18.03.2019

Deutschland: Islampapier der badischen Landeskirche kritisiert

In einem Gutachten beschreibt Prof. Schirrmacher den Text als einseitig und verzerrend

Bonn/Karlsruhe (idea) – Der stellvertretende Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz, Thomas Schirrmacher (Bonn), empfiehlt der Evangelischen Landeskirche in Baden eine Neufassung ihres Gesprächspapiers „Christen und Muslime“. Das Papier orientiert sich am Gedanken der christlich-muslimischen Weggemeinschaft. Zum Gottesverständnis heißt es: „Wir verehren als Christen und Muslime den einen Gott, den wir Christen dreieinig bekennen.“ Das Papier soll bis Weihnachten 2019 in allen Kirchenbezirken diskutiert werden, bevor die Landessynode 2020 aufgrund der Rückmeldungen eine Erklärung verabschiedet. Der Theologe und Religionssoziologe Schirrmacher erstellte im Auftrag des „Netzwerks evangelischer Christen in Baden“ und der „ChristusBewegung Baden“ ein 70-seitiges wissenschaftliches Gutachten über das Papier. Außerdem gestaltet Schirrmacher gemeinsam mit dem ehemaligen Leiter des Missionswerkes „Operation Mobilisation Deutschland“ (OM), Tobias Schultz (Mosbach), einen Studientag zu dem Thema am 6. April in Pforzheim.

Migration, Scharia und Extremismus kommen nicht vor

Schirrmacher würdigt das Anliegen des Papiers, den Dialog zwischen Christen und Muslimen zu fördern. Lobenswert sei ebenfalls, dass es sich nicht, wie etwa eine Orientierungshilfe der Evangelischen Kirche im Rheinland, gegen Mission unter Muslimen ausspricht. Allerdings wirke die Beschäftigung mit dem Islam einseitig und die Darstellung der Lehre von Islam und Christentum „zurechtgemacht“: „Konkrete Hilfen für den Dialog innerhalb der Gemeinden fehlen ebenso wie die Klärung konkreter Dialogfragen – etwa der Frage nach dem Heil des Gläubigen.“ Zugleich gehe das Gesprächspapier nirgends auf die Argumente anderer Sichtweisen ein, sondern setze die eigene Position absolut. „Das schließt erhebliche Teile der Evangelischen Landeskirche in Baden vom Gespräch aus.“ An der Darstellung des Islams kritisiert Schirrmacher etwa, dass eine differenzierte Darstellung seiner Strömungen, Herkunftsländer und Ausprägungen fehlt. Auch Themen wie Migration, die Scharia sowie religiöser Extremismus und Terrorismus kämen nicht vor. Christliche Vorstellungen, etwa von Barmherzigkeit, würden unkritisch auf den Islam übertragen.

 

Die EKD vertritt eine andere Position

Im Blick auf die christliche Theologie kämen viele Themen nicht oder nur am Rande vor, so Schirrmacher. Als Beispiele nennt er die Versöhnung mit Gott durch den Kreuzestod Christi, die Rettung durch Gnade allein und das Abendmahl. Stattdessen würden christliche Lehren „so zurechtgeschnitten, dass sie zum Islam passen“. So werde etwa die Rechtfertigung aus Glauben relativiert, indem die islamische Sicht, dass am Ende die Taten zählen, als für Christen „inspirierend“ beschrieben wird. Auch die großen Unterschiede im Sündenverständnis würden nicht angemessen dargestellt. Schirrmacher führt eine Reihe von „Kernthesen“ des Papiers an, die er als problematisch erachtet. So werde „die liturgische Beteiligung von Muslimen“ an christlichen Gottesdiensten als „das Normalste von der Welt“ betrachtet. Auch die Ausweitung der christlichen Ökumene auf die Beziehung zum Islam kritisiert er. Unkommentiert bleibe die Tatsache, dass die EKD in mehreren Papieren eine andere Position zu den Themen Islam und interreligiöser Dialog vertritt als das badische „Gesprächspapier“.

Andersdenkende werden psychologisch negativ bewertet

Schließlich bemängelt Schirrmacher auch die Argumentationsweise des Gesprächspapiers. Es stelle eine spezielle, ansonsten kaum vertretene Position zum christlich-islamischen Dialog dar, ohne diese Tatsache klar zu benennen. Andersdenkende sowohl auf christlicher als auch muslimischer Seite würden vom Dialog faktisch ausgeschlossen. „Irgendeine respektvolle Auseinandersetzung mit Argumenten anderer findet nicht statt.“ Christen, die etwa am exklusiven Wahrheitsanspruch von Jesus Christus festhalten und das Konzept der „Weggemeinschaft“ ablehnten, würden negativ dargestellt. Über Andersdenkende „finden sich vor allem negative psychologische und charakterliche Beurteilungen und Einsortierungen“. Sein Fazit: „So bleibt zu hoffen, dass das Gesprächspapier nochmals grundlegend überdacht wird, es zu einem ernsthaften Gespräch aller theologischer Richtungen in der Kirche kommt und all das dann auf die tatsächlichen Bedürfnisse in Sachen Dialog der Kirchengemeinden vor Ort zugeschnitten wird.“

Das vollständige Dokument sowie eine Zusammenfassung sind abrufbar unter www.netzwerk-baden.de