24.05.2023

Deutschland: Kirchentag - Streit um Verbot von „Nakba“-Ausstellung

Kirchentagspräsidium wirft der Schau „Einseitigkeit“ vor

Nürnberg (IDEA) – Eine „Nakba“-Ausstellung über Flucht und Vertreibung von Palästinensern aus Israel im Jahr 1948 darf nicht auf dem 38. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Nürnberg (7. bis 11. Juni) gezeigt werden. Das hat das Präsidium des Kirchentages einstimmig beschlossen. Grund sind Vorwürfe, die Ausstellung stelle die Geschehnisse einseitig dar. Hintergrund ist ein jahrzehntelanger Streit zwischen Israel und den Palästinensern über die Deutung der Ereignisse im israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948. Damals hatten mehrere arabische Staaten dem jungen israelischen Staat den Krieg erklärt. Nachdem dessen Streitkräfte den Angriff abgewehrt hatten, flohen rund 700.000 Araber aus Israel oder wurden vertrieben. Während Israelis die Ereignisse als heldenhafte Verteidigung ihres Staates gegen eine feindliche Übermacht sehen, bezeichnen Palästinenser sie als „Nakba“ (arabisch: Katastrophe). In der Vergangenheit war die auf diesen Ereignissen basierende Ausstellung des Vereins „Flüchtlingskinder im Libanon“ (Pfullingen bei Reutlingen) regelmäßig auf den Kirchentagen gezeigt worden. Kritiker wandten jedoch von Anfang an ein, dass die Rolle des Angriffs der arabischen Nachbarstaaten nicht ausreichend gewürdigt werde, ohne den es nicht zu Flucht und Vertreibung gekommen wäre.

Verein: Kriegserklärung wird nicht verschwiegen

Die Vorsitzende des Vereins „Flüchtlingskinder im Libanon“, Ingrid Rumpf, sagte gegenüber dem Deutschlandfunk, eine von 14 Schautafeln der Ausstellung thematisiere den Angriff der arabischen Armeen. „Da steht, dass die arabischen Staaten den Krieg erklärt haben.“ Es seien auch die Stärken der verschiedenen Armeen aufgeführt. Mehr könne „man wirklich nicht machen“. Die „Nakba“-Ausstellung sei zudem vom Evangelischen Entwicklungsdienst und der Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit des Landes Baden-Württemberg gefördert worden. Das hätten diese niemals getan, wenn darin eine Verfälschung der Geschichte enthalten gewesen sei, so Rumpfs Argumentation. Auf keinen Fall gehe es darum, dem Staat Israel das Existenzrecht abzusprechen. Auch die evangelische Präsidentin des ersten Ökumenischen Kirchentages im Jahr 2003, Elisabeth Raiser (Berlin), kritisierte, dass bereits im Vorfeld des Kirchentags Verbote ausgesprochen würden. Wenn man eine Ausstellung ablehne, müsse man das begründen. Sie könne zwar verstehen, dass viele Israelis das Gefühl hätten, dass auf den Kirchentagen in der Vergangenheit vor allem die palästinensische Seite zu Wort gekommen sei. Ihrer Ansicht nach sei das jedoch nicht das Ziel der „Nakba“-Ausstellung.

Präsidium: Ausstellung müsste überarbeitet werden

Die Generalsekretärin des Kirchentags, Pfarrerin Kristin Jahn (Fulda), verteidigte den Beschluss des Präsidiums hingegen und begründete ihn mit der „Einseitigkeit“ der Ausstellung. Es zeige sich seit Jahren, dass sie einer Überarbeitung bedürfe. Diese sei der Verein jedoch „derzeit immer noch schuldig geblieben“, so Jahn. Zudem gelte das Verbot nur für die Ausstellung; der Verein könne auf dem Kirchentag weiterhin über seine Aktivitäten berichten.

CFFI: Richtige Entscheidung

Das Christliche Forum für Israel (CFFI/Trostberg/Oberbayern) begrüßt die Entscheidung des Präsidiums. Vorstandsmitglied Winfried Rudloff (Berlin) sagte gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA, jeder Krieg führe zu Flüchtlingsströmen. Es sei jedoch in diesem Fall ein historischer Fakt, dass Israel von den Nachbarstaaten 1948 zuerst angegriffen worden sei – „und um sein Überleben als junger Staat kämpfen musste. Und das unmittelbar nachdem sechs Millionen Juden in Europa im Holocaust bestialisch ermordet wurden.“ Hinzu komme, dass den Flüchtlingen von den arabischen angreifenden Armeen gesagt worden sei: „Verlasst Eure Häuser und Dörfer für einige Tage – bis wir alle Juden ins Meer getrieben haben“. Überraschend für alle sei das nicht eingetreten. „So bekommt die ‚Flucht‘ nochmals eine andere Wertung.“ Der Verein verschweige außerdem die rund 850.000 jüdischen Flüchtlinge die nach der Staatsgründung Israels 1948 aus den muslimischen Ländern – besonders aus Nordafrika – gewaltsam vertrieben worden seien. „Es waren brutale Pogrome denen Juden ausgesetzt waren: Morde, Vergewaltigungen, Raub. Oft konnten sie nur ihr Leben retten.“ Heute lebten über zwei Millionen arabische Israelis im modernen Staat Israel.