22.09.2023

Israel: Ein besonderer Feiertag

Der Versöhnungstag Jom Kippur gilt als der Schabbat schlechthin. Von Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang fasten Juden an diesem Tag. In Israel steht das öffentliche Leben still.

(israelnetz.com  - Von Elisabeth Hausen)  Am 10. Tag des Jahres feiern Juden den Großen Versöhnungstag Jom Kippur. In diesem Jahr beginnt er am Abend des 24. September.

Die meiste Zeit des Tages verbringen Juden im Gebet. Jom Kippur ist der einzige Tag, an dem sie fünf vorgeschriebene Gebete sprechen. Ohnehin üblich sind das Abendgebet (Aravit oder Ma’ariv), das Morgengebet (Schacharit) und das Nachmittagsgebet (Mincha).

Wie auch an anderen Festtagen gibt es spezielle Zusatzgebete, die unter dem Begriff „Mussaf“ zusammengefasst werden. Einzigartig ist das Ne’ila-Gebet, das nach dem Nachmittagsgebet gesprochen wird. Es verdeutlicht unter anderem, dass der Mensch sich für ein Leben nach Gottes Geboten entscheiden kann.

In 3. Mose 23,26–32 heißt es: „Und der HERR redete mit Mose und sprach: Am zehnten Tage in diesem siebenten Monat ist der Versöhnungstag. Da sollt ihr eine heilige Versammlung halten und fasten und dem HERRN Feueropfer darbringen und sollt keine Arbeit tun an diesem Tage, denn es ist der Versöhnungstag, euch zu entsühnen vor dem HERRN, eurem Gott. Denn wer nicht fastet an diesem Tage, der wird aus seinem Volk ausgerottet werden. Und wer an diesem Tage irgendeine Arbeit tut, den will ich vertilgen aus seinem Volk. Darum sollt ihr keine Arbeit tun. Das soll eine ewige Ordnung sein bei euren Nachkommen, überall, wo ihr wohnt. Ein feierlicher Sabbat soll er euch sein und ihr sollt fasten. Am neunten Tage des Monats, am Abend, sollt ihr diesen Ruhetag halten, vom Abend an bis wieder zum Abend.“

Selbst weltliche Juden fasten

Wie in der Bibel geboten, steht das öffentliche Leben in Israel an diesem Tag still. Deutlich mehr noch als an einem gewöhnlichen Schabbat verzichten Juden auf das Autofahren, außer in Notfällen. Die freien Straßen bevölkern Kinder mit Fahrrädern, Skateboards und Rollschuhen.

Säkulare Onlinezeitungen teilen mit, sie würden ihre Berichterstattung nach dem Ende des Fastens wiederaufnehmen. Selbst viele Juden, die sich als weltlich einstufen, gehen am Jom Kippur in die Synagoge und fasten.

In der Synagoge wird das Buch Jona gelesen. Der biblische Prophet widersetzte sich Gottes Auftrag, den Menschen in Ninive eine Bußpredigt zu halten. Stattdessen bestieg er ein Schiff, das ihn möglichst weit in die westliche Gegenrichtung bringen sollte – nach Tarsis in Spanien. Doch Gott brachte ihn zur Umkehr, er predigte den Menschen in Ninive das Gericht, und sie ließen von ihren bösen Wegen ab. Die Stadt im heutigen Irak wurde nicht zerstört, weil Gott mit Gnade auf die Bußbereitschaft der Bewohner reagierte.

Mehrere Facetten von „Vergebung

Drei Wörter gibt es im Hebräischen für „Vergebung“: slicha, mechila und kappara. Im täglichen Leben ist in Israel oft „slicha“ zu hören, wenn jemand etwa um Verzeihung bittet für ein versehentliches Anrempeln im Gedränge.

Das Wort „mechila“ kann neben der Vergebung auch das Graben eines Tunnels bedeuten, wenn beispielsweise Häftlinge auf solche Weise aus einem Gefängnis entfliehen. Übertragen heißt das: Wer einem Menschen vergibt, dass dieser ihn verletzt hat, ist von der damit verbundenen Last befreit.

Der Ausdruck „kappara“ wiederum ist mit „kippur“ verwandt. Die Betonung liegt hier auf der Reinigung. Durch die Vergebung ist es so, als wäre die Tat nie geschehen. Das macht Versöhnung möglich.

Manche schlachten angesichts des Jom Kippur einen Hahn. Dieser geht quasi stellvertretend für den Menschen in den Tod. Die Zeremonie trägt den Namen „Kapparot“.

 

Gnade des Schöpfers im Mittelpunkt

In der von Joel Rappel herausgegebenen hebräischen Enzyklopädie „Mo’adei Jissrael“ (Die Feste Israels) heißt es: „Der zentrale Gedanke, der im Ursprung dieses besonderen Tages steht, ist die Gnade des Schöpfers des Menschen, der ihn aufruft, Buße zu tun, und bereit ist, die Sünden desjenigen zu sühnen, der sich vor ihm reinigt.“

Bereits in den Tagen und Wochen vor Jom Kippur bestimmen das Streben nach Umkehr und die Slichot-Gebete das jüdische Leben. Viele versammeln sich nachts an der Klagemauer und in den Synagogen, um Gott um Vergebung für ihre Übertretungen zu bitten.

Das traditionelle Widderhorn, der Schofar, verkündet das Ende des Feiertags. Gott besiegelt in diesem Augenblick nach jüdischer Auffassung sein Urteil über das weitere Leben der Betenden. Wie auch am Schabbat kennzeichnet das Havdala-Gebet, das zwischen Heiligem und Weltlichem trennt, den Beginn des Alltags. Nun beginnen die Fastenden wieder mit Essen und Trinken. Manche fangen schon an, die Laubhütte für das bevorstehende Sukkot-Fest zu bauen.

Jom-Kippur-Krieg vor 50 Jahren: Überraschungsangriff am Fasttag

Vor 50 Jahren, am 6. Oktober 1973, griffen arabische Truppen während des hohen Feiertages Israel an. Trotz der Überraschung konnten die Israelis den Krieg knapp drei Wochen später für sich entscheiden – wenn auch mit hohen Verlusten. Er ging als Jom-Kippur-Krieg in die Geschichte ein. Araber nennen ihn „Oktoberkrieg“.

Einen Hintergrundartikel zum 50. Jahrestag des Jom-Kippur-Krieges mit Zeitzeugenbericht lesen Sie im neuen Israelnetz Magazin 5/2023, das Mitte Oktober erscheint. Sie können die Zeitschrift und unverbindlich bestellen unter 06441/5667700, via E-Mail an info@israelnetz.com oder online.