23.05.2023

Vietnam: Auch Freiheit kann gefährlich sein

IDEA-Redakteurin Erika Gitt stellt Arbeit eines vietnamesischen Pastors vor

Vietnam ist seit fast 50 Jahren kommunistisch regiert. Trotz schwieriger Umstände wächst die Zahl der Christen. Dazu trägt auch Pastor Barnabas (Name geändert) mit seiner Bibelschule bei. Er war beim Jugendtag von Open Doors (18. Mai) mit rund 2.000 Teilnehmern in Erfurt zu Gast, um aus seinem Heimatland zu berichten. 

Auf den Kommunismus waren wir nicht vorbereitet“, erinnert sich der vietnamesische Pastor Barnabas (66). Als die Kommunisten 1975 ihren Sieg im Vietnamkrieg feierten, war er gerade zwei Jahre Christ und studierte Theologie an der einzigen Bibelschule im Süden des Landes: „Die Kommunisten schlossen die Einrichtung und viele Kirchen. Pastoren flohen oder wurden festgenommen. Viele verschwanden spurlos.“

Die Verfolgung löste eine „Schockstarre“ unter den Christen aus, berichtet Barnabas: „Die Aktivitäten der Kirchen kam für rund zehn Jahre praktisch zum Erliegen.“ Ab 1988, so erinnert sich Barnabas, wurden die Christen im Land langsam wieder aktiv. Dem damals 31-Jährigen wurde bewusst: Es braucht neue und gut ausgebildete Leiter. Er selbst hatte das Studium allein fortgesetzt und zog als Evangelist und Gemeindegründer durch das Land.

Bibelschule im Urwald

1990 begann er, heimlich kleine Klassen für Theologiestudenten zu bilden: „Wir trafen uns im Urwald oder auf entlegenen Bauernhöfen, um nicht aufzufallen.“ Waren es anfangs nur 16 Studenten, haben mittlerweile mehr als 8.800 das von Open Doors unterstützte Programm absolviert und leiten teilweise Kirchen oder gar ganze Denominationen. „Wir handeln nach dem Prinzip Christi“, erklärt Barnbas das Konzept. „Die Schüler müssen das Erlernte gleich in der Praxis anwenden.“ Der Unterricht erfolgt in Blöcken von einer Woche, daran schließen sich drei bis vier Wochen Gemeindedienst an. Außerdem dürften die jungen Menschen erst mit einem neuen Lehrbuch beginnen, wenn sie die erlernten Inhalte an die Christen in ihrem Umfeld weitergegeben haben. Bis heute läuft die Werbung für die Bibelschule aus Sicherheitsgründen rein über Mund-zu-Mund-Werbung. Auch wenn der Druck auf Christen in einigen Regionen des Landes im Laufe der vergangenen Jahrzehnte etwas nachgelassen hat, so gilt das längst nicht für ganz Vietnam. Christen gelten als unpatriotisch und regierungskritisch und werden als solche streng überwacht, zensiert und diskriminiert.

Opfer für den Glauben bringen

Große Teile der Bevölkerung sind von politischen Programmen enttäuscht. Pastor Barnabas sagt dazu: „Die Bibel lehrt uns, dass kein irdisches Reich von Dauer ist.“ Doch er ist auch besorgt, ob die vietnamesischen Christen auf die Freiheit vorbereitet sind: „Verfolgung ist wie ein Virus, das den Körper von außen angreift und gegen das man immun werden kann. Die Verlockungen der Freiheit greifen eher von innen an und sind aus meiner Sicht viel gefährlicher für uns Christen.“ So sei es nun sein Ziel, die Bibelschüler – und damit die Kirchen im Land – geistlich vorzubereiten. „In der Verfolgung haben wir gelernt, Opfer für den Glauben zu bringen.“ Künftig müssten die vietnamesischen Christen wie ihre westlichen Geschwister lernen, „diese Opferbereitschaft trotz zunehmender materieller Ablenkungen nicht zu verlieren“.