24.05.2019

Indien: Nach der Wahl

Hilfswerke warnen vor zunehmender Christenverfolgung - Die hindu-nationalistische Partei BJP gewinnt erneut – Absolute Mehrheit der Sitze

Neu-Delhi (idea) – Nach dem erneuten Wahlsieg der hindu-nationalistischen Partei BJP (Bharatiya Janata Party – Partei des indischen Volkes) in Indien warnen christliche Hilfswerke vor einer zunehmenden Verfolgung von Christen und anderen religiösen Minderheiten. Zwischen dem 11. April und dem 19. Mai hatten zwei Drittel der 900 Millionen Wahlberechtigten im größten demokratischen Land der Welt ihre Stimmen bei den Parlamentswahlen abgegeben. Nach vorläufigen Zahlen hat die Partei von Premierminister Narendra Modi (68) deutlich gewonnen. Die Hindu-Nationalisten erreichten laut Wahlkommission eine absolute Mehrheit der 545 Sitze im Unterhaus des Parlaments. Auf Nachfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea sagte der Pressesprecher der Menschenrechtsorganisation ADF International (Allianz zur Verteidigung der Freiheit), Andreas Thonhauser (Wien), der Sieg der BJP habe unter vielen religiösen Minderheiten Besorgnis ausgelöst, insbesondere unter Christen: „Sie sehen sich einer zunehmenden sozialen Feindseligkeit gegenüber, die immer wieder in gewalttätige Übergriffe ausartet. Dieses Verhalten von Hindu-Nationalisten wird von staatlicher Seite nicht nur geduldet, sondern oftmals auch gefördert.“ Die Regierung habe während ihres Wahlkampfes nationales Bewusstsein in den Mittelpunkt gestellt: „Das Christentum und andere religiöse Minderheiten gelten trotz ihrer langen Präsenz als nicht typisch indisch. Eine Tatsache, die die Christen bereits jetzt spüren und in Zukunft wohl noch mehr.“

Open Doors: BJP treibt Kampagne „Indien den Hindus!“ voran

Auch das christliche Hilfswerk Open Doors fürchtet eine weitere Verschlechterung der Situation der Christen. Gegenüber idea erklärte der Pressesprecher, Ado Greve (Kelkheim bei Frankfurt am Main), der erneute Wahlsieg sei auf das Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren unter der BJP-Regierung zurückzuführen. „Auch wenn die Partei neue Arbeitsplätze nicht im angekündigten Umfang geschaffen hat, gibt es doch spürbare Verbesserungen in der Lebenssituation, insbesondere in ländlichen Regionen“, so der Pressesprecher. Allerdings habe die BJP in den letzten Jahren auch ihre Hindutva-Ideologie energisch vorangetrieben, die das Motto „Indien den Hindus!“ und „Ein Inder muss Hindu sein“ vertrete: „Modi will das Land weiter durch seine religiös-nationalistische Agenda einen, deshalb unter anderem auch die großen Kampagnen zur Zwangsbekehrung von religiösen Minderheiten zum Hinduismus. Dies würde eine verschärfte Fortsetzung der Gewalt gegen Christen und religiöse Minderheiten zur Folge haben.“ Seit Jahrzehnten erführen Christen teils extreme Verfolgung und Unterdrückung, doch der große Anstieg an gewaltsamen Übergriffen seit der Machtübernahme der BJP 2014 zeige eine enorm bedrohliche Entwicklung auf.

216 christenfeindliche Vorfälle im ersten Quartal 2019

Nach Angaben des Hilfswerks gab es im ersten Quartal 2019 bereits 216 christenfeindliche Vorfälle, darunter zwei Morde, elf Mordversuche, 45 Attacken auf Christen sowie Angriffe auf 18 Gottesdienste mit mehreren Hundert Besuchern. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2014 wurden 147 Gewalttaten gegen Christen registriert. Dies seien nur die an das Werk gemeldeten Vorfälle. Der Leiter von Open Doors Deutschland, Markus Rode, forderte die indische Regierung dazu auf, die weit verbreitete Verfolgung von Christen und religiösen Minderheiten sofort zu unterbinden: „Die Vertreibung von Christen aus ihren Dörfern muss aufhören genauso wie die Unterdrückung der großen Anzahl von Dalits, die sich dem christlichen Glauben zugewendet haben.“ Indien ist mit etwa 1,3 Milliarden Einwohnern das zweitbevölkerungsreichste Land der Welt nach China. 82 Prozent sind Hindus, zwölf Prozent Muslime und mindestens drei Prozent Christen.