstaaten und der Europäische Auswärtige Dienst eng zusammenarbeiten.

  5. In den Beitrittsverhandlungen müssen die Defizite im Bereich der Religionsfreiheit stärker als bisher in den Blick genommen werden. Dies gilt besonders für die Türkei. Die Europäische Kommission ist aufgefordert, dazu ausführlich im Fortschrittsbericht Stellung zunehmen und in den Verhandlungen darauf bestehen, dass die Türkei Fortschritte nachweist. 

  6. In Assoziierungsabkommen der EU mit Drittstaaten sollen Bestimmungen über die Gewährleistung der Religionsfreiheit aufgenommen werden. Die Einhaltung solcher Verpflichtungen müssen von der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament sowie von der Hohen Vertreterin und vom EAD kontinuierlich beobachtet werden.

www.cducsu.de/Titel__text_interview_gemeinsam_fuer_die_religionsfreiheit_in_aller_welt_und_gegen_die_diskriminierung_und_/TabID__6/SubTabID__9/InhaltTypID__3/InhaltID__16598/Inhalte.aspx (Abgerufen 25.09.2010)