27.11.2022

Weltweit: Über dem Ukraine-Krieg andere Konflikte nicht vergessen

Christine Keim sprach vor der württembergischen Synode über verfolgte Christen


Stuttgart (IDEA) – Die Verfolgung von Christen nimmt weltweit zu. Weltweit sind mehr als 360 Millionen Christen aufgrund ihres Glaubens massiver Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt. Das geht aus dem Bericht über die Lage von verfolgten Christen hervor, den die neue Ökumenereferentin der württembergischen Landeskirche, Kirchenrätin Christine Keim, am 25. November der in Stuttgart tagenden Landessynode vorstellte. Mit Blick auf die letzte Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Karlsruhe betonte Keim, dass der Umgang  mit dem Patriarchen der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK), der den Krieg Russlands gegen die Ukraine unterstütze, eine Herausforderung dargestellt habe. Gleichzeitig sei es für viele Delegierte nicht ganz einsichtig gewesen, weshalb der ÖRK solch ein großes Gewicht auf diesen Krieg lege, der in Europa stattfinde – und die vielen anderen, teilweise auch „vergessenen Kriege und Konflikte“ nicht ebenso ausführlich diskutiere. Dabei zeige auch der Ukraine-Krieg, wie eng Religion und Politik verbunden seien, „aber es muss auch gesagt werden, dass dieser Krieg nicht direkt zur Verfolgung“ von Christen aufgrund ihrer religiösen Ausrichtung führe, sondern die Bevölkerung insgesamt treffe.

In Äthiopien verfolgen Christen andere Christen

Zu diesen „vergessenen Konflikten“ zähle unter anderen der Krieg in der äthiopischen Region Tigray. Äthiopien gehöre zwar nicht zu den Ländern, die in Diskussionen über Religionsfreiheit weltweit als erstes auftauchten. Mit Premierminister Abiy Ahmed sei dort 2018 ein evangelikaler Christ an die Macht gekommen, dessen Vater Muslim und dessen Mutter orthodoxe Christin sei. „Die Hoffnung war bei seinem Amtsantritt groß, dass er auf diesem Hintergrund zu einem Ausgleich der schwelenden Konflikte beitragen könne. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Instabilität im Land hat zugenommen.“ Der Premierminister scheine vor allem am eigenen Machterhalt interessiert zu sein. „Besonders besorgniserregend ist die Situation im nördlichen Bundesstaat Tigray, der schon seit längerem mehr Unabhängigkeit von der Zentralregierung fordert.“ Seit November 2020 herrsche dort ein blutiger Krieg, der oft unzureichend und einseitig als eine Auseinandersetzung zwischen tigrayischen Rebellengruppen und der Regierungsarmee dargestellt werde. Doch mittlerweile seien Tausende Zivilisten in diesem Krieg „massakriert“ worden. „Man spricht von ethnischen Säuberungen. Hundertausende sind geflohen.“ Das kulturelle Erbe der Region sei seit Kriegsausbruch in Gefahr. Augenzeugen berichteten vom gezielten Beschuss religiöser Stätten, von Plünderungen religiöser Kultgegenstände und davon, dass Priester und Ordensleute vor den Augen der Gläubigen getötet worden seien. „Hier verfolgen Christen, Christen – hauptsächlich aus ethnischen und politischen Gründen – und zerstören bewusst religiöse Stätten, die für die tigrayischen Christen von identitätsstiftender Bedeutung sind."

Kooperation ist besser als Fusion

Der stellvertretende Präsident der badischen Landessynode, Pfarrer Karl Kreß (Walldürn/Odenwald), warb in seinem Grußwort für die Kooperation zwischen den beiden Landeskirchen. Das sei im Zweifel besser als eine Fusion. Denn eine Fusion berge die Gefahr, dass diejenigen, die ihr nicht zustimmten, ausgegrenzt würden. Bei einer Kooperation könnten dagegen beide Seiten so weit gehen, wie sie wollten: „Man trennt nicht, sondern vereint, soweit es möglich ist.“ Kreß ermutigte auch zu einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen evangelischer und katholischer Kirche. Er habe nämlich erfahren, dass er mit Katholiken gut zusammenarbeiten könne, auch wenn er nicht bei allen ihren Bräuchen „mitmachen“ könne. Er suche dabei nach dem, was beide vereine. „Und das ist unglaublich viel mehr, als das, was uns trennt.“ Im Gegensatz zu allen anderen Landeskirchen werden die württembergischen Synodalen per Urwahl direkt von den Kirchenmitgliedern gewählt. Die württembergische Landeskirche hat 1,87 Millionen Mitglieder.