08.09.2019

Das BAMF hat keine Erkenntnisse über Christenverfolgung im Iran

Vom Gesetzgeber sei man angehalten, allein darüber zu entscheiden, „ob jemand politisch verfolgt wird“. Sommer: „Der Glaube und die Religion spielen keine Rolle.“

Präsident Sommer kritisiert „All-Inclusive-Paket“ von Schlepperorganisationen

Wetzlar (idea) – Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat keine Erkenntnisse darüber, dass Christen im islamisch regierten Iran systematisch verfolgt werden. Das sagte dessen Präsident, Hans-Eckhard Sommer (Nürnberg), bei einer Vortragsveranstaltung am 5. September im mittelhessischen Wetzlar. „Es leben viele Christen im Iran“, sagte er vor rund 100 Besuchern der Veranstaltung des Vereins „Pro Polizei Wetzlar“. Aber man wisse, dass Schlepperorganisationen Flüchtlinge aus dem Land darin schulten vorzugeben, dass sie vom Islam zum Christentum konvertiert seien: „Das gehört zu ihrem All-Inclusive-Paket.“ Deshalb sei es für die BAMF-Mitarbeiter nie einfach, wenn sie über Flüchtlinge aus dem Iran entscheiden müssten: „Diese Anhörungen dauern bis zu sieben Stunden, um die Beweggründe für die Flucht festzustellen.“ Man mache zwar keine Religionsexamen, aber erarbeite Prognosen, um festzustellen, „wie diese Personen ihren Glauben leben“. Das gelte auch im Fall einer Rückkehr in den Iran. Auch vorgelegte Taufzeugnisse würden nicht überprüft. Vom Gesetzgeber sei man angehalten, allein darüber zu entscheiden, „ob jemand politisch verfolgt wird“. Sommer: „Der Glaube und die Religion spielen keine Rolle.“ Wenn christliche Hilfsorganisationen andere Erkenntnisse über die Lage der Christen im Iran hätten, würde er es begrüßen, wenn sie seinem Amt entsprechende Unterlagen zukommen ließen, sagte er gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. 

Bei der Integration Kooperation mit 50 Moscheegemeinden 

Ferner berichtete er, dass das Bundesamt mit 50 Moscheegemeinden in Deutschland zusammenarbeite, um die Integration muslimischer Flüchtlinge in die deutsche Gesellschaft zu fördern. Gegenüber idea wies Sommer den Vorschlag des ehemaligen Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, zurück, konvertierte Migranten pauschal als Flüchtlinge anzuerkennen und nicht abzuschieben. Wenn es Kauder damit ernst sei, müsse er für entsprechende Mehrheiten im Bundestag kämpfen. 

Keine Kenntnisse über den Fall „Mahsa“ 

Wie Sommer weiter sagte, kenne er den konkreten Fall der iranischen Konvertitin mit dem Decknamen „Mahsa“ aus dem mittelhessischen Herborn nicht. Sie war nach eigenen Angaben bereits im Iran zum Christentum konvertiert und dann 2015 nach Deutschland geflohen. Ihre Anträge auf Asyl wurden in allen Instanzen abgelehnt. Ihr droht nun eine Abschiebung zurück in ihr Heimatland und nach Angaben von Unterstützern damit der Tod. Christen aus Mittelhessen engagieren sich für ein Bleiberecht für die 38-Jährige – unter anderem mit einem Gebetsmarsch und einer Online-Petition. 

Zahl der Erstanträge sinkt 

Sommer rechnet nach eigenen Angaben mit deutlich weniger Erstanträgen von Asylbewerbern in diesem Jahr: nämlich mit 150.000 gegenüber 180.000 Vorjahr. Nach seinen Worten werden 37,2 Prozent aller Anträge positiv beschieden. Die höchste Anerkennungsquote (84,4 Prozent) gebe es bei Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien. 246.000 abgelehnte Asylbewerber seien ausreisepflichtig. In diesem Jahr (Stand Juli) seien bisher 15.000 abgeschoben worden und 6.800 freiwillig zurückgekehrt. Der Veranstalter des Vortrags, der Verein „Pro Polizei Wetzlar“, hat nach eigenen Angaben rund 900 Mitglieder. Vorsitzender ist der CDU-Bundestagsabgeordnete Hans-Jürgen Irmer (Wetzlar). Er kritisierte, dass zwei Drittel aller Flüchtlinge in Deutschland ohne gültige Pässe einen Asylantrag stellten, aber 99 Prozent ein Mobiltelefon dabei hätten.

 

Menschenrechtler: Keine Konvertiten abschieben

Zuletzt hatte unter anderem die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM/Frankfurt am Main) an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) appelliert, keine zum Christentum übergetretenen Muslime und keine Baha’i in den Iran abzuschieben. Die Menschenrechtslage in der Islamischen Republik Iran habe sich in den vergangenen Monaten weiter zugespitzt, sagte etwa IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin am 30. Juli bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Deutschen Evangelischen Allianz in Berlin. Islamische Revolutionsgarden, Geheimdienst und Polizei gingen mit noch größerer Härte gegen Andersdenkende vor. Im Blick habe die Führung der Islamischen Republik neben Menschenrechtsverteidigern, Frauenrechtlerinnen, Gewerkschaftern, Umwelt- und Demokratie-Aktivisten vor allem die religiösen Minderheiten. 

Diakonisse: Viele Iraner haben Angst vor der Abschiebung

Kritik an der Haltung von Sommer zu den Christen im Iran äußerte auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea die Diakonisse und Predigerin der Landeskirchlichen Gemeinschaft „Haus Gotteshilfe“, Schwester Rosemarie Götz (Berlin-Neukölln). Sie hat nach eigenen Angaben bisher rund 500 Flüchtlinge betreut, darunter viele aus dem Iran. Wie sie sagte, haben alle der ihr bekannten Iraner „Angst davor, in die Heimat zurückkehren zu müssen“. Immer wieder hätten sie von Christen im Iran gehört, dass Betroffene direkt bei der Einreise verhaftet würden. Auch Flüchtlinge, die in einer Gemeinde heimisch geworden seien, dort mitarbeiteten und fehlerfrei die Fragen beantwortet hätten, würden oft nicht als Flüchtlinge anerkannt. Im „Haus Gotteshilfe“ werden wöchentlich rund 200 Flüchtlinge betreut, etwa in Integrations- und Freizeitangeboten. Nach den Worten der Diakonisse kommen bis zu 80 Flüchtlinge – darunter viele Iraner – in den Gottesdienst.