09.08.2022

Nigeria: Extremistische Gruppen nehmen vor allem Christen ins Visier

Zu dem Ergebnis kommt die Beobachtungsstelle für Religionsfreiheit in Afrika

Abuja (IDEA) – In Nigeria nehmen extremistische Gruppen vor allem Christen ins Visier. Das geht aus einer im Juli veröffentlichten Studie der Beobachtungsstelle für Religionsfreiheit in Afrika (ORFA) hervor. Die Beobachtungsstelle hat Daten von Oktober 2019 bis September 2021 ausgewertet. Den Ergebnissen zufolge werden Christen deutlich häufiger von islamistischen Gruppen ermordet als Muslime. So seien in den zwei Jahren des Berichtszeitraums 7.916 Christen und 2.235 Muslime getötet worden. Das betreffe vor allem den Norden des westafrikanischen Landes. Immer wieder gebe es Hinweise, dass Sicherheitskräfte die Angegriffenen nicht schützten und sich manchmal auch an der Gewalt gegen Christen beteiligten.

Zahl der Entführungen steigt auch unter Muslimen stark an

Die Zahl der Entführungen hat ORFA zufolge im Jahr 2021 allerdings auch unter Muslimen stark zugenommen. Wurden im ersten Jahr des Beobachtungszeitraums noch 977 Christen und 85 Muslime entführt, so waren es im zweiten Jahr 2.312 Christen und 2.243 Muslime. Betrachte man jedoch den Bevölkerungsanteil von Christen und Muslimen im Norden des Landes – dort finden die Entführungen hauptsächlich statt – sei der Anteil der entführten Christen deutlich höher als der der entführten Muslime, so ORFA.

Weltverfolgungsindex: Nigeria steht auf Rang sieben

Die meisten Angriffe mit den meisten Toten finden dem Bericht zufolge während der Anbau- und Erntezeit der zumeist christlichen Bauern statt. In dieser Zeit hätten die Angriffe eine größere Auswirkung auf das Leben der Opfer. Es könne bedeuten, so heißt es in dem Bericht, dass die Angreifer darauf abzielten, ihre Opfer auszuhungern. Manche Beobachter bezeichneten dies als „Völkermord durch Zermürbung“. Im Weltverfolgungsindex der christlichen Organisation Open Doors (Kelkheim) liegt Nigeria auf Rang sieben. Wie es in dem aktuellen Bericht heißt, hat Nigeria die höchste Zahl an getöteten Christen zu beklagen: Im Berichtszeitraum (1. Oktober 2020 bis 30. September 2021) wurden laut Open Doors weltweit 5.898 Christen gezielt wegen ihres Glaubens getötet – 4.650 von ihnen in Nigeria.

Open Doors: Islamisten wollen die Scharia in allen 36 Bundesstaaten etablieren

Wie Open-Doors-Pressesprecher Ado Greve gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA sagte, beschweren sich nicht nur Christen in Nigeria immer wieder lautstark darüber, dass die Regierung zu wenig gegen die zunehmende Gewalt unternehme. Diese gehe hauptsächlich von islamistischen Gruppen wie Boko Haram, Islamischer Staat in der Provinz Westafrika (ISWAP) und Teilen der Fulani-Viehhirten aus. Sie hätten das Ziel, die Scharia alles geltendes „Recht“ in allen 36 Bundesstaaten Nigerias zu etablieren. Bislang gelte sie in den zwölf Bundesstaaten des Nordens. Darüber hinaus gehe die Gewalt aber auch vielfach von bewaffneten Banditen aus. Diese agierten teilweise auch aus einer islamistisch-religiösen Motivation heraus, vielfach gehe es aber um Geld und Macht, so Greve. Im Frühjahr habe die nigerianische Regierung darum Lösegeldzahlungen an Entführer verboten. Die Familien von Entführungsopfern fühlten sich durch solche Maßnahmen aber noch hilf- und schutzloser. Die Kirchen in Nigeria hätten in zahlreichen Stellungnahmen gefordert, dass die Regierung wesentlich mehr tun muss, um Christen und religiöse Minderheiten im Land zu schützen. Das sei aber bislang vergeblich gewesen, so Greve. Die Beobachtungsstelle für Religionsfreiheit in Afrika (Observatory of Religious Freedom in Africa) ist nach eigenen Angaben ein Forschungs- und Schulungsprogramm, das sich für die Religionsfreiheit in Afrika einsetzt. Der Schwerpunkt liegt auf West- und Zentralafrika. Nigeria ist mit über 220 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Jeweils knapp die Hälfte sind Christen und Muslime.